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Queere katholische Menschen über ihre Gründe für die Teilnahme an "Out in Church"

Corinna Hilgner arbeitet beim katholischen Pfandfinderverband DPSG in Aachen und outete sich bereits früh am Arbeitsplatz.
Corinna Hilgner arbeitet beim katholischen Pfandfinderverband DPSG in Aachen und outete sich bereits früh am Arbeitsplatz. privat
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#OutInChurch: Queere Katholiken berichten über ihr Engagement für die Kirche

06.02.2022, 11:4206.02.2022, 14:30
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Queerness in der Kirche: Ein Thema, das in der Öffentlichkeit immer noch unterrepräsentiert ist. Ende Januar lief die Dokumentation "Wie Gott uns schuf" in der ARD, die über queere Beschäftigte in der katholischen Kirche in unterschiedlichen Positionen berichtet. Im Film geben 125 LGBTQI+-Mitglieder im Rahmen der Initiative "#OutInChurch" Einblicke zu ihrer persönlichen Coming-Out-Erfahrung.

Watson hat mit einigen von ihnen gesprochen und wollte wissen, was sie sich von dem Gang an die Öffentlichkeit erhoffen und warum queere Menschen einer Institution treu bleiben, die sie nicht vollständig akzeptiert.

Eric Tilch (26), Jugendbildungsreferent im Bistum Limburg, schwul

"Wir haben das große Glück, dass wir bereits vor zwei Jahren mit der queeren Jugendarbeit anfangen konnten, also hier in der Jugendkirche KANA in Wiesbaden (eine Jugendkirche des Bistums Limburg) und mittlerweile auch für das Bistum Limburg. Das ist schon eine besondere Situation, in der wir uns hier befinden. Wir können uns bereits aktiv und offen in unserem Arbeitskontext für queere Themen einsetzen. Gleichzeitig erschrecken mich die zahlreichen Diskriminierungserfahrungen queerer Kolleg*innen. Ich denke, im Bistum Limburg sind wir auf einem guten Weg. Aber an unserem Ziel, eine diskriminierungsfreie Kirche geschaffen zu haben, sind wir noch lange nicht angekommen.

Eric Tilch sagt ganz klar: Queere Menschen haben kein Problem mit der eigenen Sexualität, die Kirche macht sie zu einem.
Eric Tilch sagt ganz klar: Queere Menschen haben kein Problem mit der eigenen Sexualität, die Kirche macht sie zu einem.privat/ eric tilch

Als ich mich geoutet habe, waren die Reaktionen super positiv. Die Unterstützung war sehr groß, mein damaliger Dorfpfarrer und die Gemeinde standen hinter mir. Das hat mich dann auch weiterhin bestärkt, weil ja oft die Frage kommt: 'Warum arbeitest du mit deiner Sexualität überhaupt bei der katholischen Kirche?' Aber die katholische Kirche hat mir immer wieder Chancen gegeben, hat mich als Person, so wie ich bin, ernst genommen. Deswegen arbeite ich auch nach wie vor gerne hier.

"Wir sind keine Opfer unserer Sexualität. Ich komme mit meiner Sexualität wunderbar klar. Ich habe eine gute Beziehung, ich habe ein gutes Umfeld, ich habe kein Problem damit. Die Kirche macht mir dieses Problem."

Das Statement der Deutschen Bischofskonferenz bezüglich der #OutInChurch-Kampagne habe ich erstmal freudig aufgenommen. Wir haben aber trotzdem die Sorge, dass es bei Lippenbekenntnissen bleibt. Wir kennen das schon sehr lange, dass in der direkten Anfrage immer alles sehr positiv klingt und dann nichts weiter passiert. Uns ist auch bewusst, dass die deutschen Bischöfe nicht von heute auf morgen alles ändern werden. Aber es muss natürlich weiter gehen, als nur Zuspruch vor Kameras. Die Bischöfe könnten vielleicht nochmal stärker in Provokationen gehen, sich von Rom nicht alles gefallen lassen. Ich habe manchmal das Gefühl, sobald aus Rom die Ablehnung kommt, wird das Thema wieder zur Seite gelegt. So verändert sich das System eben nicht.

Der Aachener Bischof Dieser mit einem Statement zur Kampagne #OutInChurch im Namen der Deutschen BischofskonferenzVideo: YouTube/Deutsche Bischofskonferenz

Es ist wichtig, dass wir zu einer Anerkennung queerer Menschen kommen und das nicht aufgrund einer gesellschaftspolitischen Notwendigkeit. Also im Sinne von: Weil uns die Priester weglaufen, müssen wir jetzt mit den Homosexuellen klarkommen, damit wir noch ein paar Schäfchen haben. Stattdessen wollen wir ein klares Bekenntnis, dass sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auch theologisch notwendig ist. Es ist absolut erforderlich, queere Menschen genauso zu akzeptieren wie heterosexuelle oder heteronormativ lebende Personen. Wir sind keine Opfer unserer Sexualität. Ich komme mit meiner Sexualität wunderbar klar. Ich habe eine gute Beziehung, ich habe ein gutes Umfeld, ich habe kein Problem damit. Die Kirche macht mir dieses Problem und ich finde, das soll ankommen. Wenn wir queere Menschen vollumfänglich akzeptieren, muss auch die Grundordnung entsprechend angepasst werden."

Johanna Kielblock, Bildungsreferentin in der Katholischen Landjugendbewegung im Erzbistum Köln, lesbisch

"Ich habe das Glück, für einen Jugendverband zu arbeiten, der sich für Diversität, Vielfalt und eine bunte Kirche einsetzt und engagiert. Die Menschen in meinem Arbeitsumfeld begegnen mir durchwegs positiv, was ein großartiges Gefühl ist. Ich habe mich lange in meinem Glauben nicht sicher oder aufgehoben gefühlt und bin auch sehr auf Abstand zur Kirche gegangen. Mehrere Jahre war ich nicht Teil der Kirche. In den letzten Jahren habe ich allerdings wieder erfahren, was es heißt, Teil einer Gemeinschaft zu sein und habe mich mit mir und meinem Glauben auseinandergesetzt.

Johanna Kielblock outete sich bereits vor ihrer Teilnahme an der Initiative "OutInChurch" als lesbisch.
Johanna Kielblock outete sich bereits vor ihrer Teilnahme an der Initiative "OutInChurch" als lesbisch.privat/ Johanna kielblock
"Ich möchte, dass vor allem Kinder und Jugendliche in dieser Kirche aufwachsen können, ohne Angst vor Diskriminierung und Ausgrenzung."
Jugendreferentin Johanna Kielblock

Die Amtskirche trägt nicht viel zu meinem Glauben bei. Aber ich möchte, dass vor allem Kinder und Jugendliche in dieser Kirche aufwachsen können, ohne Angst vor Diskriminierung und Ausgrenzung. Dafür einzustehen und mich dafür zu engagieren, kann ich nur, wenn ich Mitglied dieser Kirche bin. Bei #OutInChurch mache ich mit, weil ich die Institution verändern möchte. Die Welt ist bunt. Sie muss ein Ort werden ohne Angst vor Diskriminierung, Kündigung und Ausgrenzung. Ein Ort, an dem alle Menschen leben und lieben können, wie und wen sie wollen."

Stefan Spitznagel, katholischer Pfarrer in Marbach am Neckar, schwul

"Ich habe bei "OutInChurch" mitgemacht, weil ich möchte, dass das Versteckspiel endlich ein Ende hat. Alle queeren Lebensformen sollen endlich aus dieser kirchlichen Schmuddelecke kommen. Ja, so muss man es fast benennen, weil so viele immer noch heimlich tun müssen.

"Im Idealfall treten alle Bischöfe zurück und die Gemeinden vor Ort wählen Bischöfe nach ihren Qualitätskriterien. Aber das ist natürlich Wunschdenken."
Stefan Spitznagel, katholischer Pfarrergegenüber watson

Das Wichtigste ist die Solidaritätsbewegung, die wir damit in Gang gesetzt haben. Nur so können sich möglichst viele wohler und freier fühlen. Das Ziel ist, gegen die Diskriminierung in unserer Kirche zu arbeiten und um es mal deutlich zu sagen: Es werden ja über 50 Prozent der Menschen in unserer Kirche jeden Tag diskriminiert, denn auch Frauen sind einfach immer noch massiv benachteiligt. Durch Aktionen wie 'OutInChurch' erhoffe ich mir, dass die Diskussion über Queerness in der Kirche überflüssig wird, weil Queer sein einfach ein fester Bestandteil ist. Wenn man mich nach dem besten Ergebnis der aktuellen Bewegung fragt, würde ich sagen, dass im Idealfall alle Bischöfe zurücktreten und die Gemeinden vor Ort Bischöfe nach ihren Qualitätskriterien wählen. Aber das ist natürlich Wunschdenken.

Stefan Spitznagel wünscht sich die Normalisierung von queeren Menschen in der Kirche.
Stefan Spitznagel wünscht sich die Normalisierung von queeren Menschen in der Kirche.privat/Stefan spitznagel

Kirche ist für mich mehr als eine Institution. Und ich finde, es gibt eine Spaltung in unserer Kirche. Die Bischöfe haben immer Angst vor einer Spaltung zwischen rechts und links. Dabei haben wir eine Spaltung zwischen oben und unten. Alles, was sich oberhalb vom Dekanat abspielt, ist für die Leute an der Basis, also die Mehrheit, nicht zugänglich. Gerade an der Basis ist einfach vieles möglich. Man kann vor Ort mit Menschen den Glauben leben, den Glauben teilen und feiern. Das ist super und da funktioniert auch vieles. Wenn ich allerdings noch mal anfangen würde, würde ich meinen Glauben anders vernetzen, nicht mehr in dieser Struktur mit dieser Hierarchie und den Repressalien."

Corinna Hilgner (31), Bildungsreferentin beim katholischen Pfandfinderverband DPSG im Diözeseanverband Aachen, lesbisch

"Ich bin nicht aus der Kirche ausgetreten, weil ich mir dachte, dass dann 50 Prozent meiner potentiellen Arbeitgeber wegfallen würden. Bei der Arbeit gehe ich schon seit Jahren offen mit meiner Sexualität um und bekomme auch durchweg positives Feedback. Seit ich bei "OutInChurch" und in der Doku "Wie Gott uns schuf" mitgewirkt habe, schreiben mir auch viele in den E-Mails so etwas wie 'PS: Ich hab dich im Fernsehen gesehen und finde es super, was du machst'. Das ist wirklich so ein befreiendes Gefühl. Ich hatte mal ein sehr angespanntes Verhältnis zur Kirche, das auch von Angst geprägt war, weil ich wusste, dass ich von denen ganz oben abgelehnt werde. Aber die DPSG ist für mich wirklich dahingehend ein Geschenk gewesen, dass diese tollen Menschen mir so einzigartige Erfahrungen ermöglichen und mir gezeigt haben, dass die Basis der Kirche eben so erfüllt sein kann mit Akzeptanz. Das hat mein Schwarz-Weiß-Denken komplett aufgebrochen.

Reaktionen auf "OutInChurch"

"PS: Ich hab dich im Fernsehen gesehen und finde es super, was du machst"
Corinna Hilgner
Corinna Hilgner arbeitet in der Arbeitsgruppe "Pfadfinden queer gedacht" der DPSG in Aachen.
Corinna Hilgner arbeitet in der Arbeitsgruppe "Pfadfinden queer gedacht" der DPSG in Aachen.privat/ Corinna hilgner

Aber das ist natürlich nicht überall so. Ich weiß von einer Frau, die bei der Caritas arbeitet und sich seit 20 Jahren nicht outet, weil sie Angst vor einer Entlassung hat. Deshalb ist die Kampagne so wichtig, um diesen Menschen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Im September endet der Synodale Weg, also der Reformprozess für eine sichtbare Kirche, der 2019 angestoßen wurde. Spätestens dann erhoffe ich mir, dass Segnungen von gleichgeschlechtlichen Ehen offiziell erlaubt werden und ein Ende des Zölibats. Priester sollen eben auch lieben und heiraten dürfen, wen sie möchten. Deshalb wollen wir da nochmal ein bisschen Druck machen, um das voranzutreiben. Die DPSG hat auch die Arbeitsgruppe 'Pfandfinden queer gedacht', in der ich mitwirke. Damit wollen wir noch mehr Sichtbarkeit schaffen."

"Ich weiß von einer Frau, die bei der Caritas arbeitet und sich seit 20 Jahren nicht outet, weil sie Angst vor einer Entlassung hat."
Corinna Hilgnergegenüber watson

Holger Allmeroeder, katholischer Pfarrer in Seligenstadt (Hessen), schwul

"Mein Coming-out war bereits 1980 und alle Menschen jeder Pfarrei, in der ich seitdem tätig war, konnten dies wissen. Aber einige sind taub, desinteressiert und überrascht, wenn mal wieder ein Hype geschieht. Schon seit Beginn fanden das sehr viele gut, eine Minderheit schlimm oder shocking. Die Reaktionen in den letzten Tagen waren überschwänglich positiv.

Allmenroeder
"Lernunfähig und moralisch verlogen" - Holger Allmenroeder richtet deutliche Worte an die Bischöfe. privat/ Holger Allmenroder

Mich interessiert es nicht, ob mich jemand, sei es eine Institution oder die Familie, akzeptiert oder mag oder lieb hat. Erstens ist mir mein Glaube, mein Gottvertrauen wichtig und nicht die schräge Haltung einer Institution, die anmaßend meint, eine Deutungshoheit über die Moral zu haben.

"Mir ist mein Glaube, mein Gottvertrauen wichtig und nicht die schräge Haltung einer Institution, die anmaßend meint, eine Deutungshoheit über die Moral zu haben."

Zweitens akzeptieren mich sehr viele, drittens kenne ich die Haltungen des 'Lehramts' seit Beginn, viertens bin ich selber Kirche und fünftens ist es auch kindisch, auszutreten. Ich habe mich einst nicht nur auf einen Beruf, sondern auf einen Ruf eingelassen. Dem werde ich folgen, auch wenn es sogenannten Autoritäten nicht gefällt.

Den Bischöfen und Autoritäten will ich ganz klar sagen, dass sie die LGBTQI+-Menschen auf Dauer und aus einer falschen (scheinbar) theologischen Denkart & Geisteshaltung unmenschlich, eiskalt, unbarmherzig, entwürdigend und diskriminierend behandelt haben. Dass wir keinen Bedarf haben, Pastoralobjekte einer Mitleidspastoral zu sein. Dass den Menschen, gläubig wie nicht so gläubig, die Augen aufgehen, dass diese Kirche in ihrer Spitze in meinen Augen größtenteils lernunwillig- oder unfähig, moralisch verlogen und scheinheilig agiert."

Traumjob zu vergeben: Firma sucht Tester für Luxus-Hotels

Mehr als 7,3 Millionen Arbeitnehmer:innen haben innerlich gekündigt. Es ist eine gewaltige Zahl, die eine Umfrage ergeben hat. Rund die Hälfte der Beschäftigten sieht sich demnach in einem Jahr nicht mehr beim selben Arbeitgeber. Viele sind gerade auf Jobsuche. Aber auch Beschäftigte, die mit ihrem Job eigentlich zufrieden sind, dürften schon einmal darüber nachgedacht haben, ob es nicht einen noch besseren Job für sie gibt.

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