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Italien sucht einen neuen Premier. Und Europa zittert.

Innig vereint: Luigi Di Maio von der 5-Sterne-Bewegung und Lega-Frontmann Matteo Salvini (r.)
Innig vereint: Luigi Di Maio von der 5-Sterne-Bewegung und Lega-Frontmann Matteo Salvini (r.)Bild: dpa
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Populistisch küsst fremdenfeindlich – warum Europa Italiens Regierungsbildung fürchtet

14.05.2018, 17:2214.05.2018, 18:59
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Italien bekommt eine neue Regierung. Die rechte Lega Nord und die populistische 5-Sterne-Bewegung koalieren. Eigentlich sollte am Montag ein neuer Premier kommen. Aber die 5-Sterne brauchen noch Zeit. 3 Fakten zum neuen Bündnis. Und warum das die EU beunruhigt. 

Die Wahl und ihre schwierigen Gewinner

Luigi Di Maio von der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung.
Luigi Di Maio von der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung.Bild: AP

Italien hat im März ein neues Parlament gewählt. Die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Paolo Gentiloni verloren krachend. Stärkste politische Kraft wurde die populistische und europakritische 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo mit 32 Prozent der Stimmen. Die fremdenfeindliche Partei Lega Nord und ihr Spitzenkandidat Matteo Salvini erhielt 18 Prozent der Stimmen.

Nach wochenlangen Gesprächen stehen beide Parteien nun vor einer Regierungsbildung. Beide Parteien stehen der EU kritisch gegenüber.

Salvinis Lega wendet sich gegen die Flüchtlingspolitik der EU. Sie war ursprünglich als Bewegung gestartet, die mehr Autonomie für den reichen Norden Italiens gefordert hatte. 

Die 5-Sterne-Bewegung und ihr Spitzenkandidat Luigi Di Maio hatten erst im Wahlkampf von ihrer Forderung Abstand genommen per Referendum über Italiens Zukunft im Euro abstimmen zu lassen. Ein möglicher Austritt Italiens würde die Gemeinschaftswährung ins Wanken bringen. 

Die spannende Suche nach dem Regierungschef

Lega-Frontmann Matteo Salvini und sein gerade begnadigter politischer Freund Silvio Berlusconi.
Lega-Frontmann Matteo Salvini und sein gerade begnadigter politischer Freund Silvio Berlusconi.Bild: ANSA

Lega und die 5-Sterne-Pertei wollen an diesem Montag den italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella über ihre Pläne für eine Regierungsbildung informieren. Und sie baten um mehr Zeit. Beide Parteien benötigten noch einige Tage, um die Diskussionen endgültig abzuschließen, erklärte 5-Sterne-Chef Di Maio.

Offen war bis zuletzt, wer Ministerpräsident werden soll. Sowohl Salvini als auch Di Maio hatten sich gegenseitig als Regierungschef abgelehnt. Auch der Staatspräsident reagiert zurückhaltend.

Mattarella erinnerte beide Parteien daran, dass er laut Verfassung das letzte Wort bei der Ernennung des Regierungschefs habe.

Pikant: Am Freitag hatte ein Gericht überraschend das politische Abstinenzgebot für den ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi aufgehoben. Der Unternehmer und Chef der rechten Forza Italia war 2013 wegen Steuerbetrugs verurteilt worden. Zugleich wurde ihm untersagt, sich politisch zu betätigen. Im Falle einer Neuwahl könnte Berlusconi, dessen Partei mit Salvinis Lega ein Wahlbündnis gebildet hatte, also wieder kandideren.

Berlusconi war mitten in der Euro-Krise 2011 aus dem Amt gedrängt worden und durch eine Expertenregierung unter dem Ökonomen Mario Monti ersetzt worden. Ein wichtiges Signal der politischen Stabilität – für das hochverschuldete Italien. Und den kriselnden Euro.

Und die Schockwellen in Brüssel

"Verlässt Italien den Euro?", fragte zuletzt die Zeitung New York Times und gab die Antwort gleich selbst. "Nicht so schnell."

Dennoch wird es für die EU ungemütlich. 

  • Die Sparvorgaben der EU lehnt Lega-Frontmann Salvini ab. "Wir werden die Sparmaßnahmen neu verhandeln", ließ er wissen. 

    Problem: Italien ist hochverschuldet. Die Staatsschuldenquote liegt bei 132 Prozent der Wirtschaftskraft. Das Land ist die drittgrößte Wirtschaft im Euroraum. Und zu groß, um im Notfall durch Kreditprogramme gerettet zu werden.

    Entwarnung: Am Montag blieben die Finanzmärkte weitgehend ruhig. Und selbst die 5-Sterne-Bewegung strebt kein Euro-Referendum mehr an. 
  • Die Russland-Sanktionen der EU werden in Italien ohnehin kritisch gesehen, weil der Energieversorger Eni mit Gazprom verbandelt ist. Auch Österreich sieht eine Verlängerung kritisch. Gegenwind also für Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas und ihren harten Kurs gegen Russlands Staatschef Wladimir Putin.

  • In der Flüchtlingspolitik hat Italien als Mittelmeeranrainer große Lasten zu tragen. Die Lega fordert einen radikale Wende der EU in der Flüchtlingspolitik. Unterstützung also für Länder wie Polen und Ungarn, die das ebenfalls wünschen. 

Bilanz: "Wir werden mit jeder Regierung jedes anderen europäischen Landes zusammenarbeiten in der Erwartung, dass jede Regierung sich an alle europäischen Regeln und unsere Art der Zusammenarbeit hält", sagte Hollands Außenminister Stef Blok am Montag in Brüssel. 

Die EU versucht zu beruhigen. Die Lage ist ohnehin ungemütlich. In Finnland sind die rechtspopulistischen Wahren Finnen an der Macht beteiligt, in Österreich regiert die ausländerfeindliche FPÖ mit. In Polen und Ungarn sind nationalkonservative Parteien an der Macht. 

Die Mitte wird dünner in Europa. Politisch gesehen.

(dpa, AFP, per.)

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