Der Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hat in Deutschland und anderen Ländern viele Menschen entsetzt. Die Bundesregierung fordert Aufklärung von der Regierung um den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Politiker mehrerer Parteien vermuten entweder Putin oder mächtige Menschen in seinem Umfeld hinter der Attacke mit einem Nervengift auf der Nowitschok-Gruppe.
Die russische Regierung wirft westlichen Staaten "Hysterie" vor, vermutet ein Komplott gegen Russland, um die Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland zu verhindern. In Russland selbst bleibt es nach dem Anschlag auf Nawalny erstaunlich ruhig. Es gibt keine Berichte über größere Protestaktionen – anders als bei früheren Angriffen, etwa dem Mord am russischen Oppositionsführer Boris Nemzow im Februar 2015.
Warum glauben viele Menschen in Russland und Russlanddeutsche der Version der Fakten, die Präsident Putin liefert? Wir haben mit zwei Russlanddeutschen gesprochen – und ordnen ihre Aussagen mithilfe von Russland-Experte Stefan Melle ein.
Melle ist Geschäftsführer der deutsch-russischen Nichtregierungsorganisation Deutsch-Russischer-Austausch (DRA), die sich für die Stärkung der Zivilgesellschaft einsetzt.
Die beiden Russlanddeutschen sind rund 30 Jahre alt. Beide wollen ihren echten Namen nicht veröffentlicht wissen, wir nennen sie Aljoscha und Alexander.
Aljoscha sagt zur Rolle Alexej Nawalnys in Russland:
Experte Melle misst Nawalny eine größere Bedeutung zu – weist aber darauf hin, dass er auch bei Oppositionellen im Land umstritten ist:
Mit seinen YouTube-Videos erreicht Nawalny teilweise millionenfache Abrufe. Seine Popularität, zumindest bei einem Teil der Bevölkerung, erklärt Melle so:
Aljoscha sagt:
Alexander setzt die direkt von der russischen Regierung kontrollierten Medien mit den unabhängigen, öffentlich-rechtlichen wie privaten Medien in europäischen Staaten gleich:
Und Aljoscha vertritt die Erzählung der russischen Regierung (der auch manche Politiker von Linkspartei und AfD in Deutschland folgen) – dass der Fall Nawalny nur ein Instrument sei, um Russland zu diskreditieren und den Bau von Nord Stream 2 zu blockieren:
Für DRA-Geschäftsführer Melle passen solche Ansichten zum Narrativ, das die russische Regierung und die Staatsmedien verbreiten:
Es würden Spekulationen in unterschiedliche Richtungen gestreut, unter anderem auch gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel:
Wichtig sei auch die Botschaft, dass nichts über Nawalnys Vergiftung klar ist.
Alexander erklärt die Beliebtheit von Präsident Wladimir Putin so:
Russland-Experte Stefan Melle erklärt die (in Russland weit verbreitete) These, Putin habe für Ordnung gesorgt, mit den Zuständen in den 1990er-Jahren. Also der Zeit zwischen dem Ende des Kalten Kriegs und der Auflösung der Sowjetunion und Putins Machtübernahme im Jahr 2000:
Und der Respekt, den Putin Russland in den Augen vieler in der Welt verschafft hat? Melle sieht ein Muster: