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Migranten gegen Wilders – 10 Fakten über die niederländischen Kommunalwahlen

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Was ein Dekolleté mit den niederländischen Wahlen zu tun hat

19.03.2018, 13:3922.03.2018, 08:52
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Die Niederlande wählen am 21. März die Stadt- und Gemeinderäte. Warum das wichtig wird? Nach Jahren der Polarisierung von rechts durch Geert Wilders machen nun die Migranten mobil. In den großen Städten des Landes treten gleich vier Migrantenparteien an. Parteienforscher wie Floris Vermeulen von der Universität Amsterdam sehen einen europaweiten Vorboten. "Es gibt eine Gruppe heimatloser Zuwanderer, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr repräsentiert sehen. Wir können von einem europäischen Phänomen sprechen."

10 Fakten, die du zur Kommunalwahl in Holland wissen musst:

Die Migranten-Partei Denk

epa05528515 Turkish Parliament Member of Party Denk Tunahan Kuzu (L) refuses to shake hands with Prime Minister Benjamin Netanyahu during a visit to the States General at the Binnenhof, in the Hague,  ...
Denk-Gründer Tunahan Kuzu (l.) sorgte im Vorjahr für Aufsehen. Er verweigerte Israels Premier Benjamin Netanjahu den Handschlag.

Neue Migrantenpartei in den Niederlanden. Gegründet vor vier Jahren vom türkisch-stämmigen Abgeordneten Tunahan Kuzu, der aus Protest über den Kurs in der Migrationspolitik die Sozialdemokraten verlassen hatte. "Denk ist eine Partei, die Muslime anspricht. Aber auch jene, die die Polarisierung satt haben", umschreibt Kuzu das Programm seiner Partei. Er selbst geriet im Vorjahr in die Kritik, weil er beim Besuch Benjamin Netanjahus dem israelischen Premier den Handschlag verweigerte.

Overachiever

Begriff aus der Migrationssoziologie. Bezeichnet Überflieger wie Denk-Gründer Tunahan Kuzu, geboren in Rotterdam, einziger Schüler mit Migrationshintergrund in seiner Klasse auf dem Gymnasium, nach dem Studium mit Job bei der renommierten Unternehmensberatung PwC. Dennoch wurde er stigmatisiert. Jetzt ist Schluss mit Zurückhaltung. Die Jungen aus den Migrantenfamilien machen mobil.

Sylvana Simons

epa05337678 A picture made available on 30 May 2016 shows Dutch television and radio presenter Sylvana Simons in Hilversum, The Netherlands, 27 May 2016. Simons will be a candidate, at the forthcoming ...
Die ehemalige TV-Moderatorin hofft auf ein gutes Abschneiden ihrer Partei in Amsterdam

In Surinam geborene Fernsehmoderatorin, kandidiert in Amsterdam mit ihrer Partei Bij1, eine Anspielung auf den ersten Artikel in der holländischen Verfassung. „Dort ist der Gleichheitsgrundsatz verankert, die Basis unseres Rechtsstaates. Damit ist alles gesagt", umschreibt Simons ihr Programm. "Wir sprechen viel über marginalisierte Gruppen, nicht mit ihnen", so Simons. Sie war kurz Mitglied bei Denk, überwarf sich dann aber mit Parteichef Kuzu. Abspaltungen sind bei neuen Parteien nichts Ungewöhnliches.

Cleavage

So nennen Politologen die gesellschaftlichen Konfliktlinien entlang derer sich Parteien bilden. Klassisch ist Staat (Konservative) gegen Individuum. Neu sind nach Ansicht des niederländischen Forschers Jung gegen Alt, Ökologie gegen Ökonomie und die Frage: Wer hat Zugang zum Sozialsystem.  "Nur die, die einzahlen oder auch Neuankömmlinge?", erläutert Krouwel. Er spricht daher einer "nativistischen Rechten". Es geht also bei den neuen Migrantenparteien um fehlende Bindekraft der alten Volksparteien. Und um Verteilungsfragen.

Königin Maxima

Die Frau an seiner Seite: Willem Alexander und Maxima.
Die Frau an seiner Seite: Willem Alexander und Maxima.

Seit 2013 Willem Alexander, nach der Abdankung seiner Mutter Beatrix der erste männliche Monarch in Holland seit 1890. Hatte als Student den Beinamen Prins Pilsje. Mittlerweile aber geläutert. Willem Alexander ist König. Aber noch beliebter ist seine Frau Maxima, die aus Argentinien stammt. Deshalb bemühen sie die Royals stets, wenn's um Integration geht.

Die Migranten-Wählerinnen und -Wähler

Auch in den Niederlanden bestens erforscht. Unter den Wählern mit Migrationshintergrund stellte Denk bei der Parlamentswahl im Vorjahr mit 25 Prozent die stärkste Partei. Politikwissenschaftler André Krouwel blickte näher auf die Denk-Wähler. Ergebnis: In Fragen der offenen Gesellschaft stehen Kuzus Wähler links der Mitte und den Sozialdemokraten oder den Grünen nah, in Ethikfragen aber, wie der in Holland erlaubten Sterbehilfe, nehmen sie einen wertkonservativen Standpunkt ein. Und sie setzen sich vehement ein für den alten Wohlfahrtsstaat.

Geert Wilders' Freiheitspartei

epa03387991 Dutch Prime Minister and Liberal party VVD-leader Mark Rutte (R) and right-wing Party for Freedom (PVV) leader Geert Wilders (L) joke around during the recording of the 'Jeugdjournaal ...
Ist gar nicht so lustig. Geert Wilders (l.) und Premier Mark Rutte.

Niederländisch: Partij voor de Vrijheid (PVV). Einziges Mitglied: Geert Wilders. Von diesem 2004 gegründet. Seine Wähler wohnen vorrangig auf dem Land, haben eine eher niedrige Bildung und gehören zum arbeitenden Teil der Bevölkerung zwischen 25 und 65. Wilders ist ihr Wegebereiter der neuen Rechten in Europa. Den Anti-Semitismus ersetzte er durch Anti-Islamismus. Den Koran will er verbieten, radikale Moscheen schließen. Die Niederlande soll raus aus dem Euro und der EU.

Nida

Begriff aus dem Koran, der übersetzt "Aufruf" bedeutet. Name einer politischen Gruppierung, die in Rotterdam bei den Kommunalwahlen antritt. Gründer Nourdin El Ouali wurde 2015 in Rotterdam zum Politiker des Jahres gekürt.

Ubuntu

Noch eine Migrantenpartei. Wendet sich mit einem klassischen Anti-Rassimus-Programm an Zuwanderer aus Afrika und aus Surinam. "Wir wagen den Sprung in Rotterdam und Amsterdam. Die Zeit ist reif, dass sich die afrikanische Gemeinschaft zu Wort meldet und politisch nicht mehr von anderen abhängig ist", so Parteichef Iwan Leeuwin.

Vorreiter

Gidsland, Führungsland, so lautete der Anspruch auf eine gesellschaftliche Vorreiterrolle der Niederlande. Könnte sich auch für die Migrantenparteien bestätigen. Parteienforscher wie Floris Vermeulen von der Universität Amsterdam sehen in Denk einen europaweiten Vorboten. "Es gibt eine Gruppe heimatloser Zuwanderer, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr repräsentiert sehen. Wir können von einem europäischen Phänomen sprechen."

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