Das Konzept von Tchibo mit seinem regelmäßig wechselnden Sortiment von Non-Food-Produkten und Nahrungsmitteln ist einzigartig auf dem Markt. Vertreten in zahlreichen Supermärkten reihen sich in den blau-gelben Regalen Tierzubehör, Küchenutensilien, Sportbekleidung und Kinderspielzeug neben die üppige Kaffeeauswahl des Hamburger Unternehmens.
Für viele Verbraucher ist der Konzern der Vorreiter in Puncto Nachhaltigkeit. Regelmäßig wird damit geworben, dass man Verantwortung für die Herstellungsprozesse übernehme. "Deswegen setzen wir uns bei Tchibo seit über 14 Jahren dafür ein, unsere Produkte fair herzustellen – mit Respekt für unsere Umwelt und für die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten. An vielen Stellen ist uns dies schon gelungen. Darauf sind wir stolz", schreibt Tchibo auf seiner Webseite. Doch wie nachhaltig ist das Familienunternehmen wirklich? watson hat Experten gebeten, vor allem das Produkt Kaffee, für das Tchibo seit seiner Gründung steht, entsprechend einzuordnen.
In der Vergangenheit wurden von "Ökotest" immer wieder gesundheitsschädliche Stoffe im Kaffee entdeckt. Deshalb hat watson die Produkte "Qbo Premium Coffee Beans"-Filterkaffee von der Kooperative Fabicoop aus Kolumbien und den "Bio Kaffee ganze Bohne" aus dem Tchibo-Sortiment ins Labor geschickt und auf Schadstoffe prüfen lassen. Wir wollten wissen, ob die Kaffeesorten das Schimmelpilzgift Ochratoxin A (OTA) oder Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Arsen und Quecksilber enthalten.
OTA wird von Schimmelpilzen gebildet und steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Schwermetalle gelangen durch Kohlekraftwerke, Müllverbrennung und Metallverarbeitung in die Umwelt und damit in Nahrungsmittel. Eine Schwermetallvergiftung kann zu Schäden an Lunge, Leber und Niere sowie Blutarmut führen. In beiden Fällen konnten vom beauftragten Labor keine Spuren der Toxide in den Tchibo-Kaffeesorten gefunden werden. Gesundheitlich sind die Kaffeesorten somit unbedenklich.
Seit über 70 Jahren verkauft Tchibo bereits Kaffee. Heute können Kundinnen und Kunden in rund 550 Filialen verschiedene Kaffeespezialitäten kaufen, das Sortiment umfasst beispielsweise Instantkaffee, Pulver, ganze Bohnen, Kaffeepads und -kapseln. Die Frage ist: Sind all diese Varianten gleich nachhaltig?
Besonders Kaffeekapseln stehen oft in der Kritik, nicht besonders umweltfreundlich zu sein. Kein Wunder, denn es entsteht bei jedem einzelnen aufgebrühten Kaffee Müll. Trotzdem wirbt Tchibo auf seiner Website für die Nachhaltigkeit seiner Kaffeekapseln. Zu Recht? Verpackungsexperte Horst-Christian Langowski vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung bewertet für watson die Tchibo-Kapseln.
Zunächst muss man allerdings darauf hinweisen, dass Tchibo drei verschiedene Kaffeekapsel-Varianten vertreibt: solche für Cafissimo-Maschinen, für Qbo-Maschinen und für Nespresso-Maschinen. Die Kapseln unterscheiden sich eigenen Angaben zufolge sowohl in ihrem Design als auch in ihrem Material, und somit womöglich auch in ihrer Nachhaltigkeit voneinander.
Insbesondere in Bezug auf die Cafissimo-Kapseln bezeugt das Unternehmen, sie seien besonders nachhaltig: "Das Material unserer Cafissimo-Kapseln besteht aus recycelbaren Wertstoffen, deren Herstellung deutlich weniger Energieaufwand erfordert als die von Kapseln aus Aluminium", heißt es auf der Website. Recycelbar und energiearm in der Herstellung - das klingt zunächst gut. Doch der Experte Langowski sieht das Material der Kapseln kritisch: "Da diese Kapseln aus einem Material hergestellt sind, dessen Ressourcen begrenzt sind – nämlich Rohöl – können sie nicht vollständig nachhaltig sein."
Die Nachhaltigkeit der Kapseln hängt auch von ihrer Wiederverwertbarkeit ab. Die Cafissimo-Kapseln sind Tchibo zufolge ausschließlich aus recycelbaren Wertstoffen hergestellt. Damit das Produkt am Ende eine gute Ökobilanz erzielt, muss es allerdings auch wirklich zum Recycling kommen. Langowski bemängelt gegenüber watson: "Die Aussage von Tchibo ist nicht eindeutig: Wenn etwas recycelbar ist, muss es noch lange nicht recycelt werden."
Zwar ruft Tchibo seine Kundinnen und Kunden dazu auf, die Kapseln in der Gelben Tonne oder dem Gelben Sack zu entsorgen, damit sie in den Recyclingkreislauf gelangen, doch wie viele Menschen die Kapseln wirklich fachgerecht entsorgen, ist nicht sicher.
Verpackungsexperte Langowski sagt zudem: "Auch wenn die Herstellung deutlich weniger Energieaufwand als die Alternative erfordert, können durchaus andere Parameter für die Alternative sprechen." Beispielsweise im Hinblick auf den Geschmack des Kaffees sieht er die Kapseln kritisch:
Als Resümee sagt Langowski, dass es sehr schwer sei, Verpackungen hinsichtlich ihrer Umweltfreundlichkeit zu bewerten, weil diese von zahlreichen Faktoren und nicht zuletzt vom Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher selbst abhängen.
Sandra Coy, die als Sprecherin für Unternehmensverantwortung & Qualität bei Tchibo tätig ist, macht darauf aufmerksam, dass durch die Verwendung der kleinen Kaffeekapseln verhindert wird, "dass übrig gebliebenes Kaffeepulver sein Aroma verliert und schließlich weggeworfen wird." Diesen Punkt hält Langowski für sehr relevant für die Ökobilanz der Kapseln, da Produktverluste große Umweltlasten verursachen und diese bei Kaffee in Kapselform tatsächlich minimal gehalten werden.
Natürlich ist für die Debatte darüber, wie nachhaltig der Tchibo-Kaffee ist, auch entscheidend, wo er herkommt, unter welchen Bedingungen er angebaut wird und wie die Farmerinnen und Farmer entlohnt werden. "Jede Edition stammt aus rein nachhaltigem Anbau und unterstützt sowohl ökologische als auch soziale Projekte in der Anbauregion", bewirbt das Unternehmen die limitierte Edition des "Qbo Premium Coffee Beans"- Filterkaffees auf der Website.
In einem ausführlichen Nachhaltigkeitsbericht formuliert das Unternehmen Ziele, die es erreichen will, Maßnahmen, die es dafür ergreifen will und Standards, die immer eingehalten werden sollen. Beispielsweise soll bis 2030 der Co2-Ausstoß halbiert werden, bei Lieferantinnen und Lieferanten soll eine Reduktion um 15 Prozent erreicht werden.
Auch beim Kaffeeanbau soll auf Nachhaltigkeit geachtet werden. Auf der Website heißt es weiter: "Fairer und nachhaltiger Kaffee wächst auf gesunden Böden und wird im Einklang mit der Natur und unter guten Bedingungen für Farmer*innen, Pflücker*innen und ihre Familien angebaut."
Deshalb hat der Konzern im Jahr 2009 die Initiative Tchibo Joint Forces! ins Leben gerufen und seitdem eigenen Angaben zufolge 42.000 Farmerinnen und Farmers in neun Ländern bei der Umstellung auf einen nachhaltigeren Anbau und Verbesserung der Lebensbedingungen unterstützt.
Um faire Bedingungen zu garantieren, setzt Tchibo auf Zertifikate wie Fairtrade, Rainforest Alliace und UTZ. Im Jahr 2020 lag der Anteil des zertifizierten Kaffees allerdings am gesamten Sortiment bei nur 22 Prozent. Gleichzeitig hat der Konzern die Kaffeepreise im Juni 2021 erhöht: Wie die "Tagesschau" berichtet, kostet die 500-Gramm-Packung "Feine Milde" nach der Preiserhöhung 5,69 Euro – statt 4,99 Euro.
Sollte es für Tchibo nicht wichtig sein, die Farmerinnen und Farmer fair zu entlohnen und demnach alle Produkte auf Fairtrade umzustellen? Sandra Coy weist gegenüber watson auf die zahlreichen Programme und Bildungsprojekte hin, die Tchibo fördert. Sie sagt aber auch:
Durch das sich ständig wechselnde Sortiment des Unternehmens, die langen Transportwege, die die Kaffeebohnen aus Ländern wie Brasilien, Kolumbien oder Äthiopien zurücklegen und auch die Vermarktungen des Kaffees in Pad- oder Kapselform assoziiert man Tchibo vielleicht nicht in erster Linie mit Nachhaltigkeit. Doch das Unternehmen legt gerade große Schritte zurück, hat einige Initiativen und Programme gestartet, die fairen Kaffeeanbau und Bezahlung ermöglichen sollen und will auch den Fairtrade-Anteil der Kaffeesorten noch erweitern.
Auf der Website positioniert sich der Konzern sehr eindeutig und geht dabei möglicher Kritik nicht aus dem Weg, sondern bindet diese bewusst ein:
Tchibo sagt also klar: Das Unternehmen ist noch nicht "vollkommen nachhaltig", vielleicht wird es das auch nie sein. Aber die Bemühungen sind offensichtlich da und für den Moment lassen sich diese doch klar vom Vorwurf des Greenwashings trennen. Jetzt gilt es allerdings, dranzubleiben und so dem Ziel eines grünen Unternehmens näherzukommen.