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Germany's Next Topmodel mit Teenies gucken - so war es

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Ich habe "GNTM" mit Teenagern geguckt – heute bin ich müde, habe aber mehr Verständnis

08.02.2019, 11:5822.05.2019, 18:23
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Heidis Mädchen laufen wieder. Auf Tischen, in Berlins Untergrund und bestimmt bald auch auf einem klassischen Laufsteg, denn seit vergangenem Donnerstag gibt es die bereits 14. Staffel von "Germany's Next Topmodel" zu sehen.

Wie viele junge Mädchen und Jungen bin ich mit der Show aufgewachsen und habe live dabei zugeschaut, wie Lena Gercke 2006 zur ersten Gewinnerin gekürt wurde. Seitdem kann ich nicht aufhören, es zu gucken. "Model zu sein, muss toll sein", dachte ich damals. Heute denke ich anders. Lena wohl auch, denn modeln im klassischen Sinne tut sie nicht mehr, redet lieber und moderiert andere Casting-Shows – ganz nach dem Vorbild ihrer einstigen Model-Mama.

Lena: Von "Germany's Next Topmodel" zu "The Voice of Germany". Ich: Vom Fan zur Kritikerin.

Was bis 2019 geblieben ist, ist der Nostalgie-Faktor, doch es überwiegen bei mir dann doch leider Gefühle wie Mitleid für Absagen ("Ich habe heute leider kein Foto für dich") und Fremdscham für unüberlegte Aussagen ("Ist die Challenge, dass diejenige fliegt, die das Essen anfasst?"). Mein Blick ist nicht mehr so unvoreingenommen, das Gucken macht weniger Spaß. Deswegen habe ich jemanden zum gemeinsamen TV-Abend eingeladen, der eventuell mehr Leichtigkeit und eine andere Perspektive mitbringt – meine Vergangenheit sozusagen. Jolán ist 18 und Fan der Show. Lena Gercke kennt sie nur aus Erzählungen.

Live um 20.15 Uhr schauen wird nichts.

Jolán hat Ferien und ist vorher verabredet. "Aber man kann ja heute alles streamen." Das stimmt, aber erst, wenn die Live-Show vorbei ist – und die läuft drei Stunden. 23.15 Uhr: Ich schlafe fast, die Kids freuen sich auf den Start der neuen Staffel; eine ihrer Freundinnen ist mitgekommen. Heidi und einige Ex-Kandidatinnen überraschen die neuen Top 50. Die weinen Freudentränen, denn "es ist der Traum aller, Model zu werden", heißt es. Mir wird ein bisschen warm ums Herz, Jolán ein bisschen mehr. Für mich ist es Jahr 14, und ich denke mir, dass alles, was man so lange jedes Jahr wieder tut, irgendwann seinen Glanz verliert. Jolán ist erst halb so lang dabei.

"Heidis Mädchen sind mein Ventil. Beim Gucken kann ich all meine Oberflächlichkeit abladen."

"Tatsächlich hat meine Mutter 'GNTM' zur Unterhaltung geguckt und mich und meine große Schwester bis zur ersten Werbung mitschauen lassen."

"GNTM" fließt also quasi durch ihre Venen.

"Mich hat schon früher das Konzept der Show fasziniert. Nicht zwangsläufig die Modewelt oder das Modeln an sich. Eher die unterhaltsame Kombination aus Mädchen im Schönheitswahn und dem konstruierten, aber der Realität entnommenen Kompetenzkampf. Heidis Mädchen sind mein Ventil. Beim Gucken kann ich all meine Oberflächlichkeit abladen, mich aufregen und fremdschämen, um dann wieder ganz ausgeglichen weiterzumachen in meiner Realität, wo ich natürlich versuche, Menschen nicht nach ihrem Aussehen zu bewerten und ganz nebenbei noch mit meinen eigenen Unsicherheiten klar kommen muss", erklärt die Berlinerin.

Sendungen wie "Topmodel" hätten sicher etwas mit ihren Ängsten zu tun. Trotzdem ist Jolán Fan, schaut aber immer mit kritischem Auge: "Ich weiß, dass mich als Mensch so viel mehr ausmacht als mein Aussehen oder die Klamotten, die ich trage. Das ist aber auch (nur) der Fall, weil ich mich mit meinem engsten Kreis und meinen Eltern über Körperbilder, Selbstbewusstsein und die völlig verzerrte, mediale Darstellung von Frauen unterhalte. Und diese wichtige Einordnung wird sicher nicht bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern parallel stattfinden."

Stimmt! Neben mir saß 2006 kein Sensibilisierungskomitee mit auf unserem durchgesessenen Ledersofa und ist sichergegangen, dass sich mein Frauenbild möglichst breit gefächert entwickelt. Blond, groß und schlank war damals mein Schönheitsideal – und damit war ich nicht allein. Für die meisten Männer, viele Frauen, glücklicherweise immer weniger Kinder, aber leider auch für Heidi und ProSieben. Lena Gercke gewann schließlich, logo.

Ich überlege, ob ich Pause drücken und in einen Diskurs darüber einsteigen soll, wie wenig Vielfalt den Zuschauern in der ersten Staffel geboten wurde.

Heute heißt eine von Heidis Favoritinnen Sayana. Sie hat indische Wurzeln.

"Diversity ist gerade super wichtig", meint die Model-Mama. "Eine Inderin hatten wir noch nicht." Das mag sein, hört sich so ausgedrückt ziemlich schwierig an. Auch Joláns Gesichtsfarbe ändert sich: „Als hätte die nur traditionelle Kleidung im Schrank und muss mit Namasté verabschiedet werden."

Ich überlege, ob ich Pause drücken und in einen Diskurs darüber einsteigen soll, wie wenig Vielfalt den Zuschauern in der ersten Staffel geboten wurde, entscheide mich aber dann aus zwei Gründen dagegen: Ich will lieber jetzt als gleich ins Bett und möchte um keinen Preis klingen wie meine Mutter, wenn sie davon erzählt, wie sie damals stundenlang (und ohne Smartphone) in Polen für Brot anstehen musste. "Früher hatten wir es schwer." Ja, hattet ihr.

Bei den Top-50-Models gibt es mittlerweile Cupcakes, Milchshakes und alles, was noch auf die prächtige Tafel gepasst hat, die später zum Laufsteg umfunktioniert wird. Einem Model fällt etwas Kurioses auf: "Oh, guck mal, die Eine isst was!" Autsch! Bitte weniger längst überholte Stereotypen. Ich merke, wie ich mich innerlich aufrege, entscheide mich aber aktiv dafür, stattdessen meinen Kopf einfach auszuschalten. Ich kann es nicht ändern, dass solche Aussagen ausgestrahlt werden, habe aber Mitleid mit jungen Zuschauerinnen wie Jolán, die solche Aussagen ungefiltert zu hören bekommen.

Heidi wirft 10 Mädchen raus. Uns ist egal, wen. Ich werde meine Naivität nie wiederbekommen können, egal, wie oft Jolán und ihre Freundin am Donnerstagabend vorbeikommen. Aber das möchte ich auch nicht. Was mich dieses Experiment jedoch gelehrt hat, ist, dass die Jugend heute ein größeres Bewusstsein für das hat, was sie sich da anschaut, und weiß, dass eine Sendung wie "Germany’s Next Topmodel" natürlich extrem oberflächig ist. Trotzdem kann sie lachen über peinliche Influencer-Boyfriend-Sequenzen und das kuriose Bewerbungsvideo von Theresia und ihrem "Thomas Schatz" (if you know, you know). Jolán denkt nicht wie ich damals "Oh, das muss toll sein", sondern "Ich habe Verständnis dafür, dass manche den Traum haben, Model zu werden. Das heißt nicht, dass ich mich mit ihnen messen muss. Ich gucke aber gern dabei zu, wie sie versuchen, ihren Traum zu verwirklichen. Mal sehen, wie lange noch, denn meine Toleranz gegenüber Casting-Shows sinkt stetig und es kann gut sein, dass es mir dann nächstes Jahr endgültig reicht."

Mir reicht es auch. Nächste Woche lassen wir aus, das Umstyling möchten wir dann aber doch wieder gucken.

"Ich kann nicht rülpsen": Mein Leben mit R-CPD
Du hast richtig gelesen: Ich kann und konnte noch nie rülpsen. Was zunächst lustig klingen mag, geht mit erheblichen Symptomen einher. Doch das wussten weder ich noch die Medizinwelt, welche ich seit meiner Kindheit vor ein Rätsel stellte. Bis Dr. R. W. Bastian eine Studie publizierte.

Es war das Jahr 2011. Ich war 17 und saß der Gastroenterologin gegenüber, die bereits die zweite Speiseröhrenspiegelung an mir durchgeführt hatte. Die Kamera wies zwar erneut Reizungen in meiner Speiseröhre nach, bot aber keine Erklärung für meine weiteren Symptome – wie etwa, dass mir besonders von Kohlensäure immer übel wurde. Ich hatte keine Ahnung, ob überhaupt irgendein Zusammenhang mit der Speiseröhre bestand, aber sie war die Spezialistin und fragen kostete ja nichts. Außer meine Selbstwahrnehmung, wie ich sofort merken sollte.

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