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Familie: Leben mit 18 Geschwistern – "Mein Vater hatte 5 Frauen gleichzeitig"

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Bild: Getty Images / watson Montage
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Aufwachsen mit 18 Geschwistern: "Mein Vater hatte 5 Frauen gleichzeitig"

30.09.2019, 13:07
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Malickas Stimme am Telefon klingt ruhig – zurückhaltend, aber nicht schüchtern. Dass sie, deren echter Name in diesem Beitrag nicht genannt werden soll, sich als Kind schon vor allem Ruhe gewünscht hat, glaubt man ihr schnell. Vor allem, wenn man weiß, in was für einer großen Familie sie aufgewachsen ist: Denn Malicka hat 18 Geschwister.

Die Kinder sind nicht alle von derselben Frau, aber vom selben Mann. Und sie wohnten zwar nicht alle in derselben Wohnung, aber im selben Haus. Was Malicka neben ihrem Vater und einem Innenhof mit ihren leiblichen und Halbgeschwistern geteilt hat, war die Erfahrung, in einem polygamen Haushalt groß zu werden. Das heißt, Malickas Vater hatte insgesamt fünf Frauen, die er legal geheiratet hat – eine davon war Malickas Mutter.

Aufgewachsen ist Malicka in einem afrikanischen Land, wo Vielehe zwar keine häufige, aber übliche Beziehungsform ist. Welches Land es ist, möchte sie nicht verraten. Erst zu ihrem Studium kam sie nach Deutschland und lebt auch heute noch hier. Im Interview mit watson spricht sie darüber, wie sie ihre Kindheit mit polygamen Eltern erlebt hat, wie stark sie sich mit ihren Geschwistern verbunden fühlt und wie die Beziehung zu ihren Eltern das Verhältnis mit ihrer eigenen Tochter prägt.

Polygame Eltern: So hat Malicka ihre Kindheit empfunden

watson: Malicka, erzähl uns von deiner Familie – wie lief das bei euch zu Hause ab?

Malicka: Ich bin aufgewachsen mit 18 Geschwistern. Mein Vater hatte insgesamt fünf Frauen, die er offiziell geheiratet hat. Von zweien davon hat er sich scheiden lassen, eine von ihnen war meine Mutter. Ich war das letzte Kind, das mein Vater mit meiner Mutter gezeugt hat.

Mein Vater hat in der Landwirtschaft gearbeitet, aber er hatte viel Geld. Deswegen konnte er jeder seiner Frauen eine eigene Wohnung für sich und ihre Kinder finanzieren. Die Wohnungen waren alle in einem Haus, aber wir hatten einen gemeinsamen Hof – wir haben gelebt wie in einem Schloss.

Mit deinem Vater hast du nicht in einer Wohnung gewohnt, auch musstest du ihn mit anderen Müttern und deren Kindern "teilen". Konntest du trotzdem eine enge Bindung zu ihm aufbauen?

Vor allem als ich ein kleines Kind war, hatten wir eigentlich kaum Kontakt. Meist haben meine Geschwister und ich ihn nur zwei Mal täglich kurz gesehen: Morgens beim Frühstück, bevor er zur Arbeit ging, und abends, wenn er von der Arbeit zurückkam. Dann rannten wir Kinder auf den Hof, seinem heranfahrenden Auto entgegen, um ihn zu begrüßen. Mit uns gespielt oder sich länger mit uns unterhalten hat er allerdings nie. Dafür hatte er keine Zeit – und wir waren einfach zu viele.

Erst später, als ich schon im Gymnasium war, hatte ich mehr Kontakt mit meinem Vater.

Glaubst du, dass es auch Vorteile hatte, in so einer großen Familie aufzuwachsen?

Ich weiß nicht – die Aufmerksamkeit von meinen Eltern hat mir schon immer sehr gefehlt. Wir Kinder waren eigentlich eher auf uns allein gestellt. Ich kannte es quasi gar nicht, eine richtige Familie zu haben, mich dazugehörig zu fühlen.

Mit elf Jahren bist du von Zuhause ausgezogen – warum?

Ich musste unsere Familienwohnung verlassen, um aufs Gymnasium gehen zu können, das weiter weg war. Ich bin dann bei einem Freund meines Vaters untergekommen, der Lehrer war und mich während meiner Schulzeit gut unterstützen konnte.

Lebte der Freund deines Vater, bei dem du eingezogen bist, auch polygam?

Nein, in meinem neuen Zuhause gab es nur einen Vater, eine Mutter und zu jenem Zeitpunkt drei Kinder, die alle jünger waren als ich.

Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, wirklich eine Familie zu haben, mit einer Mama und einem Papa, zu denen ich eine Beziehung aufbauen konnte. Das habe ich als großes Glück empfunden. Bis heute habe ich zu meinen zweiten Eltern ein gutes Verhältnis.

Du hast deinen Bachelor in Elektrotechnik hier in Deutschland gemacht, lebst und arbeitest hier mittlerweile auch und hast einen Mann und eine Tochter. Auch wenn das in Deutschland rechtlich nicht geht: Könntest du dir im Prinzip vorstellen, polygam zu leben?

Nein, überhaupt nicht. Ich weiß zwar, dass es das in meinem Heimatland noch gibt, dass Männer mehrere Frauen heiraten – aber bei uns in der Familie macht das niemand mehr, zumindest nicht in meiner Generation. Meine Geschwister sind alle in monogamen Beziehungen.

Generell fällt es mir bis heute schwer, über die damalige Zeit in der polygamen Familie zu sprechen. Als ich zu meiner zweiten Familie gekommen bin, habe ich mich noch öfter mit meiner zweiten Mutter über meine Erlebnisse unterhalten. Später habe ich eher versucht, mich von meinen ersten Kindheitsjahren zu distanzieren und nicht mehr viel darüber nachzudenken.

Trotzdem hat mich die Erfahrung, meine ersten Lebensjahre in einer polygamen Familie zu verbringen, natürlich geprägt – vor allem in Hinblick auf meine Tochter. Wir haben eine ganz andere Beziehung zueinander als meine leibliche Mutter und ich damals.

Inwiefern?

Weil meine Eltern und ich so ein distanziertes Verhältnis hatten, musste ich erst lernen, mit meiner Tochter umzugehen. Ich kann meine Mutter nicht einfach fragen, was sie in bestimmten Situationen tun würde, wie man mit kleinen Kindern umgeht – und ich kann natürlich nicht auf meine eigenen Erinnerungen zurückgreifen. Ich kenne meine leibliche Mutter, wie gesagt, praktisch nicht, dementsprechend kann sie mir kein Vorbild sein.

Ich möchte, dass das für meine Tochter anders wird – ich möchte ihr die Fürsorge bieten, die ich zu Hause nicht hatte. Deswegen lese ich viel zu dem Thema, bin in Foren unterwegs, um mir Rat zu holen, mich zu informieren – ich versuche einfach, mein Bestes zu tun, um eine gute Mama für meine Tochter zu sein.

Ist es dir schwer gefallen, in deine Rolle als Mutter hineinzuwachsen? Wie fühlst du dich heute in dieser Position?

Anfangs ja – aber mittlerweile fällt es mir leichter. Je älter meine Tochter allerdings wird, um so selbstsicherer werde auch ich – und mittlerweile fühle ich mich ganz wohl in meiner Rolle als Mutter.

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