Nachhaltigkeit
Nachhaltig leben

Bevor dein Geld in Atomkraft und Waffen fließt: So legst du es nachhaltig und fair an

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Bislang ist der Anteil an nachhaltigen Geldanlagen klein – doch das Interesse wächst enorm.Bild: iStockphoto / Indysystem
Nachhaltig leben

Bevor dein Geld in Atomkraft und Waffen fließt: So legst du es nachhaltig und fair an

28.10.2020, 08:1628.10.2020, 12:15
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Viele von uns kaufen im Bio-Markt ein, tragen fair gehandelte oder gebrauchte Kleidung, versuchen Plastikmüll zu vermeiden, weniger Fleisch zu essen und wenn wir ins Flugzeug steigen, dann tun wir das mit zunehmend schlechtem Gewissen. Aber unser Geld liegt oft noch auf irgendwelchen Konten oder in Fonds, von denen wir nicht wissen, was dort genau damit passiert. Klar, am Ende soll mehr Geld auf dem Konto sein als zuvor. Aber das kann in der Zwischenzeit Gutes tun, die Verkehrs- und Energiewende vorantreiben und zukunftsfähige Branchen unterstützen – oder eben das Gegenteil bewirken. Spoiler: Meistens ist letzteres der Fall.

Wenn du vermeiden willst, dass dein Geld in einem Fonds liegt, der Kohle oder Erdöl fördert oder in einer Bank, die Kredite an Unternehmen vergibt, die in Rüstungsgeschäfte, Massentierhaltung oder Kinderarbeit verwickelt sind, kannst du es nachhaltig anlegen – und damit auf Unternehmen und Banken setzen, die auch ökologische und soziale Kriterien mit einbeziehen. "Alles Geld wirkt, das auf der Bank liegt. Nicht nur Aktien, Renten und Fonds, sondern auch das Sparkonto", sagt Angela McClellan, Geschäftsführerin des Forums Nachhaltige Geldanlage e.V., gegenüber watson.

Bislang werden allerdings gerade einmal 5,4 Prozent des Geldes auf dem Markt nachhaltig angelegt. Das Problem: Nachhaltig Geld anlegen ist gar nicht so einfach. Denn der Begriff Nachhaltigkeit ist nicht geschützt – und viele Banken haben inzwischen begriffen, dass sich damit Geld verdienen lässt. "Der nachhaltige Anlagemarkt verzeichnete in den vergangenen 15 Jahren eine enorme Wachstumskurve, der Anteil der Privatanleger hat sich von 2018 auf 2019 fast verdoppelt", sagt McClellan. "Natürlich haben auch konventionelle Anbieter entdeckt, dass sich auf diesem Gebiet Geld verdienen lässt – deshalb ist vieles auch reines Marketing." Sie vergleicht die Geldanlage mit dem Shoppen im Supermarkt: Dort ist schließlich auch nicht alles, was ein grünes Etikett trägt, tatsächlich nachhaltig produziert und schont die Umwelt.

"Im Prinzip kann jeder einen 'grünen' Fonds zusammenstellen"

"Greenwashing ist leider Tür und Tor geöffnet", sagt auch Markus Duscha, Gründer des Fair Finance Institute, im Gespräch mit watson. "Im Prinzip kann jeder einen 'grünen' Fonds zusammenstellen und dort hineinpacken, was er für grün und wichtig hält." Das soll sich bald aber ändern. "Die EU ist dabei, die Taxonomie, also die Klassifikation nach bestimmten Kriterien, zu ändern. Es wird festgelegt: Was muss genau erfüllt werden, damit etwas nach EU-Definition nachhaltig genannt werden darf" so Duscha.

Bis es so weit ist, helfen Siegel bei der Orientierung. Duscha empfiehlt den Fair Finance Guide. Das Forum Nachhaltige Geldanlage hat zudem das FNG-Siegel für nachhaltige Investmentfonds entwickelt, die gewisse Mindeststandards erfüllen müssen und darüber hinaus Sterne verdienen können. Zudem bietet es eine Datenbank an, in der nach bestimmten Kriterien gefiltert werden kann. Ein bisschen mit dem Thema beschäftigen muss man sich also doch.

Ohnehin sind sich die Experten einig: Wirklich nachhaltig Geld anlegen geht nur bei einer speziellen Nachhaltigkeitsbank – der Triodos-Bank etwa, der GLS-Bank oder bei kirchlichen Banken. Denn während konventionelle Geldinstitute erst anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, bieten diese Banken seit Jahrzehnten nichts anderes an. Zudem können dort auch nachhaltige Konten eröffnet werden – während die anderen Banken meist nur ein bis zwei nachhaltige Produkte im Portfolio haben.

Weniger Risiko bei nachhaltigen Geldanlagen

Wie das Geld dann letztlich konkret angelegt wird? Bei der nachhaltigen und klimafreundliche Anlage gibt es da verschiedene Ansätze. Eine Option ist es, Ausschlusskriterien zu formulieren – Investitionen in bestimmte Branchen wie die Rüstungs- oder Kohleindustrie werden dann ausgeschlossen. "Darauf sollte man mindestens achten", sagt Duscha. McClellan gibt jedoch zu bedenken: "Je mehr Ausschlusskriterien, desto kleiner das Anlageuniversum und desto größer das Risiko, darüber muss man sich im Klaren sein."

Andersherum können über Positivkriterien auch bestimmte Branchen herausgepickt werden – oder mit dem Best-in-class-Ansatz in jeder Branche die Unternehmen, die am umweltfreundlichsten und fairsten agieren. "Da bin ich sehr zurückhaltend", sagt Duscha. "Denn man kann natürlich sagen: Ich habe den besten der Waffenhersteller in meinem Portfolio – aber der ist immer noch ein Waffenhersteller."

Experten setzen eher auf den Engagement-Ansatz. Dabei wird auf Aktionärsversammlungen Druck ausgeübt, um das Unternehmen in eine nachhaltigere Richtung zu drängen.

Eine Sorge ist jedenfalls unbegründet: Die, das nachhaltige Geldanlage am Ende deutlich weniger Rendite einbringen. Sich an Umwelt- oder Sozialstandards zu halten, hat nämlich keine Nachteile – im Gegenteil. "Wenn man langfristig investiert, dann gibt es viele Untersuchungen, die zeigen, dass gerade nachhaltige Produkte weniger Risiko und weniger Schwankungen beinhalten", sagt Duscha. Und auch McClellan sagt: Insgesamt performen nachhaltige Geldanlagen eher besser als schlechter. "Gerade während der Corona-Pandemie haben sie sich als krisensicherer erwiesen und wesentlich weniger Verluste gemacht als konventionelle."

Denn wenn Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt würden, werde ein Produkt – und natürlich auch ein Unternehmen – resilienter. Klar, wer den Klimawandel mitdenkt, sich auf politische Entscheidungen wie den Kohleausstieg vorbereitet und physische Risiken wie Dürren und Ernteausfälle einkalkuliert, der steht am Ende besser da.

Finanzwelt wandelt sich

Risiken gibt es natürlich immer, bei nachhaltiger wie bei konventioneller Geldanlage. Es lohnt sich deshalb, sich immer genau zu überlegen: Wie viel Geld habe ich übrig, und wie viel davon brauche ich in näherer Zukunft? Welche Rendite erwarte ich? Und welches Risiko bin ich bereit einzugehen? Um dieses klein zuhalten, wird stets geraten, das Geld möglichst breit zu streuen – und etwa nicht auf einen einzelnen Windrad- oder Solarpark zu setzen. Breit gestreute, passiv gemanagte ETFs etwa schneiden Duscha zufolge in puncto Nachhaltigkeit aber schlechter ab. "Das liegt daran, dass es das Kennzeichnen der ETFs ist, dass es da kein Management gibt und niemand bestimmte Firmen und Produkte auswählt. Es fehlt also genau das, was es braucht, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten."

Er hofft, dass sich das politische System weiter ändert – und sich im ökologischen Sektor künftig mehr Geld verdienen lässt als im konventionellen. Der Aktionsplan der EU, der die Finanzwelt ökologischer und sozial gerechter gestalten soll, sei da schon ein Schritt in die richtige Richtung. Dass sich die EU dabei allerdings ausgerechnet von Blackrock beraten lässt, der als größter Vermögensberater der Welt durchaus Eigeninteressen hat und bisher eher durch Deals in der Öl- oder Waffenbranche Schlagzeilen machte, sorgte in der Branche allerdings für einen Aufschrei. "Blackrock hat sich bisher nicht gerade durch Nachhaltigkeit hervorgetan", sagt Duscha. "Außerdem sind die Interessenverstrickungen viel zu groß und Blackrock ist viel zu mächtig, als dass sie alleine als zentraler Berater fungieren könnten."

Trotzdem: "Der EU-Aktionsplan hat sehr viel bewegt, etwa durch die Beratungspflicht bei Banken – ab 2022 muss jeder Kunde beim Beratungsgespräch neben Punkten wie Risikoaffinität oder Liquidität nach Nachhaltigkeitspräferenzen gefragt werden", sagt McClellan. Auch die Offenlegungsverordnung werde Auswirkungen haben. Laut dieser müssen alle Finanzmarktteilnehmer über ihren Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken berichten. Duscha fordert zudem, dass die Wirtschaftspolitik CO2 mit höheren Preisen belegt – dann werde auch die Finanzwirtschaft automatisch in die richtige Richtung gehen, sagt er. Denn: "Was der Erde schadet, darf sich am Ende nicht rentieren."

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"Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen" – so lautet ein oft verwendetes Sprichwort. Forschende der Macquarie University in Sydney rund um das Team des Wissenschaftlers Daniel Natusch aber heben die Bedeutung dessen noch einmal auf ein gänzlich neues Level, das zumindest hierzulande auf Abneigung stoßen dürfte.

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