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Innocent-Smoothies im Test: Wie gesund sind sie wirklich?

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Innocent bietet eine große Auswahl an Säften und Smoothies an – doch wie nachhaltig ist das Unternehmen eigentlich? Bild: www.imago-images.de / Shane Healey
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Wirklich so unschuldig? Experten bewerten Nachhaltigkeit von Smoothie-Hersteller Innocent

21.11.2021, 10:5822.11.2021, 16:30
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Klein, bunt und immer einen frechen Spruch auf Lager so präsentieren sich die Smoothies des Herstellers Innocent. Die kompakten Vitaminbomben in grellen Farben sind aus den Supermarktregalen nicht mehr wegzudenken. Neben True Fruits gehört Innocent zu den beliebtesten Smoothie-Marken in Deutschland. Doch was verbirgt sich hinter dem Unternehmen, das neben seinen Smoothies und Säften auch für sein witziges Marketing und diverse Petitionen bekannt ist?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat watson einen Marketing- und einen Pestizidexperten befragt.

"Kleine Drinks, große Träume" – das ist der Leitsatz des britischen Saftgiganten Innocent. Das 1998 gegründete Unternehmen verkauft eigenen Angaben zufolge rund zwei Millionen Smoothies pro Woche und ist damit europaweit Marktführer. Mit humorvollen Texten auf den Rückseiten der Smoothie-Flaschen und einem hippen Internetauftritt erweckt Innocent den Eindruck, ein junges, cooles und nachhaltiges Unternehmen zu sein. Was den wenigsten Kundinnen und Kunden bewusst sein dürfte: Innocent gehört seit 2009 zu mehr als 90 Prozent der Coca-Cola-Company.

Wie passt es zusammen, dass ein Unternehmen, welches sich Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben hat, zu einem Großkonzern gehört, der laut Greenpeace einer der größten Plastikmüllverursacher der Welt ist und deshalb gerade zum vierten Mal in dem Bericht "Branded" als solcher aufgelistet wird?

Die Bewegung "Break Free From Plastic", zu der auch Greenpeace gehört, sammelte letztes Jahr in Kooperation mit über 11.000 Freiwilligen in 45 Ländern 330.493 Plastikabfälle an Stränden und Seeufern ein, vorwiegend weggeworfene Einwegverpackungen. Im jährlich erscheinenden "Branded"-Bericht wird dargestellt, wie viel Müll der jeweiligen Markenhersteller gesammelt wurde.

Watson hat mit Expertinnen und Experten gesprochen, die bewerten, wie nachhaltig Innocent wirklich ist – und wie viel Greenwashing im Marketing des Smoothie-Herstellers steckt.

Woher stammt das Obst bei Innocent-Smoothies?

Innocent ist dem Flaschenetikett zufolge "Der Smoothie aus verantwortungsvollem Anbau". Aber was bedeutet das eigentlich? Auf seiner Website schreibt das Unternehmen:

"Leckere Zutaten zu beschaffen, die unter Berücksichtigung der Menschenrechte angebaut wurden, den Klimawandel bekämpfen und als nachhaltig eingestuft werden – das ist die wahre Herausforderung."

Wie Innocent diese Herausforderungen (angeblich) meistert, legt das Unternehmen in ausführlichen Blogeinträgen und Nachhaltigkeitsberichten auf seiner Website dar: Investments in Umweltprojekte ("Wir bauen Bienenhotels"), Schulungen zum nachhaltigen Wirtschaften für Landwirte in Indien und eine Verpflichtung zur Einhaltung von ökologischen Standards sind nur einige der Strategien, die Innocent eigenen Angaben zufolge zu einem nachhaltigen Unternehmen machen.

Es entsteht der Eindruck, dass der Konzern bereits jeder Kritik, die Kundinnen und Kunden äußern könnten, entgegenwirkt und alle Fragen, die entstehen könnten, im FAQ beantwortet hat. Schützt sich Innocent so davor, sein grünes Image zu beschädigen? Das Unternehmen bezeichnet sich auf seiner Website immerhin als "Recycling-Aktivisten", "Landwirtschafts-Helden" und "Klimaschützer" – zu Recht?

Die Einschätzung eines Marketing-Experten

Um zu verstehen, welche Strategie Innocent verfolgt und ob es sich dabei um bloßes Greenwashing handelt, muss zunächst definiert werden, was Greenwashing eigentlich ist. Der ehemalige Nachhaltigkeitsbeauftragte von gugler* cross media und Kommunikationsexperte Reinhard Herok erklärt dieses Phänomen im Interview mit watson so: "In erster Linie geht es beim Greenwashing darum, dass getäuscht wird. Zudem werden Fake-Labels verwendet, oder irrelevante Labels, die keine rechtliche Grundlage haben."

Der Experte weist darauf hin, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher beispielsweise durch vage Aussagen wie "grün" oder "ökologisch" in die Irre führen lassen. Diese Begriffe seien rechtlich nicht geschützt und könnten deshalb beliebig verwendet werden. Sich dieser Elemente zu bedienen, um das eigene Unternehmen nachhaltiger wirken zu lassen, als es tatsächlich ist, ist eine Form des Greenwashings.

"'Verantwortungsvoll kann alles heißen: verantwortungsvoll den Mitarbeitern gegenüber, der Umwelt oder den Shareholdern. Das klingt natürlich super, aber was steckt dahinter?"
Reinhard Herok zum Thema Greenwashing

Der Satz auf dem Flaschenetikett der Innocent-Smoothies ("Der Smoothie aus verantwortungsvollem Anbau") ist Herok zufolge ein perfektes Beispiel für solche vagen, inhaltsleeren Aussagen: "'Verantwortungsvoll' kann alles heißen – verantwortungsvoll den Mitarbeitern gegenüber, der Umwelt oder den Shareholdern. Das klingt natürlich super, aber was steckt dahinter? Das ist für den End-Kunden oft sehr schwer nachzuvollziehen."

Green Washing oder Green Life? Jeden Monat prüfen wir mit Experten und Laboren die Nachhaltigkeitsbemühungen großer Firmen: Willkommen im Green Lab von watson.
Green Washing oder Green Life? Jeden Monat prüfen wir mit Experten und Laboren die Nachhaltigkeitsbemühungen großer Firmen: Willkommen im Green Lab von watson.Bild: gettyimages

Das "Du" schafft Kundennähe

Ähnlich verhält es sich mit der Du-Form, die Innocent sowohl auf seinen Smoothie-Flaschen als auch auf Social Media und der Website verwendet. Der Experte klärt auf:

"Das ist eine Marken-Strategie, die einige Firmen verwenden, um das Produkt auf einer freundschaftlichen Ebene zu bewerben. Insgesamt wirkt das Unternehmen nach außen hin sehr jugendlich und frisch, es gibt Kundinnen und Kunden das Gefühl, ein Teil der Marke zu sein. Diese Strategie bedeutet nicht per se etwas Negatives. Sie lenkt aber vielleicht von den eigentlichen Problemen des Unternehmens ab."

Großer Bruder von Innocent ist Coca-Cola

Und was sind die eigentlichen Probleme des Unternehmens? Vermutlich kaschiert Innocent mit diesen Marketing-Strategien die Tatsache, dass die größten Firmenanteile dem Coca-Cola-Konzern gehören, denn das passt nicht in das Nachhaltigkeits-Image, das Innocent genießt. Auf Nachfrage von watson betont Tine Ringsgwandl, Leiterin für Unternehmenskommunikation Nachhaltigkeit und Ernährung bei Innocent Deutschland, dass sich durch das Coca-Cola-Investment am Unternehmen selbst nichts geändert habe.

"Wir machen nach wie vor die Dinge, an die wir glauben, handeln im Sinne unserer Werte und geben tagtäglich unser Bestes dafür. Coca-Cola lässt uns in unserem Schaffen völlig freie Hand. Nach wie vor werden Entscheidungen von Innocent-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getroffen und das Unternehmen so gesteuert, dass Coca-Cola nicht im Geringsten in unser Geschäft eingreift."
Tine Ringsgwandl sprecherin von innocent

Eine Frage der Unternehmensform

Der Marketing-Experte zweifelt diese Aussagen zwar nicht an, meint aber, dass "wenn man ein wirklich nachhaltiges Unternehmen gründen will, man dafür eine andere Unternehmensform wählen kann, zum Beispiel die purpose economy". Diese Unternehmensform – auf Deutsch "Gründung in Verantwortungseigentum" –, welche zum Beispiel auch der Kondom- und Periodenprodukthersteller Einhorn, der Trinkflaschenhersteller Soulbottle oder die Suchmaschine Ecosia gewählt haben, schließt Aufkäufe von größeren Unternehmen aus. Herok sagt, dass es solchen Unternehmen eindeutig mehr darum gehe, etwas zu bewegen, als darum, Profit zu machen.

Auf der anderen Seite hat Coca Cola ein unglaublich großes Vertriebsnetz. Das sorgt dafür, dass die Innocent Smoothies an zahlreichen Orten verkauft werden können. Wenn es sich dabei um ein wirklich nachhaltiges Produkt handelt, könnte man es auch als positiv bewerten, dass dieses großflächig vertrieben wird.

Was genau steckt jetzt im Smoothie?

Um das Nachhaltigkeitsversprechen der Innocent Smoothies auf die Probe zu stellen, hat watson eine der offiziellen Behauptungen genauestens unter die Lupe genommen:

"Smoothies nur aus den besten Zutaten von Mutter Natur. Ganz ohne Konzentrate, Geschmacksverstärker und ohne zugesetzten Zucker"
PressemitteilungInnocent deutschland

Dass der Smoothie viel Obst und Gemüse enthält, bedeutet nicht automatisch, dass er auch gesund ist. Wie Jenke von Wilmsdorff vor Kurzem in einem Selbstexperiment bei ProSoieben herausfand, können "auch Obst und Gemüse gefährlich sein", wenn sie aus der konventionellen Landwirtschaft stammen. Schuld daran waren die beim konventionellen Obst- und Gemüseanbau verwendeten Pestizide, deren Rückstände die sonst gesunden Zutaten in "wahre Pestizidbomben" verwandelten.

Pestizide – die eigentlich nur als "Pflanzenschutzmittel" in der Landwirtschaft verwendet werden sollen – können dabei nicht nur Unkraut abtöten. Der Konsum von Obst und Gemüse aus konventioneller Landwirtschaft kann zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.

"Bei Pestiziden ist es ähnlich wie bei Arzneimitteln: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung."
Lars NeumeisterPestizidexperte

Auf Anfrage von watson ordnet der Pestizideexperte Lars Neumeister den Effekt von Pestiziden auf die Gesundheit des Menschen ein: "Bei Pestiziden ist es ähnlich wie bei Arzneimitteln: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Wie stark dabei die unerwünschten Nebenwirkungen sind, hängt von der Menge des verabreichten Pestizids ab und natürlich auch davon, wie häufig das Obst und Gemüse mit Pestiziden besprüht wurde." Diese Nebenwirkungen könnten neben allergischen Reaktionen auch hormonelle Veränderungen im Körper auslösen. Dabei kann die Wirkung körpereigener, natürlicher Hormone durch Chemikalien abgeschwächt oder blockiert, aber auch verstärkt werden.

Ausschlaggebend ist also, welches Obst und Gemüse in dem Smoothie steckt. Auf Anfrage von watson erklärt Innocent-Sprecherin Ringsgwandl, bei den Smoothies Bio-Obst zu verwenden, "wo es geht". "Generell verwenden wir nur Obst, das im Hinblick auf Pestizide als 'einwandfrei' zertifiziert wurde", betont sie.

"Wir bei Innocent führen regelmäßig einen umfassenden Pestizidprüfungsprozess durch, um zu garantieren, dass unsere Zutaten und Produkte keine überschüssigen Pestizidrückstände enthalten. Für unsere Lieferanten haben wir strenge Richtlinien für die Verwendung von Pestiziden festgelegt, damit die Früchte zu 100 Prozent sicher sind."
Tine RingsgwandlSprecherin von Innocent Deutschland

Fazit: Innocent bleibt unschuldig

watson hat den Test gemacht und einen "Ananas, Erdbeere & Apfel"-Smoothie von Innocent in ein unabhängiges Labor geschickt. Das Labor hat den Smoothie auf insgesamt 700 chemische Verbindungen analysiert, die in den meisten bekannten Pestiziden vorkommen. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse zeigt: Rückstände von Pestiziden konnten nicht gefunden werden.

Mit diesem Ergebnis bleibt Innocent seinem Versprechen, Obst ohne Pestizide zu nutzen, treu.

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