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Müll im Meer. So will ein Mann die Ozeane von Plastik befreien

Die Umweltorganisation "One Earth One Ocean" will die Ozean mit verschiedenen Katamaranen, Schiffen und Containerschiffen von Müll befreien.
Die Umweltorganisation "One Earth One Ocean" will die Ozean mit verschiedenen Katamaranen, Schiffen und Containerschiffen von Müll befreien. bild: one earth one ocean
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Maritime Müllabfuhr: Wie ein Mann die Meere von Abfall befreit

27.02.2023, 08:02
Mehr «Nachhaltigkeit»

Das Meer rauscht, die Gischt spritzt, wenn sich die "Seekuh" gemächlich ihren Weg entlang der Küste bahnt. Auf einem Förderband wird Plastik aus dem Meer auf das Deck des Katamarans geholt: Cola-Dosen, Plastiktüten, Strohhalme. Und vieles mehr. An Bord der "Seekuh" sortieren Mitarbeitende den eingeholten Müll. Sobald sie wieder an Land anlegen, holen Lkw oder Tuktuks diesen ab und bringen ihn zu Sammelstellen, wo er nochmals sortiert und anschließend gelagert wird.

In elf Müll-Hotspots – von Brasilien über Uganda, Malaysia, Indonesien und die Philippinen – sind Müll-Sammelaktionen wie diese bereits Realität. Der "Seehamster", die "Seekuh" und der "Seeelefant" – sie alle sind Teil der Maritimen Müllabfuhr, dem ganzen Stolz von Günther Bonin.

Günther Bonin will den Müll aus den Meeren fischen und in Öl umwandeln.
Günther Bonin will den Müll aus den Meeren fischen und in Öl umwandeln. bild: one earth one ocean

Bonin hat 30 Jahre lang in der IT gearbeitet. Bis er eines Nachts bei einer Segeltour im Jahr 2008 in einen Müllhaufen fuhr, den ein Tanker über Bord geworfen hatte. Der IT-ler ist verärgert und schockiert darüber, dass dies gang und gäbe zu sein scheint.

Er will das ändern, unbedingt.

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Wenn mehr Müll in den Ozeanen schwimmt als Fische

Denn Jahr für Jahr gelangen über zehn Millionen Tonnen Müll in die Ozeane, bis zu 80 Prozent davon haben ihren Ursprung an Land. Schon heute befinden sich mehr als 150 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren – Tendenz steigend. Bis 2050, so sagen es Studien der Vereinten Nationen voraus, wird mehr Müll in den Ozeanen schwimmen als Fische.

Das birgt diverse Gefahren: Für das Meer. Für die Fische und Lebewesen, die in ihm beheimatet sind. Für uns Menschen.

Das kann und will Günther Bonin nicht länger hinnehmen. Kaum ist Bonin von seinem Segel-Trip zurück, fängt er an zu recherchieren. Irgendeine Möglichkeit, die Meere von den Müllteppichen zu befreien, muss es doch geben!

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Schildkröten können sich in sogenannten Geisternetzen verheddern und qualvoll sterben.Bild: one earth one ocean / Michel Gunther / Biosphoto

Er recherchiert und findet – nichts.

Nur punktuelle Forschungsprojekte. Keine Technologien, mithilfe derer man flächendeckend Müll aus dem Meer fischen könnte. Nichts.

Er überlegt – und hat plötzlich eine Idee: Was wäre, wenn eine maritime Müllabfuhr den Müll einsammelt? Was an Land funktioniert, muss schließlich auch auf den Meeren klappen.

"Wenn wir in Kambodscha oder Indonesien unterwegs sind, dann sehen wir manchmal Stellen, wo die Konzentration an Müll so hoch ist, dass man glaubt, wir schaffen das nicht."
Gründer von "One Earth One Ocean", Günther Bonin

Das war 2009.

2023, 14 Jahre später, ist die maritime Müllentsorgung längst keine Utopie mehr. Lange schon ist sie etabliert in den schmutzigsten Regionen der Welt und fischt Tag für Tag hunderte Kilo Müll aus den Meeren.

Verschiedene Schiffstypen sollen das Meer von Müll befreien

Und trotzdem: Die Menge an Müll in den Meeren scheint schier unendlich. "Wenn wir in Kambodscha oder Indonesien unterwegs sind, dann sehen wir manchmal Stellen, wo die Konzentration an Müll so hoch ist, dass man glaubt, wir schaffen das nicht", erzählt Günther Bonin im Gespräch mit watson. "Man kennt die Bilder ja."

"Wir müssen optimistisch bleiben. Wenn wir alle Pessimisten sind, können wir ja gleich aufgeben."
Gründer von "One Earth One Ocean", Günther Bonin

Aber dann fahren sie mit dem Katamaran raus, das Förderband läuft, die Mitarbeitenden sortieren – und binnen zwei, drei Stunden holen sie ein paar hundert Kilo Müll aus dem Wasser. "Was ist dann erst in zehn Stunden möglich?", fragt Bonin und ergänzt sogleich: "Man sieht – es ist alles eine Frage der Skalierbarkeit. Je mehr Leute wir einsetzen können, umso mehr schaffen wir auch."

Die Pack-an-Mentalität zieht sich durch das Leben Bonins. Selbst schier unlösbare Probleme, wie die zugemüllten Meere vom Kunststoff zu befreien, geht Bonin strategisch an: Er gründete die Organisation "One Earth One Ocean", suchte sich ein Expertenteam zusammen: Biolog:innen, Schiffskonstrukteur:innen, Metallbauer:innen und freiwillige Helfer:innen. Sein Credo: "Wir müssen optimistisch bleiben. Wenn wir alle Pessimisten sind, können wir ja gleich aufgeben."

Um die Meere bestmöglich zu reinigen, hat der Verein verschiedene Schiffstypen entwickelt:

  1. Den Seehamster, der in Binnengewässern und der Ostsee unterwegs ist.
  2. Die Seekuh, die in Küstenregionen und Flussmündungen eingesetzt wird.
  3. Und den Seeelefanten, ein Containerschiff, das den von den Seekühen gesammelten Müll übernehmen und in der im Schiff integrierten Anlage aufbereiten, sortieren, verarbeiten und unter anderem zu Öl verarbeiten soll, um das Schiff anzutreiben.

Umweltorganisation sammelt jeglichen Müll ein, nicht nur recycelbares Plastik

Jeder dieser Schiffstypen wird in speziellen Regionen eingesetzt, auf die er genauestens zugeschnitten ist. Das Gute ist: "Wir wissen genau, wann der Müll kommt und wir die Barrieren einsetzen müssen, um dann den ganzen Müll einzuholen", erklärt Bonin. Dafür setzt sein internationales Team Kameras und Satelliten ein.

"Wir sagen uns, die Fische brauchen kein Spielzeug von den Menschen, das ihnen schadet, oder überhaupt irgendwelchen Müll."
Gründer von "One Earth One Ocean", Günther Bonin

Da 80 Prozent des in den Ozeanen schwimmenden Mülls von Land stammen, sammelt der Verein allem voran an den Ufern und in Flussmündungen. Er sagt:

"Auf dem offenen Meer finden wir im Verhältnis zu dem, was wir am Ufer finden, verhältnismäßig wenig. Bei Niedrigwasser stoßen wir auf Tausende von Tonnen, das heißt, wir sammeln dort sehr effektiv."

Anders als viele andere Organisationen fischt "One Earth One Ocean" nicht nur den Plastikmüll aus den Meeren, den sie später verkaufen können – sondern alles.

Die Flüsse und Meere sind vielerorts von einem Teppich aus Müll bedeckt.
Die Flüsse und Meere sind vielerorts von einem Teppich aus Müll bedeckt.bild: one earth one ocean / Picasa

"Wir sagen uns, die Fische brauchen kein Spielzeug von den Menschen, das ihnen schadet, oder überhaupt irgendwelchen Müll", erläutert Bonin. Denn davon finde man in den Meeren und Flüssen eine ganze Menge – und nur bei einem Bruchteil davon handele es sich um Plastik. "Von 100 Kilo Müll sind vielleicht zehn Kilo Plastik, der Rest sind Fahrräder, Waschmaschinen, Decken oder so."

Eine Plastikdecke auf den Meeren hat fatale Folgen für alle

Wie viel Müll der Verein seit Beginn seiner Aktionen 2016 aus Flüssen und Meeren gefischt hat, kann Bonin nicht genau beziffern. "Aber ich sage mal so: Wir haben schon tausende Tonnen von Müll rausgeholt. Wenn man das jetzt auf den Plastikmüll beschränkt, waren es vielleicht ein paar hundert Tonnen."

Zwar sei das aufs Ganze bezogen natürlich nicht allzu viel. "Aber die Zahlen zeigen, dass man es schaffen kann. Wir haben die entsprechenden Technologien und wir können effektiv gegen diese Berge an Müll in den Gewässern vorgehen", sagt Bonin.

Allein mit dem Seeelefanten, der 2025 in Betrieb genommen werden soll, könnten 200 Tonnen Müll in Öl umgewandelt werden. Pro Tag. Bonin ergänzt:

"Man bräuchte Tausende von Seekühen, Hunderttausende von Seehamstern und Millionen von Menschen, die sich an den Müllsammelaktionen beteiligen. Ein bekannter Fußballer verdient vielleicht 100 Millionen – diese Summen bräuchten wir auch: quasi einen Fußballer für jeden großen Fluss wie etwa den Mekong oder den Nil."

Denn wenn die Wasseroberfläche der Meere mit Kunststoffen verdeckt ist, scheint die Sonne nicht mehr tief genug herein. Die Folge: Die Sauerstoffproduktion lässt nach. "Wenn wir also unser Leben und unsere schöne Erde erhalten wollen, dann ist es unsere Aufgabe, die Gewässer sauber zu halten."

Der Blick aus den Meeren heraus lässt an manchen Flecken der Welt kaum ein Stück Himmel erahnen.
Der Blick aus den Meeren heraus lässt an manchen Flecken der Welt kaum ein Stück Himmel erahnen.bild: one earth one ocean

Und zwar nicht nur die Meere.

Und nicht nur die Flüsse, sondern alle Gewässer.

Günther Bonin betont:

"Den Menschen muss klar sein, dass die Gewässer zusammenhängen. Egal, wo ich meinen Müll reinschmeiße, der kommt irgendwo anders wieder an. Die Gewässer haben keine Grenzen. Und das ist unser großes Problem, denn sobald wir den Müll nicht mehr sehen, gilt: aus den Augen, aus dem Sinn. Aber so funktioniert das nicht."
Rekord bei Zählung: Mehr Feldhasen auf deutschen Äckern und Wiesen

Die gefährdeten Feldhasen haben sich in Deutschland zuletzt deutlich vermehrt. Im Frühjahr 2023 hoppelten im Durchschnitt 19 Feldhasen pro Quadratkilometer auf Feldern, Wiesen und Äckern. "Das ist ein Allzeithoch", sagte der Sprecher des Deutschen Jagdverbandes (DJV), Torsten Reinwald, der Deutschen Presse-Agentur. Es sei der höchste Wert seit Beginn des bundesweiten Monitorings 2001.

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