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Europawahl: Wie Russland sich offenbar in den EU-Wahlkampf einmischt

Russian President Vladimir Putin, center, chairs a Security Council meeting in Moscow, Russia, Tuesday, April 30, 2019. (Alexei Druzhinin, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)
Bild: Pool Sputnik Kremlin
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Wie Russland sich offenbar in den EU-Wahlkampf einmischt

13.05.2019, 06:1513.05.2019, 11:42
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Kurz vor der Europawahl Ende Mai warnt EU-Justizkommissarin Vera Jourova vor organisierten Desinformationskampagnen im Wahlkampf.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass auch nur in einem Mitgliedstaat die Wahlergebnisse durch Manipulation verfälscht werden. Nicht nur, aber auch, weil diese Wahlen Schicksalswahlen für Europa sind", sagte die tschechische Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die EU-Kommission hat seit Monaten Sorgen, dass vor allem Russland sich mit sogenannten Social Bots einmischen könnte, also automatisch erstellten Beiträgen in sozialen Netzwerken. Desinformationskampagnen könnten nach Einschätzung von Experten die Debatte vor dem Brexit-Referendum in Großbritannien und den US-Wahlkampf 2016 beeinflusst haben.

Kampagnen weniger sichtbar als bei anderen Wahlen

Zugleich hatten ranghohe Geheimdienstvertreter schon zu Beginn des Wahlkampfes betont, dass das russische Vorgehen bislang weniger sichtbar seien als vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2016 oder der Wahl in Frankreich im Mai 2017. Damals waren in den USA unter anderem gehackte Mails der Demokraten veröffentlicht worden, um deren Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu schaden. In Frankreich wurde die rechtspopulistische und russlandfreundliche Kandidatin Marine Le Pen sogar mit russischen Geldern unterstützt.

Wer genau hinter den russischen Kampagnen zur Wahlbeeinflussung steckt, ist selbst für europäische Geheimdienste schwer zu durchschauen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die politische Führung in Moskau strategische Ziele ausgebe. Diese könnten zum Beispiel lauten, russlandfreundliche Kräfte zu fördern oder Streit innerhalb der EU oder Nato zu schüren.

Die Ziele würden dann von den verschiedenen Diensten oder anderen Akteuren relativ eigenständig und ohne viel Koordination umgesetzt. So sei neben dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und dem militärischen Auslandsgeheimdienst GRU vor allem die sogenannte Internet Research Agency in Sankt Petersburg in dem Bereich aktiv. Letztere versuche gezielt, die öffentliche Meinung im Internet zu manipulieren – zum Beispiel, indem sie in Diskussionsforen die Stimmung beeinflusse oder entsprechende Inhalte mit fingierten Identitäten über soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter verbreite.

Die Regierung in Moskau wies die Vorwürfe der Geheimdienste schon vor einigen Wochen als haltlos zurück. Russland mische sich nicht in die Europawahl ein und habe das auch bei anderen Wahlen nicht vor, teilte das Außenministerium mit. Die EU sei in einer schweren Krise, in der die traditionellen Parteien nicht mehr auf die Wähler eingingen und somit Euroskeptiker und Populisten stärkten.

New York Times-Bericht deutet Hilfe für Antifa an

Unterdessen macht ein Bericht der "New York Times" Wirbel, der zwei konkrete Beispiele für eine mögliche russische Unterstützung linker Kräfte in Deutschland anführt. An der Beweisführung gibt es allerdings erhebliche Kritik. In dem Bericht geht es um russisches Interesse an einer Destabilisierung des Westens und Zweitracht unabhängig von politischer Ausrichtung zu säen. So hat der russische Staatsmedienkonzern etwa auch einen Kanal gestartet, der sich sich gezielt an Linke richtet.

In dem Bericht der "New York Times" wird aber ein anderes Beispiel genannt, und t-online.de und watson hatten das berichtet, ohne auf Zweifel an der Darstellung einzugehen.* "Antifa West Berlin" und "Antifa Nord Ost" nutzen dem Bericht zufolge einen Server, den auch russische Hacker zuvor benutzt hätten. Die "New York Times" stützt sich dabei auf Daniel Jones, einen früheren FBI-Analysten, der nun die gemeinnützige Gruppe "Advance Democracy" leitet.

Er wies auch darauf hin, dass eine der beiden lokalen Antifa-Gruppen ihre Seite mit einer Mailadresse registriert hat, mit der auch zwei russische Spearphishing-Webseiten eingerichtet wurden. Spearphishing ist der Versuch, gezielt die Accounts bestimmter Personen zu attackieren und an Informationen daraus zu gelangen. Die Faktencheckerin Karolin Schwarz äußert aber Kritik an der Beweisführung: "Die angeblich dubiose Mail-Adresse ist einfach die Mail-Adresse eines anonymen Domain-Registrierungsdienstes." Aus der Nutzung anonymer Dienste dürfe nicht auf eine Verbindung nach Russland geschlossen werden. Registriert wurden die Adressen auch bereits in den Jahren 2013 und 2015.

Auch die Nutzung des Servers sei kein zweifelsfreier Beleg. Mit dieser Einschränkung zitiert die "New York Times" bereits Experten. Der Server sei sehr verdächtig, werde aber mutmaßlich nicht nur von russischen Hackern genutzt. Dort liegen zahlreiche Seiten, darunter einige, die auch Betrugsabsicht nahelegen.

In dem "New York Times"-Bericht wird unabhängig davon berichtet, dass auf Hunderten Konten in sozialen Netzwerken in den Wochen vor der EU-Wahl Falschinformationen zu Europa, Migration und der Nato verbreitet wurden. Auch über Whatsapp seien vermehrt Falschnachrichten versendet worden – wie zum Beispiel Verschwörungstheorien rund um das Notre-Dame-Feuer. Eine der Behauptungen ist, die Kirche sei von einer islamistischen Terrorgruppe in Brand gesteckt worden. Verbindungen nach Russland lassen sich jedoch im Detail in der Regel nicht nachweisen.

Anmerkung: t-online.de und watson haben diese Passage überarbeitet mit der Kritik an dem Beispiel. In der früheren Version hatten t-online.de und watson berichtet, von dem Server seien auch Falschinformationen verbreitet worden. Das beruhte auf einem Missverständnis und ist durch die Berichterstattung der "New York Times" nicht gedeckt.

(pb/aj/afp/dpa)

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