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Klimakrise: Warum die Angst vor Klimawandel auch ein Generationen-Konflikt ist

Die Themen Klimaschutz, Klimawandel und Klimaangst beschäftigen viele Menschen, vor allem junge.
Unsere Autorin hat Klimaangst. Ihre Großeltern haben dafür kein Verständnis und ziehen ihre Sorge ins Lächerliche.bild: pexels / austin guevara
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Omi, Opi – wisst ihr, dass ich Klimaangst habe? Ein Brief

Unsere Autorin hat Klimaangst, ihre Großeltern aber kein Verständnis dafür. Um sich ihnen zu erklären, hat sie ihnen einen Brief geschrieben.
23.02.2023, 14:15
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Liebe Omi, lieber Opi,

auch wenn wir nah beieinander wohnen, habe ich manchmal das Gefühl, dass Welten zwischen uns liegen. Wenn ich über die Klimakrise spreche, hört ihr stumm zu oder macht eine wegwischende Handbewegung, als würde euch all das nichts angehen. Dabei tut es das. Es geht uns alle an.

Viele Menschen versuchen, mit den Großeltern über Klimaschutz und die Folgen von Klimawandel zu diskutieren.
Oma und Enkelin sprechen über die Klimakrise und die damit verbundenen Ängste.bild: pexels / cottonbro studio

Ich bin nicht sauer, dass ihr von Mauritius nach Südafrika jettet, Kreuzfahrten an die Antarktis und nach Marokko macht. Aber es verletzt mich zutiefst, dass ihr mich und meine Sorgen so gar nicht ernst zu nehmen scheint.

"Die Klimakrise mit all ihrer Wucht, mit all ihren Folgen macht mir wahnsinnige Angst."

Die Klimakrise mit all ihrer Wucht, mit all ihren Folgen macht mir wahnsinnige Angst. Manchmal bekomme ich Herzrasen davon. Manchmal dreht sich alles im Kreis. Manchmal weiß ich einfach nicht weiter: Was nur können wir noch tun, damit die Vehemenz der Klimakrise bei jeder und jedem von uns ankommt, frage ich mich dann?

Ich weiß, dass ihr denkt, dass die Bedrohung weit weg ist. Und dass es uns ja sowieso gut geht, hier oben im privilegierten Norden. Aber die Klimakrise ist nicht weit weg, sie ist längst da und verschlimmert sich mit jedem zehntel Grad, um das sich die Erde weiter erhitzt. Auch hier in Deutschland. Insbesondere ältere Menschen, Kranke und Säuglinge sind gefährdet, einen Hitzetod zu sterben. Wusstet ihr das?

"Aber Omi, Opi, auch das Private wird politisch, zum wunden Punkt für uns als Familie: Darf ich überhaupt noch Kinder bekommen?"

Von den vielen, vielen weiteren katastrophalen Folgen, die noch auf uns zukommen werden, mal ganz abgesehen. Und überhaupt: Am schlimmsten wird die Krise nicht uns treffen, die das ganze CO2 zum größten Teil in die Atmosphäre gepustet haben. Am schlimmsten wird es all jene Menschen treffen, die kaum zur Klimakrise beigetragen haben, die sowieso schon in Hunger, Armut und Gefahr leben.

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Ihr habt immer zu mir gesagt, wie sehr ihr euch schon auf eure Ur-Enkel:innen freut. Aber Omi, Opi, auch das Private wird politisch, zum wunden Punkt für uns als Familie: Darf ich überhaupt noch Kinder bekommen? Wenn ja – in was für eine Welt werden sie geboren? Kann ich das wirklich mit mir vereinbaren, wo doch Politik und Gesellschaft noch immer nicht realisiert zu haben scheinen, wie weitreichend die Folgen der Klimakatastrophe sind? Wo bei Weitem noch nicht genügend getan wird, um die Folgen dieser multiplen Krisen abzumildern?

Ich glaube nicht.

Zumindest hat das Thema Familienplanung einen bitteren Beigeschmack bekommen.

Und zwar nicht nur für mich, sondern für über die Hälfte der jungen Deutschen.

Die Angst vor dem Klimawandel und die damit verbundene Klimakrise beschäftigt viele junge Menschen.
"Seit ich denken kann, träumt ihr davon, Ur-Enkel:innen zu bekommen."bild: pexels / cottonbro studio

Damit trifft euch, wenn ihr schon nicht all die anderen Klimafolgen und Klimakatastrophen seht, zumindest diese eine direkt.

So wie mich auch.

Für mich spielt das Klima zu jeder Zeit eine Rolle. Wenn ich mir eine neue Jeans kaufe, denke ich an all meine anderen Hosen in der Kommode. Und fühle mich schuldig.

Wenn ich mit dem Auto fahre, denke ich an all das unnötige CO2, das ich durch die Fahrt verursache – oder, noch schlimmer, durch einen Flug. Und fühle mich schuldig.

Wenn ich einen Kaffee to go kaufe, ärgere ich mich über das Plastik, über mich selbst. Und fühle mich schuldig.

"Ich verlange ja gar nicht, dass ihr nur noch zu Hause sitzt. Aber was ist mit meiner Generation, mit allen nachfolgenden?"

Aber wenn ich versuche, mit euch darüber zu reden, was das mit mir, mit unserer Welt macht, dann nehmt ihr mich nicht ernst. Ach die paar Autofahrten, die paar Flüge, das Bisschen Fleisch, sagt ihr dann und winkt ab.

Viele junge Menschen setzen sich für den Klimaschutz ein und versuchen so, die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen.
Es macht unsere Autorin traurig, dass ihre Großeltern ihre Sorgen so gar nicht ernst nehmen. bild: pexels / cottonbro studio

Das sind genau die Momente, in denen bei mir die Panik aufkommt, Wut und Ärger. Ich verlange ja gar nicht, dass ihr nur noch zu Hause sitzt. Aber was ist mit meiner Generation, mit allen nachfolgenden? Haben wir es nicht auch verdient, in einer halbwegs sicheren Welt zu leben, in der wir uns nicht vor Hitze, Wasser- und Lebensmittelknappheit, Überschwemmungen, Kriegen – ja sogar untergehenden Inseln fürchten müssen?

Der Meeresspiegel steigt, frisst nach und nach unsere Küsten auf – Forschende gehen davon aus, dass schon in 80 Jahren Teile Hamburgs im Meer versunken sein könnten. Unser Zuhause! Hier, im privilegierten Norden! Auch wenn ihr, und vermutlich auch ich, das nicht mehr erleben werden, es ist doch unsere Heimat.

Natürlich verändert ihr nicht die Welt, wenn ihr eure Reisen und euren Fleischkonsum reduziert. Meine eigene wohl aber schon.

Rümpft nicht die Nase, wenn ich meinen Kaffee mit Hafermilch trinke, sondern gebt dem Ganzen eine Chance.

Nehmt mich und meine Sorgen, die so viele andere Menschen mit mir teilen, ernst. Denn meine Welt ist auch eure Welt, so weit voneinander entfernt sie manchmal auch scheinen mag.

Eure Josephine

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