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Analyse

Studie für Klimaneutralität bis 2045 – Initiativen wie Greenpeace nicht überzeugt

Die Leitstudie der Deutschen Energie-Agentur soll konkrete Handlungsanweisungen zu einem Aufbruch in die Klimaneutralität ab 2045 bieten.
Die Leitstudie der Deutschen Energie-Agentur soll konkrete Handlungsanweisungen zu einem Aufbruch in die Klimaneutralität ab 2045 bieten.Bild: Getty Images Europe / Lukas Schulze
Analyse

Leitstudie soll mit Handlungsempfehlungen zum Aufbruch zur Klimaneutralität verhelfen – Initiativen wie Greenpeace sind nicht überzeugt

07.10.2021, 17:58
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Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) soll Politik und Wirtschaft konkrete Handlungsempfehlungen liefern, wie das Land bis 2045 klimaneutral werden kann. Dafür hat die Dena gemeinsam mit mehr als zehn wissenschaftlichen Instituten, 79 Vertretern aus der Wirtschaft sowie einem 45-köpfigen Beirat mit Experten aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft in den vergangenen eineinhalb Jahren einen Plan ausgetüftelt.

Die zentralen Handlungssektoren: Gebäude, Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr. Insgesamt 84 Aufgaben haben die Stakeholder identifiziert, die es in den nächsten Jahren anzugehen gilt. Am Donnerstag haben Initiatoren und Experten der Studienkommission ihre Ergebnisse mit einem Abschlussbericht der Dena-Leitstudie "Aufbruch Klimaneutralität" in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Demnach müssten Forschung und Entwicklung ausgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen.

"Wir halten alle diese Aufgaben für machbar"
Dena-Chef Andreas Kuhlmann

"Wir halten alle diese Aufgaben für machbar", sagt Andreas Kuhlmann, Chef der Dena. Klar sei aber auch, dass es mit einer reinen Umstellung von Industrie, Mobilität, Energie und Baustandards nicht getan ist. Vielmehr bräuchte es eine Mischung aus dem ökonomischen Rahmen – also CO2-Preisen, Steuern und Regularien –, Förderinstrumenten und Verboten. Je besser der ökonomische Rahmen abgestimmt sei, desto weniger Verbote würden am Ende gebraucht, um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.

Insgesamt zeigen sich die Initiatoren optimistisch, sämtliche Änderungen und Formationen bis 2045 umsetzen zu können. Zumindest bei der Finanzierung der Studie darf man aber hellhörig werden: Neben der Dena wird diese nämlich auch durch die Wirtschaftsunternehmen gestemmt, die Teil der Studienpartner sind. Mit darunter befinden sich zahlreiche fossile Unternehmen wie RWE, Eon, Thyssengas, Daimler oder Open Grid Europe.

Die an der Studie beteiligten Unternehmen seien divers gehalten

Laut Kuhlmann sei die Studie aber so aufgebaut, dass sich die verschiedenen Sektoren auch untereinander kritisch hinterfragen. Zudem müssten auch der Expertenrat und Beirat ihr Okay geben. Um die beteiligten Unternehmen möglichst divers zu halten, hätten Start-ups beispielsweise spezielle Konditionen – und müssten nicht so viel Geld bezahlen wie die Großkonzerne. "Wir haben aber auch mit Unternehmen gesprochen – vor allem aus dem Mittelstand – die keine Partner der Studie sind", sagt Kuhlmann.

"Das ist problematisch, weil diese Unternehmen ein finanzielles Eigeninteresse daran haben, ihre klimaschädlichen Geschäftsmodelle möglichst lange beizubehalten"
Christina Deckwirth,
Campaignerin bei Lobbycontrol

Inwieweit in einem solchen Zusammenhang von einer unabhängigen Studie gesprochen werden kann, die zum Ziel hat, strikte Vorgaben und Ziele zu benennen, beantwortet Kuhlmann auf Nachfrage von watson folgendermaßen: "Das Projekt ist zu 30 Prozent durch die Dena finanziert. Die wirtschaftlichen Partner sind mit höchstens 1,5 bis 2 Prozent beteiligt. Trotzdem bringt dieses Konstrukt große Anforderungen mit sich und wir brauchen ein dickes Fell. Vertraglich ist uns allerdings die Unabhängigkeit zugesichert."

Wie viel Einfluss hatten die Unternehmen auf die Studienziele?

Das sehen Experten und Zivilorganisationen wie Lobbycontrol, Greenpeace und Germanzero anders: "Bei der Leitstudie haben sich viele Unternehmen aus der fossilen Wirtschaft besondere Mitspracherechte über das Sponsoringmodell gekauft", erklärt Christina Deckwirth, Campaignerin bei Lobbycontrol, gegenüber watson. "Das ist problematisch, weil diese Unternehmen ein finanzielles Eigeninteresse daran haben, ihre klimaschädlichen Geschäftsmodelle möglichst lange beizubehalten." Zudem bestehe die Gefahr, dass die Studienergebnisse dadurch verfälscht würden.

Worauf Deckwirth anspielt: Unternehmen, die von der Umstellung auf CO2-freies Wirtschaften betroffen sind, konnten sich Mitentscheidungsrechte einkaufen – je nach Unternehmensgröße geht es dabei um Summen von bis zu 35.000 Euro. So haben sie direkten Einfluss darauf, welche Ziele formuliert werden.

"Die Dena agiert in einem höchst problematischen Graubereich, sie versucht die Klimapolitik gezielt zu beeinflussen"
Karsten Smid,
Kampagnenleiter für Klima und Energie bei Greenpeace

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Auch Greenpeace teilt die Kritik von Lobbycontrol. Die Dena betreibe keine unabhängige Wissenschaft. "Unter dem Deckmantel einer breiten gesellschaftlichen Beteiligung werden Industrieinteressen verfolgt", sagt Karsten Smid, Kampagnenleiter für Klima und Energie bei Greenpeace. Smid geht sogar noch einen Schritt weiter: "Die Dena agiert in einem höchst problematischen Graubereich, sie versucht die Klimapolitik gezielt zu beeinflussen, eine interessengeleitete Ausrichtung zu geben und täuscht dabei eine breite zivilgesellschaftliche Beteiligung vor, die nicht existent ist." Die Klimaziele, so Smid, werde man so jedenfalls nicht erreichen.

"Auf den ersten Blick wird deutlich, dass das Szenario der Dena nicht ausreichend ist, um das verbleibende CO2-Budget Deutschlands einzuhalten" moniert Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe. Das noch verbleibende CO2-Budget für Deutschland bezifferte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) ab 2020 auf 6,7 Milliarden Tonnen. Das von der Dena in der Studie vorgestellte Szenario komme dagegen bis 2045 auf Treibhausgas-Emissionen in Höhe von 9,2 Milliarden Tonnen. Die Ziele zur Einhaltung des CO2-Budgets müssten "dringend nachgebessert werden – aber das ist natürlich Job der Regierung, nicht der Dena", erklärt Zerger.

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