Eine gewaltige Explosion, weltweit messbare Schockwellen und ein Tsunami, der Überschwemmungen bis nach Alaska brachte: Der Ausbruch des Unterseevulkans Hunga Tonga-Hunga Ha'apai am vergangenen Samstag im Südpazifik war nach Ansicht von Experten der weltweit stärkste seit 30 Jahren. Sogar aus dem All war die mächtige Detonation sichtbar: Satellitenaufnahmen zeigten eine plötzlich aufwallende Wolke aus feiner vulkanischer Asche, die die gesamte Insel überschattete.
Für die Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Inseln und Inselgruppen Tongatapu, Ha'apai und Vava'u hatte die Eruption ein starkes Erdbeben, dichten Ascheregen und starke Überschwemmungen als direkte Folgen. Doch welche Auswirkungen können Vulkanausbrüche dieser Stärke auch auf das Klima in nicht nur der direkten Umgebung, sondern auch für weiter entfernte Erdteile haben?
Watson hat dafür bei mehreren Vulkan- und Klimaforschern nachgefragt, um das Risiko von zukünftigen Eruptionen und ihrer globalen Wirkung in den Fokus zu nehmen.
Professor Torsten Dahm, Experte für Erdbeben- und Vulkanphysik beim Deutschen GeoForschungszentrum in Potsdam, bestätigt die Vermutung einer direkten Auswirkung der Eruption aufs Weltklima zum Teil: "Es gibt klimatische Auswirkungen, allerdings nur bei sehr großen und starken Ausbrüchen, aber insbesondere bei sehr explosiven Ausbrüchen – was jetzt auch bei der Eruption in Tonga der Fall war."
Dabei sind es vor allem die Schwefelgase, die zu einem klimaverändernden Effekt führen könnten, erklärt der deutsche Vulkanologe Professor Dr. Hans-Ulrich Schmincke, der zu den weltweit renommiertesten Vulkanologen zählt, gegenüber watson:
Diese bildeten dann einen großflächigen Schwefelschleier in der Stratosphäre. Als Folge davon werden die Sonnenstrahlen wie von einem riesigen Spiegel in den Weltraum zurück reflektiert, was die Sonneneinstrahlung reduziert und zu einer Abkühlung des Klimas führt. Das kann das Klima auch in weit entfernten Regionen durcheinanderbringen, wie Professor Joaquim Pinto vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erläutert:
Als prominentestes Beispiel führen alle drei Experten den Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im April 1815 auf: Dieser Vulkanausbruch fand zwar weit entfernt statt, löste aber in Europa ein "Jahr ohne Sommer" aus. Ungewöhnlich kalte Temperaturen und Schneefälle das gesamte Jahr hindurch sorgten in Mitteleuropa damals für verheerende Ernteausfälle, schwere Unwetter und Überschwemmungen.
Im Fall des Vulkanausbruchs in Tonga am vergangenen Samstag geben die Experten aber Entwarnung: "Die Stärke des Ausbruchs wird aktuell geringer eingeschätzt als die des Pinatubo-Ausbruchs von 1991. Insofern sind die Folgen für das globale Klima als langfristiges Mittel des Witterungsgeschehens vermutlich gering. Der Ausbruch wird zu einer kurzzeitigen Abkühlung führen, die quantitativ kaum ins Gewicht fallen dürfte, jedenfalls nach aktuellem Stand", schätzt Dr. Christof Ellger von der GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung.
Auch wenn die klimatischen Auswirkungen der Eruption am Samstag nach jetzigem Wissensstand vorerst nicht gravierend ausfallen werden, bleibt bei jedem Vulkanausbruch immer eine nicht zu unterschätzende Restgefahr zurück: das Risiko einer vulkanischen Kettenreaktion.
Wenn nun eine Eruption besonders energiereich sei, wie beim Vulkan bei Tonga, könne möglicherweise ein weiterer Vulkan, der kurz vor einer Eruption steht, beeinflusst werden. "Wenn bei einem Vulkan, bei dem der Druck des aufsteigenden Magmas bereits sehr hoch ist, durch ein Erdbeben oder durch eine sehr energiereiche Eruption getriggert wird, dann ist eine vulkanische Kettenreaktion möglich", so Schmincke.
Dass Vulkane beziehungsweise ihre Ausbrüche von der an der Erdoberfläche stattfindenden menschengemachten Klimakrise direkt beeinflusst werden, sieht Schmincke jedoch zunächst als nicht gegeben. "Die Entstehung von Vulkanen und der Ausbruch von Vulkanen wird ja aus der Erde gesteuert, die Wurzeln der Vulkane liegen dabei etwa bei dreißig, fünfzig oder hundert Kilometern Tiefe", sagt er im Gespräch mit watson.
Allerdings sei seit Langem bekannt, dass das Abschmelzen der Eisdecken zum Beispiel nach dem Ende der letzten Eiszeit auf Island dazu geführt hat, dass die vulkanische Eruptionstätigkeit zunahm. Der Grund: Wenn der Druck auf die Erdkruste und den darunterliegenden Erdmantel zurückgehe, könne in der Tiefe durch die Druckentlastung Mantelgestein wieder etwas aufschmelzen und an die Erdoberfläche steigen.
"Angesichts der zunehmenden Erwärmung wird dieses Risiko aktuell, denn wenn in vergletscherten Vulkangebieten wie Island die Auflast durch Gletscherschmelzen so stark reduziert wird, dann kann der Erdmantel druckentlastet werden und mehr Magma produzieren", so Vulkanologe Schmincke.