Während Büroangestellte bei über 35 Grad die Jalousien herunterlassen und die Klimaanlage oder Ventilator aufdrehen, müssen einige Menschen weiter in der prallen Sonne arbeiten. Einige sogenannte Rider des Lieferdienstes Lieferando beschwerten sich bereits: Bei den hohen Temperaturen sei ihre Arbeit körperlich unzumutbar und sogar gefährlich.
Heute 35°C, morgen 38°C. @Lieferando, wann wird der Betrieb eingestellt? Wir fahren 8 h Schichten in der prallen Sonne, zwischendurch Treppen hoch und runter rennen, die ganze Zeit im Stress durch Vorgesetzte, Bonussystem und die Angst, gekündigt zu werden 🤬 Das ist gefährlich!
— Lieferando Workers Collective (LWC) Berlin (@LWC_Berlin) July 19, 2022
Auch Rider des Essenslieferanten Gorillas prangerten die Arbeitsumstände in der außergewöhnlichen Hitze an. Zwar sind die Lieferanten bei den meisten Auslieferern mit Elektrorädern unterwegs, doch selbst damit ist es eine extreme Belastung, den ganzen Tag in der prallen Sonne in die Pedale zu treten. Zumal die Vorgabe ist, innerhalb von kürzestmöglicher Zeit zu liefern. Das Tempo und somit die Belastung rauszunehmen, ist daher oft nicht möglich.
Das Unternehmen Gorillas hat bereits reagiert und kündigte auf Anfrage der Lebensmittelzeitung "LZ" an, bei zu hoher Hitze den Dienst im Warenhaus und als Rider einzustellen. Außerdem würden die Angestellten vor jeder Schicht Anweisungen zum Arbeitsschutz bei Hitze bekommen. Dazu gehöre morgendliches Lüften, Hitzepausen, Ventilation, hitzegerechte Kleidung, Arbeitszeitverlagerung und Sonnenschutz bei der Arbeit. "Wir haben aufgrund der Hitze die Pausenzeiten für unsere Rider verlängert und bieten allen Mitarbeiter:innen kostenloses Wasser an", sagt der Sprecher des Unternehmens zur "LZ".
Auch der Lebensmittellieferant Flink hat nach eigenen Angaben ähnliche Maßnahmen ergriffen. Dazu gehören die Bereitstellung von Getränken sowie das Einhalten von Pausen und die Aufstockung von Personal. "Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, sind wir auf Filialschließungen in Fällen von stark steigenden Temperaturen vorbereitet", sagte der Sprecher zur "LZ."
Doch nicht nur Essens-Lieferdienste müssen trotz großer Hitze anstrengende Arbeit ausüben. Auch Postboten, Imbissbesitzer und Handwerker müssen raus in die Sonne. Erst kürzlich sorgte ein Fall aus England für Aufsehen. Dort ist die Arbeitskleidung im Müllentsorgungsdienst wegen der Sicherheitsvorschriften auch bei großer Hitze nicht verhandelbar, Shorts sind verboten. Deshalb arbeitete der Müllmann Lee Moran aus Protest stattdessen im Schottenrock in den Farben des Müllentsorgungsunternehmens. Das macht deutlich: Die größte Gefahr ist aktuell die Hitze und nicht etwa eine Schnittverletzung bei der Arbeit.
Unter welchen Umständen müssen die Menschen, arbeiten, deren Jobs sich nicht mal eben nach drinnen verlagern lassen? Und wie schützen sie sich vor der Hitze? Wir waren unterwegs und haben mit den Menschen gesprochen, die bei den aktuellen Temperaturen draußen arbeiten müssen.
Benjamin, 31, Paketbote:
"Am Ende der Schicht kann es bei den Temperaturen schon mal vorkommen, dass wir die Pakete lieber im Shop abgeben, statt mehrere Stockwerke hochzulaufen. Es ist einfach zu heiß gerade. Daher sind wir immer dankbar über einen Schluck Wasser von den Bewohnern. Natürlich nehmen wir uns auch selber etwas zu Trinken mit, aber nach ein paar Stunden ist das ja auch nur noch brühwarm. Wir freuen uns auch immer, wenn uns jemand entgegenkommt, um das Paket anzunehmen oder auch für die Nachbarn mal die Lieferung annimmt."
Wie sehr sich Postboten über solche kleinen Gesten freuen, hat auch eine Twitter-Userin bemerkt: "Faszinierend, wie gut man sich vorstellen kann, wie jemand als Kind aussah, wenn man ihm an einem heißen Tag ein Eis anbietet", schreibt sie.
Faszinierend wie gut man sich vorstellen kann wie jemand als Kind aussah wenn man ihm an einem heißen Tag ein Eis anbietet.
— caSANTA🎄❄ (@Sunnydiecoole) July 19, 2022
Mein DHL Bote war ein ganz bezauberndes Kind!
Hakan, 34, Döner-Verkäufer:
"Wenn ich meinen Grill anschmeiße, hat es hier bei mir in der Bude schnell über 40 Grad. Wenn es dann auch draußen so warm ist, staut sich die Hitze schon extrem. Ich merke die Hitze draußen aber eigentlich gar nicht mehr, ich bin da abgehärtet von meinem Job. Wichtig an solchen Tagen: ein gutes Deo und ein Handtuch zum Schweiß abwischen."
António Fernandes Coelho, Lieferando-Dienstbote und Betriebsrat:
"Die Klimaanlagen der Autos unserer Fahrer sind überfordert, die Lichtanlagen machen schlapp. Fast 70 Prozent der Frankfurter Belegschaft sind Autofahrer. 15 Prozent etwa bekommen E-Bikes vom Arbeitgeber gestellt und 15 Prozent sind die sogenannten Own Biker. Von den Own Bikern macht das so gut wie niemand Vollzeit und die, die öffentlichkeitswirksam heulen, sind meist Betriebsratsmitglieder so wie ich oder Aspiranten. Die Bedingungen sind dennoch besprechenswert, denn sie sind weitestgehend unreguliert. Deutschland kennt kein hitzefrei in dem Sinne. "
Thomas, 25, Handwerker:
"Wir fangen ja sehr früh an und machen auch eine Mittagspause, um der ärgsten Hitze zu entgehen. Und nach Möglichkeit versuchen wir schon, die Arbeiten im Freien zu machen, wenn es nicht mehr ganz so schlimm heiß ist. Aber klar, man muss viel trinken während der Arbeit, am besten nicht nur Wasser, sondern Schorle oder so.
Und man darf auf keinen Fall die Kopfbedeckung vergessen. Warum viele Bauarbeiter so oft mit freiem Oberkörper arbeiten? Gute Frage. Also ich würde das nicht machen, egal wie heiß es ist. Unangenehm ist es zwar schon, wenn man sein T-Shirt voll schwitzt und noch ein paar Stunden weiterarbeiten muss. Aber lieber so, als einen fetten Sonnenbrand riskieren."