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Coronavirus: Jede Apotheke ist leergekauft – Immunerkrankter zu Hamsterkäufen

Wer auf Arzneimittel und Kapseln angewiesen ist, kann momentan keine € sparen. Der Service zu bestellen Produkte und Angebote je nach Erkältung durch Internet-Bestellung bei einer Versandapotheke.
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Einige Supermärkte sind derzeit leergefegt. (Symbolbild)Bild: getty images/watson
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Coronavirus: Jede Apotheke ist leergekauft – Immunerkrankter äußert sich zu Hamsterkäufen

Desinfektionsmittel und Schutzmasken sind wegen des Coronavirus' mancherorts ausverkauft. Problematisch, besonders für Menschen mit Immunschwäche. Ein Betroffener* erzählt, wie sehr die Angst vor dem Virus sein Leben beeinträchtigt.
04.03.2020, 15:5605.03.2020, 10:26
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Seit meinem 13. Lebensjahr habe ich eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass mein Immunsystem meinen Körper angreift. Wirbelsäule, Bänder und Gelenke werden dadurch langsam zerstört. Mittlerweile bin ich 38 Jahre alt und sitze im Rollstuhl. Um meine Krankheit zu behandeln, muss ich Medikamente nehmen, die mein Immunsystem drosseln.

Das Problem dabei: Die Abwehr in meinen Mundschleimhäuten, in der Lunge sowie den Atemwegen fällt dadurch aus. Viren bin ich schutzlos ausgeliefert. Entsprechend vorsichtig muss ich im Alltag sein. Ich achte ständig darauf, wem ich die Hand gebe, muss mir meine eigenen regelmäßig desinfizieren. An öffentlichen Orten komme ich um einen Mundschutz nicht rum.

Denn bricht bei mir eine Krankheit wie etwa die Grippe aus, sind die Symptome wesentlich stärker als bei Menschen mit einem normalen Immunschutz. Leider gibt es keine Möglichkeit, meine Krankheit anders zu behandeln. Deshalb muss ich die Immunschwäche akzeptieren.

"Derzeit vermeide ich, unter Leute zu gehen"

Das mit dem Coronavirus ist für mich eine Art Ausnahmesituation. Es bricht mir das Genick. Ich kann praktisch nichts mehr machen. Die Grippesaison kommt noch dazu. Leider kann ich mich gegen die Grippe nicht impfen lassen, da mich mein Immunsystem nicht richtig schützt. Eigentlich soll ein Impfstoff das Immunsystem stärken, bei mir löst er leider eine Erkrankung aus.

Derzeit vermeide ich, unter Leute zu gehen. Ich versuche zumindest mit meiner Lebensgefährtin spazieren zu gehen. Einkaufen oder mal einen Kaffee trinken, ist für mich nicht drin. Die Menschen dort stellen für mich leider eine Gefahr dar.

Für gesunde Menschen mag das nicht problematisch sein. Für mich schon. Weiß ich, ob die Frau beim Bäcker vielleicht vorher in Italien war und das Virus hat, aber keine Symptome? Nein.

"Angst wird auch durch die Medien gefördert"

Bin ich doch mal im Freien, habe ich immer Desinfektionsmittel dabei und versuche zudem Abstand zu anderen Menschen zu halten. Vor einer Weile war ich noch selbst einkaufen und da stand ein Italiener, der mich an der Kasse vorlassen wollte. Als er das volle Kassenband sah, sagte er mir noch, dass die Menschen verrückt seien.

Ich fragte ihn, ob er kürzlich in Italien war. Er bejahte und sagte, er sei gesund. Mit einem Schlag fühlte ich mich unwohl. Nicht wegen des Menschen. Wegen des Virus. Leider wird das Gefühl durch einige Medien gefördert. Natürlich sorgt das auch für Hamstereinkäufe, wie wir sie derzeit sehen. Das gilt auch für meine Heimat Merseburg. Und dabei ist der Ort verhältnismäßig klein.

"An Desinfektionsmittel und Schutzmasken komme ich nur über Umwege"

Am Freitag etwa bin ich mit meinem Vater einkaufen gefahren. Ich sagte ihm, was ich möchte und er ging alleine rein. Eigentlich dachte ich, er braucht vielleicht zehn Minuten. Leider nicht. Der Supermarkt war voll. Wirklich voll. Vom Auto aus habe ich gesehen, was die Leute gekauft haben: jede Menge Konserven und Wasser.

An Desinfektionsmittel oder Schutzmasken komme ich nur noch über Umwege. Auch die kaufen die Leute im Übermaß. Blöd nur, dass ich auf sie angewiesen bin. Mein Vater konnte zum Glück Kontakt zu jemandem mit einer Arbeitsschutzfirma herstellen.

Dort verkaufte man mir zehn Schutzmasken für 65 Euro. Beim Desinfektionsmittel muss ich in den Apotheken auf das teuerste zurückgreifen. Preis: Knapp zehn Euro die Flasche. Das Mittel, das ich normalerweise nutze, kostet nur zwei, drei Euro. Leider haben die Leute das in Kartons aus den Apotheken geschleppt. Viele dieser Flaschen werden für das zehnfache bei Ebay-Kleinanzeigen verkauft.

"Für Menschen wie mich kann eine Infektion tödlich enden"

Meiner Meinung nach wäre es sinnvoll, wenn Apotheken und Geschäfte kleinere Chargen von Desinfektionsmitteln und Schutzmasken für die Menschen mit einer Immunerkrankung auf die Seite legen. Momentan ist es für mich ein Kampf, die Schutzmittel zu bekommen.

Zudem sollte jeder Mensch mit Immunschwäche eine Chance bekommen, sich ohne Umschweife beim Arzt auf Corona testen zu lassen, um darauf, je nach Resultat, einen Schlachtplan zu erstellen. Hierzulande würden tausende Menschen davon profitieren. Dass Ärzte was zur Seite legen, sollte eigentlich Standard sein. Ist es aber nicht.

"Ich kann mich schließlich nicht mit Rum desinfizieren"

Für Menschen wie mich kann eine Infektion tödlich enden. Für jemanden, der 30, 40 oder 50 ist und zudem gesund, gilt das nicht. Deshalb möchte ich gerade gesunde Menschen darum bitten, Ruhe zu bewahren. Bevor sie sich in den Apotheken mit Schutzmitteln eindecken, sollten sie zunächst an die Menschen denken, die diese wirklich brauchen.

Eine Flasche Desinfektionsmittel reicht für die meisten gesunden Menschen. Bei den Risikogruppen, zu denen ich auch gehöre, sieht es anders aus: Bekomme ich kein Schutzmittel, habe ich ein ernsthaftes Problem. Ich kann mich schließlich nicht mit Rum desinfizieren.

Außerdem bin ich der Meinung, dass diejenigen, die auf Ebay Atemmasken zu lächerlich hohen Preisen anbieten, strafrechtlich verfolgt werden sollten. Es kann nicht sein, dass Menschen Profit aus der Angst anderer schlagen wollen.

Protokoll von Tim Kroeplin / *Name der Redaktion bekannt

Keine Panik bei Coronavirus-Verdacht
Sars-CoV-2 ist eine neue Form des Coronavirus – einem Virus-Typ, der grippeähnliche Infekte auslöst. In den allermeisten Fällen in Deutschland verläuft eine Ansteckung mit dem Coronavirus symptomfrei bis milde: Du könntest leichtes Fieber, Halsweh und Abgeschlagenheit erleben.

Danach klingt die Krankheit meist wieder ab. Wirklich gefährlich kann das Virus nur werden, wenn du zu einer Risikogruppe gehörst: Ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen (wie Krebs oder Lungenkrankheiten) sollten im Falle eines Infektionsverdachts ihren Arzt kontaktieren.

Wenn du Bedenken hast, ruf deinen Arzt bitte an, bevor du in die Praxis gehst. In Menschenmengen können sich Erreger eher verbreiten und so Patienten treffen, für die sie wirklich eine Bedrohung darstellen (die Risikogruppen). Laut Robert Koch-Institut sind Atemschutzmasken nicht erforderlich.

Auch Desinfektionsmittel benötigen nur Menschen mit geschwächtem Immunsystem und solche, die mit vielen anderen in Kontakt kommen (Verkäufer, Pfleger etc.). Achte stattdessen auf gründliches Händewaschen und Niesetikette.

Von sogenannten Hamsterkäufen jeglicher Art, ob Medizin oder Lebensmittel, ist abzuraten. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten in Deutschland ist sichergestellt.
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