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Aktuelle Corona-Situation an Schulen: Bewegende Worte eines 16-Jährigen

Teen girl in protective face mask walking with her classmate outside college building on sunny day
Covid-19-Ausbrüche werden an vielen Schulen inzwischen kaum noch nachverfolgt, selbst Sitznachbarn von Corona-Positiven müssen oft nicht mehr in Quarantäne. Bild: iStockphoto / JackF
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16-Jähriger über Durchseuchung: "Sehe selbst, wie das Virus einmal durch die ganze Schule wandert"

12.02.2022, 23:04
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Florian Pumple

Rund hundert Schülervertreterinnen und Schülervertreter aus ganz Deutschland haben sich nach fast zwei Jahren Unterricht in der Corona-Pandemie vergangene Woche zusammen getan, um sich unter dem Hashtag "WirWerdenLaut" für ihre Rechte stark zu machen.

In ihrer Petition, die inzwischen über 130.000-mal unterzeichnet wurde, fordern sie mehr Mitspracherecht in Bezug auf Corona-Maßnahmen an Schulen. Insbesondere die Aussetzung der Präsenzpflicht zugunsten einer Bildungspflicht ist ein zentraler Punkt ihrer Forderungen. Denn: Nicht alle Schüler fühlen sich wohl, bei den derzeit hohen Infektionszahlen weiterhin in ihrem Klassenzimmer zu sitzen – sie wollen zumindest die Option haben, ins Homeschooling wechseln zu dürfen.

Die Politik reagierte inzwischen auf den Protest der Kinder und Jugendlichen. So antwortete zum Beispiel Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), sie sei "zum Austausch" bereit, die Schülerinnen und Schüler müssten "gesehen und gehört" werden. Allerdings hatte sie in der Vergangenheit mehrfach betont, wie wichtig es sei, die Schulen offen zu halten, um Bildungsgerechtigkeit zu garantieren – auch in der Pandemie.

Was ist da los an deutschen Schulen? Warum ist es überhaupt nötig, dass sich die Schüler so zur Wehr setzen müssen? Florian Pumple gab uns für watson eine Inneneinsicht. Er ist selbst Schüler in Cochem, würde lieber zuhause unterrichtet werden und unterstützt den Offenen Brief.

Der Kontakt zum rheinland-pfälzischen Bildungsministerium ist zwar "verhältnismäßig eng", berichtet der 16-Jährige, der auch Schülervertreter ist. Doch das sei derzeit eher die Ausnahme in Deutschland. Bei watson berichtet Florian von Klassenräumen ohne Luftfilter, Quarantänen ohne Digitalunterricht und einer frustrierenden "Egal"-Haltung zu all dem Chaos von Seiten der Politik. Hier kommt er zu Wort.

Er sagt:

"Die Zustände sind zum größten Teil noch wie am Anfang der Pandemie, wenn nicht noch schlimmer."

"Ich unterstütze #Wirwerdenlaut, da wir als Schüler und Schülerinnen seit Tag Eins der Pandemie vernachlässigt und übergangen werden. Es wurde Zeit, uns nun endlich ganz direkt und geeint an die Politik zu wenden und die Forderungen, die wirklich schon lange bestehen, und die ich auch durch Erfahrung als mehr als nötig erachte, nach außen zu tragen, auch wenn wir hier in Rheinland-Pfalz eine verhältnismäßig gute Kommunikation mit dem Bildungsministerium haben.

Grundliegend falsch läuft erst einmal, dass die Politik aus den vorherigen zwei Jahren wohl wenig gelernt hat. Die Zustände sind zum größten Teil noch wie am Anfang der Pandemie, wenn nicht noch schlimmer.

Nach zwei Jahren gilt noch immer die alte Strategie: Lüften und Maske

Wir sitzen aktuell in voller Klassen- und Kursstärke in den Räumen ohne ausreichende Maßnahmen. Es gibt weder Luftfilter noch angemessene Quarantänemaßnahmen bei Coronafällen. Stattdessen wird weiter ausschließlich am Lüften und der Präsenzpflicht festgehalten. Auch die Abschlussjahrgänge leiden sehr. Das Abitur wurde unter belastenden Umständen mit Maskenpflicht geschrieben und auch der geforderte Stoff wurde über die letzten Jahre nicht beständig und zureichend vermittelt. Trotzdem wird der Inhalt nahezu in vollem Umfang wie vor der Pandemie gefordert.

"Es gibt weder Luftfilter noch angemessene Quarantänemaßnahmen bei Coronafällen."

Meiner Meinung nach besteht das Risiko einer Infektion und eines Ausbruchs überall: Sowohl privat als auch in der Schule. Es fängt bei dem Schulweg im überfüllten öffentlichen Nahverkehr an, ohne ausreichende Masken und Belüftung, und geht in den Klassen- und Aufenthaltsräumen weiter, die teilweise ebenfalls überfüllt sind und man dadurch eng beieinander sitzt. Auch diese Räume sind nicht ausreichend, oft auch gar nicht, mit Luftfiltern ausgestattet.

07 . 01 . 2021 , Berlin / Zehlendorf : Im Zehlendorfer Schadow - Gymnasium werden Luftreinigungsfilter eingebaut , die im Zusammenspiel mit den üblichen Hygieneregeln das Risko einer Corona - anstecku ...
Luftreinigungsfilter, wie dieser in einem Berliner Gymnasium, sollen im Zusammenspiel mit den üblichen Hygieneregeln das Risiko einer Corona-Ansteckung im Klassenzimmer senken.Bild: www.imago-images.de / Bernd Friedel

Zudem gibt es so selten und wenige Testungen, dass Corona-Infektionen nicht rechtzeitig genug erkannt werden, um einen Ausbruch zu verhindern. Beide Risikoherde könnte man eindämmen. Privat kann das natürlich jeder, doch in der Schule haben wir keine Wahl. Daher sollte man die Präsenzpflicht aussetzen und vor allem die Schulen nicht als 'sicheren Ort' bezeichnen, gerade angesichts der Fallzahlen allgemein und auch wegen der steigenden Fälle an Schulen.

Corona-Ausbrüche wurden kaum mehr zurückverfolgt oder eingedämmt

Natürlich gab es an meiner Schule auch Corona-Fälle. Bei diesen wurden allerdings unzureichend eindämmende Maßnahmen getroffen. Schüler und Schülerinnen, die mit Betroffenen einen Kurs oder Klasse besuchen, mussten sich die folgenden fünf Tage mit Selbsttests testen, während sie aber weiter in die Schule gehen mussten. In Quarantäne musste fast niemand. Das birgt natürlich das Risiko für weitere Infektionen, Selbsttests können falsch sein, oder die Inkubationszeit noch nicht überschritten. Noch dazu werden Infektionen oft erst so spät nachgewiesen, dass Infizierte bereits drei Tage in der Schule waren, bis es auffällt.

Ich selbst hatte noch kein Corona. Darüber bin ich sehr froh. Allerdings mache ich mir angesichts der aktuellen Lage immer mehr Sorgen um eine Infektion und deren mögliche Folgen. Im Falle einer Infektion und einer Quarantäne kann ich von Freunden und Freundinnen sagen, dass es keinen digitalen Unterricht gab und man den Stoff selbstständig erarbeiten und nacharbeiten muss.

Es gibt auf jeden Fall viele Schüler und Schülerinnen, die trotz der erschwerten Bedingungen in den Distanzunterricht wechseln möchten. Das hat aus meiner Sicht den ganz einfachen Grund der Sicherheit. Einmal kann man nicht ausschließen, dass eine Corona-Infektion schwerwiegende Folgen für einen selbst hat, vor allem in Anbetracht von Long Covid, aber auch die Sicherheit der Familie spielt dabei eine Rolle.

"Ich selbst würde gerne in den Distanzunterricht wechseln."

Wie schon gesagt, kann man sich aktuell nicht aussuchen, ob man sich dem Risiko in der Schule aussetzen möchte oder nicht. Eine Wahl wäre aber gut, sowohl für Schüler und Schülerinnen, die sich diesem Risiko nicht aussetzen wollen, als auch für diejenigen, die weiterhin die Schule in Präsenz besuchen möchten. Wir wissen alle, dass Distanzunterricht auch eine starke Belastung sein kann und sollten die Möglichkeit zum Präsenzunterricht daher weiterhin haben.

Kundgebung Leise wird sichtbar, bundesweiter Aktionstag u.a. von Eltern, fordern ein sofortiges Aussetzen der Präsenzpflicht an Schulen, gegen Durchseuchung der Kinder, München, 22. Januar 2022 DEU, D ...
Da die Politik nach Auffassung vieler Schüler, Eltern und auch Lehrern nicht handelt, protestieren sie, wie hier zum bundesweiten Aktionstag unter dem Motto #leisewirdsichtbar am 22. Januar 2022 in München.Bild: www.imago-images.de / Wolfgang Maria Weber

Ich selbst würde gerne in den Distanzunterricht wechseln. Die Gründe dafür sind dieselben, wie eben genannt: In meiner Familie gibt es Menschen die in systemrelevanten Berufen und mit Risikopatienten arbeiten, wie der Feuerwehr und Altenpflege. Aber auch die persönliche Gesundheit meiner Familie liegt mir am Herzen. Daher möchte ich sie und auch mich vor einer Infektion schützen.

Die Politik scheint in eine "Egal"-Haltung verfallen zu sein

Ich finde den Begriff 'Durchseuchung' im Zusammenhang mit der derzeitigen Lage an Schulen durchaus treffend. Wenn man die Inzidenzen vom Anfang der Pandemie in Relation zu den aktuellen setzt und sich die Maßnahmen anguckt, scheint es mir, als ob es der Politik mittlerweile egal geworden ist, wie viele Menschen sich infizieren, und das merken vor allem wir Schüler und Schülerinnen. Ich sehe selbst, wie das Virus einmal durch die ganze Schule wandert. Immer häufiger gibt es Fälle, bei denen nur noch unzureichende Maßnahmen getroffen werden.

"Ich finde den Begriff Durchseuchung im Zusammenhang mit der derzeitigen Lage an Schulen durchaus treffend."

Ich denke, in unserem offenen Brief wurde sehr deutlich, dass wir uns kollektiv von der Politik, vor allem in der Pandemie, nicht gehört und übergangen fühlen. Das ärgert mich natürlich. Es ist sehr wichtig, dass die Politik mit uns, und nicht über uns Diskurs führt und es ist für mich schlimm, dass es einen solchen Brief braucht, um das zu erreichen.

Dass #Wirwerdenlaut so viel Unterstützung – auch von Eltern und Lehrern – erfährt, überrascht mich positiv, gerade wegen den Erfahrungen der letzten zwei Jahre, bei denen unsere Forderungen oft als weniger wichtig erachtet wurden, trotz des bei uns verhältnismäßig engen Kontakts mit dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium. Ich hoffe natürlich, dass die Politik nun endlich handelt."

Protokoll: Julia Dombrowsky

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