Nachhaltigkeit
Vor Ort

Indigenes Volk protestiert mit deutschen Klimaaktivisten gegen Kohleabbau

Juan Pablo Gutierrez demonstriert mit Klimaaktivisten vor der kolumbianischen Botschaft in Berlin gegen Kohleabbau.
Zusammen mit deutschen Klimaaktivisten demonstriert Juan Pablo Gutierrez gegen Kohleabbau weltweit.Miriam Meyer
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"Die kolumbianische Regierung belügt die ganze Welt": Indigenes Volk protestiert mit deutschen Klimaaktivisten gegen Kohleabbau

17.11.2021, 18:37
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Mitten im Berliner Regierungsviertel dreht Juan Pablo Gutierrez den Lautsprecher in Richtung des kolumbianischen Konsulats. Er will, dass seine Botschaft auch jenseits der Mauern ankommt. Dann greift er entschlossen nach dem Mikrofon. "Die kolumbianische Regierung belügt die ganze Welt", sagt er mit fester Stimme. "Präsident Duque, es kann nicht sein, dass Sie auch in Glasgow Lügen über die Situation in Kolumbien verbreiten, während Sie die Zerstörung unseres Landes zulassen!"

"Die Yukpa kämpfen schon seit 2009 ums Überleben"
Juan Pablo Gutierrezklimaaktivist

Juan Pablo Gutierrez ist Umweltaktivist und Delegierter der Yukpa, einer indigenen Völkergruppe aus Kolumbien. Drei Tage nach Abschluss des Weltklimagipfels in Glasgow, auf dem sich sowohl die kolumbianische Regierung, als auch die USA dem Abkommen zum Stopp der Entwaldung angeschlossen haben, steht er gemeinsam mit deutschen Anti-Kohle-Aktivisten aus Lützerath vor der kolumbianischen Botschaft in Berlin. Denn die Lage für sein Volk ist ernst. "Die Yukpa kämpfen schon seit 2009 ums Überleben", appelliert er an die Gruppe an Demonstrierenden, die sich vor ihm mit kolumbianischen Flaggen versammelt hat. Viele von ihnen sind an diesem kalten Dienstagnachmittag direkt aus dem Protestcamp in Lützerath nach Berlin gekommen – um sich mit Gutierrez und dem Volk der Yupka zu solidarisieren. Sie alle verbindet dasselbe Ziel: Den Kohleabbau zu beenden, sowohl in Lützerath wie auch im Land der Yukpa in Kolumbien.

"Die kolumbianische Regierung belügt die ganze Welt"
Juan Pablo GutierrezUmweltaktivist

Auf dem Territorium der Yukpa baut seit 2009 der US-amerikanische Kohlekonzern "Drummond" mit der Genehmigung des kolumbianischen Staates Steinkohle ab. Es wurden Wälder abgeholzt und Flüsse umgeleitet. Das hat die Landschaft – und damit auch die Lebensgrundlage der Yukpa – für den Fischfang und die Jagd zerstört.

Wegen Klimaschutz aus dem Land gejagt

Gutierrez ist unfreiwillig zu ihrem internationalen Delegierten geworden: Vor fünf Jahren musste ins Exil nach Europa flüchten. Sein Protest gegen den Kohletagebau war manchen "zu laut". Zwei Mal konnte er Mordanschlägen von paramilitärischen Gruppen knapp entgehen, dann wurde er aufgrund seines Protest gegen die Kohleförderung von der Regierung als offizielles militärisches Ziel freigegeben.

Trotzdem steht er jetzt vor der kolumbianischen Botschaft in Berlin. "Gebt die Erde zurück", skandiert er zusammen mit den Aktivisten aus Lützerath. "Wir können den Kampf gegen die Kohle nur gemeinsam gewinnen!", ruft auch Lakshmi Thevasagayam, eine Aktivistin der Gruppe 'Lützerath lebt'.

Die Klimaaktivisten haben Protestplakate gegen Kohleabbau vor die kolumbianische Botschaft.
Ihre Protestplakate gegen Kohleabbau haben die Aktivisten demonstrativ vor die kolumbianische Botschaft gelegt.Bild: watson / Miriam Meyer

Sie und weitere Anti-Kohle-Aktivisten aus Lützerath haben sich vor der Fassade der Botschaft zusammengefunden, um Gutierrez und die Yukpa zu unterstützen. "Es fehlt an Solidarität in der deutschen Klimabewegung mit anderen Ländern", sagt Thevasagayam. "Deswegen ist diese Aktion hier heute so wichtig – wir müssen die Klimakrise global erzählen", erklärt sie. "Denn es hilft nichts, wenn wir den Kohleabbau nur in Deutschland stoppen" – sonst werde Kohle genutzt, die in anderen Ländern unter "noch viel krasseren Umständen" abgebaut wird. "Deshalb brauchen wir einen weltweiten Stopp für die Kohle."

Die Stimmen von indigenen Völkern erhalten auch weiterhin "keinen Wert"

Unter den überwiegend jungen Demonstrierenden sind auch drei ältere Damen aus Kolumbien. Eine von ihnen ist Mathilda Imurelik, 72 Jahre alt. "Ich bin sehr enttäuscht, dass das hier nicht mehr junge Kolumbianer*Innen interessiert, die hier in Deutschland wohnen", meint sie. "In Kolumbien hört man nichts von der Situation der Yukpa, die staatlichen Medien berichten darüber nicht." Doch seit in den letzten Jahren vor allem junge Klimaaktivisten aus anderen Ländern über Social Media auf die Situation der indigenen Völker aufmerksam gemacht haben, seien auch Kolumbianer*innen im Bilde. "Die Yukpa und auch andere indigene Völker haben aber leider auch weiterhin in Kolumbien überhaupt keinen Wert", sagt sie.

Dabei bewahren indigene Völker, die zusammengenommen nur vier Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, auf ihren Gebieten 80 Prozent der verbleibenden Tier- und Pflanzenarten. Wie ein Bericht der Menschenrechtsorganisation RRI nachzeichnet, findet sich mehr als ein Sechstel des gesamten CO2, das weltweit in Bäumen gespeichert ist, in den Wäldern auf indigenen Gebieten wieder. Damit werde Landschutz zum Klimaschutz, wie die Aktivisten von "Lützerath lebt" und "Fridays for Future" immer wieder in die Richtung der kolumbianischen Botschaft rufen.

"Gebt die Erde zurück! ¡Devuelvan la tierra!"

"Unser Kampf ist direkt mit den Yukpa verbunden", sagt auch Florian Özcan, Klimaaktivist und Organisator von "Lützerath lebt". "Die Kohlemine im Gebiet der Yukpa ist 16 Mal größer als die in Lützerath – wir haben aber hier in Deutschland das Privileg, dagegen zu kämpfen, ohne direkt dafür abgeschossen zu werden", betont Lakshimi Thevasagayam ihren gemeinsamen Einsatz. "Und deswegen wollen wir unsere Stimmen hier nutzen, um die Stimmen der Yukpa hier publik zu machen!"

Sprachrohr aus dem Exil

Sprachrohr der Yukpa zu bleiben, war auch nach seiner Flucht ins Exil Guiterrez große Mission. "Am Anfang fühlte ich mich wie ein entwurzelter Baum", erinnert er sich, während er sich gemeinsam mit anderen Aktivisten mit einem langen Protestbanner vor der Botschaft positioniert. "Doch dann habe ich verstanden, dass ich von hier aus so viel mehr tun kann, als von Kolumbien aus. Hier in Europa kann ich den Stimmen der Yukpa mehr Einfluss verschaffen – wir können strategische Allianzen mit Gruppen wie 'Lüzerath lebt', 'Ende Gelände' und 'Fridays for Future' aufbauen", erklärt er.

"Ihr teilt euer Geld mit Regierungen, die die Menschenrechte nicht achten"
Juan Pablo Gutierrez Klimaaktivist

Dass die kolumbianische Regierung nun als Ergebnis der Verhandlungen in Glasgow hohe Geldsummen zur Klimafinanzierung erhalten soll, sieht er kritisch. "Ihr teilt euer Geld mit Regierungen, die die Menschenrechte nicht achten", ruft Gutierrez. Seine Stimme schallt aus den Lautsprechern. Bisher, so kritisiert er, wären auch europäische Gelder, die zum Erhalt von Naturreservaten nach Kolumbien geschickt worden waren, nie an der richtigen Stelle angekommen. "Eure Steuern landen bei Regierungen, die die Umwelt mit ihrer Artenvielfalt nicht wirklich schützen", sagt er. Mit geballter Faust wendet er sich der Botschaft zu. "Gebt die Erde zurück!" ruft er. Die Demonstrierenden stimmen mit ein.

Hinter einem der hell erleuchteten Fenster der Botschaft nehmen die Demonstrierenden eine Bewegung wahr. Eine Frau hatte sie beobachtet. Doch als sich die Blicke der Aktivisten auf das Konsulat richten, zieht sie sich schnell wieder außer Sichtweite ins Innere der Botschaft zurück.

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