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Steuer-Anpassung bei Lebensmitteln an "Klimawirkung": Was das bringen könnte

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Viele Lebensmittel werden derzeit teurer. Bild: iStockphoto / Prostock-Studio
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Was bringt eine Mehrwertsteuer-Anpassung bei Lebensmitteln an ihre "Klimawirkung"?

04.05.2022, 15:5704.05.2022, 16:03
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Nicht nur Gas und Strom, auch zahlreiche Lebensmittel werden derzeit aufgrund der hohen Inflation und den Folgen des Ukraine-Kriegs immer teurer. Die Preise gewisser Lebensmittel könnten sich bald noch stärker verändern, denn die Bundesregierung prüft derzeit die Anpassung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln an deren Umweltverträglichkeit.

Die "Bild" berichtete aus dem Entwurf für das "Klimaschutz-Sofortprogramm 2022", dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) prüfe, "die Mehrwertsteuersätze für Lebensmittel entsprechend ihrer Klimawirkung anzupassen". Dadurch solle eine "klimafreundliche Ernährung" gefördert werden. Doch wie eigentlich? Und welche Folgen hätte die Anpassung der Mehrwertsteuer für uns im Alltag?

Was ist das Klimaschutz-Sofortprogramm?

Bis zum Jahr 2045 will Deutschland klimaneutral werden. Um dieses Ziel, das im Klimaschutzgesetz verankert ist, zu erreichen, hat die Bundesregierung mit dem Sofortprogramm 2022 zusätzliche acht Milliarden Euro bereitgestellt.

Mit diesem Geld soll eine Reihe von Maßnahmen finanziert werden, die die Folgen der voranschreitenden Klimakrise eindämmen sowie die CO2-Emissionen in verschiedenen Sektoren – unter anderem Industrie, Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft – senken soll. In diesem Zusammenhang wird auch über die Anpassung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln an ihre "Klimawirkung" diskutiert.

Welche Lebensmittel würden teurer werden, welche günstiger?

Wenn bei der Preiskalkulation für Lebensmittel die Effekte, die sie für die Umwelt und das Klima haben, berücksichtigt werden würden, ergäben sich zum Teil völlig andere Preise, als wir sie aus den Supermärkten gewohnt sind. Viele Lebensmittel müssten dann deutlich teurer sein, weil sie in der Produktion für die Entstehung von hohen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Diese "true costs" wurden beispielsweise von Tobias Gaugler und Amelie Michalke im Auftrag des Kultur- und Umweltfestivals Tollwood und der Schweisfurth-Stiftung untersucht.

Wie Quarks berichtet, haben die Forschenden für einen Penny-Supermarkt in Berlin die wahren Preise ausgewählter Lebensmittel ermittelt. Sie haben die negativen Effekte der Lebensmittelerzeugung in vier Kategorien gegliedert und die Folgen durch Stickstoff, Treibhausgase, Luftschadstoffe der Energieerzeugung und Landnutzungsänderungen berücksichtigt.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren müssten beispielsweise Molke- und Fleischprodukte deutlich teurer sein als sie es derzeit sind. Konventionell erzeugtes gemischtes Hackfleisch müsste den Berechnungen der Forschenden zufolge beispielsweise 9,67 Euro mehr kosten und gemischtes Biohackfleisch sogar 11,58 Euro mehr.

Utopia zufolge gehören Butter, Rindfleisch, Käse, Sahne, Tiefkühlpommes, Schokolade, Schweinefleisch und Geflügel zu den Lebensmitteln, die am schädlichsten fürs Klima sind – sie würden also auch teurer werden bei der Mehrwertsteuer-Anpassung.

Regionale und saisonale frische Lebensmittel, die nicht von weit her importiert werden müssen und stark verarbeitet sind, würden von der Mehrwertsteuer-Anpassung profitieren und entsprechend günstiger werden.

Welche potenziellen Vorteile hätte die Mehrwertsteuer-Anpassung?

Aufmerksamkeit für "klimafreundliche Ernährung"

Wenn sich die Preise von Lebensmitteln nach deren "Klimawirkung" richten würden, wäre es günstiger, sich klimafreundlich zu ernähren. Dadurch würde zum einen mehr Aufmerksamkeit dafür geschaffen werden, wie stark bestimmte Lebensmittel die Umwelt belasten und zum anderen würden sich viele Menschen vermutlich automatisch umweltfreundlicher ernähren – einfach, weil es günstiger wäre.

Weniger unfaire Kostenverteilung

Durch unseren Konsum von Lebensmitteln wird die Umwelt belastet. Das geschieht nicht immer auf direktem Wege, aber im Nachhinein fallen Kosten an, für die wir aufkommen müssen. Beispielsweise dann, wenn Trinkwasser gereinigt werden muss, Gebäude wieder aufgebaut und kranke Menschen gepflegt werden müssen. Die Folgen der Klimakrise, die durch unseren umweltschädlichen Konsum verstärkt werden, erzeugen Kosten, die wir nicht direkt mitbezahlen. So passiert es, dass Menschen, die in Bangladesch oder Tansania leben, für unseren Konsum "mitbezahlen" – weil sie unter den indirekten Folgen der Klimakrise leiden. Diese unfaire Verteilung von Leid und Kosten würde sich verschieben und ausgleichen, wenn wir die "true costs" zahlen würden.

Preisunterschied zwischen Bio- und konventionellen Produkten wird geringer

Die Berechnungen, die für den Penny-Markt aufgestellt wurden, haben gezeigt, dass der Preisunterschied zwischen konventionellen Produkten und solchen in Bio-Qualität geringer werden würde, wenn Lebensmittel nach ihrer "Klimawirkung" beurteilt werden. Sollte der Preisunterschied geringer sein, könnte dies für viele Menschen ein Grund sein, zu dem Produkt in Bio-Qualität zu greifen.

Welche Nachteile könnten sich ergeben?

Ausgewählte Lebensmittel werden zu Luxus-Artikeln

Vor allem Tierprodukte würden bei einer Mehrwertsteuer-Anpassung nach der "Klimawirkung" teurer werden. Damit würden Rindersteaks, Hamburger und Chicken-Wings für viele Menschen auf Dauer unbezahlbar werden. Dass Lebensmittel, die bei der Mehrheit der Deutschen regelmäßig auf dem Speiseplan stehen, von diesem nun gestrichen werden müssen, weil sie zu teuren Luxus-Artikeln geworden sind, dürfte für viel Ärger sorgen. Insbesondere für Menschen, die weniger Geld haben, kann die Preisanpassung einen erheblichen Unterschied machen.

Berechnung der Preise vermutlich kompliziert und intransparent

Wonach sich die Mehrwertsteuer-Anpassung genau richtet, welche Faktoren in die Rechnung miteinfließen und wie sie gewichtet werden, ist bisher unklar. Dass es nicht leicht sein wird, eine Formel aufzustellen, die für alle Lebensmittel gleichermaßen anzuwenden ist, dürfte jedoch klar sein. Damit könnte diese Maßnahme und die neu kalkulierten Preise nach außen als intransparent und willkürlich erscheinen. Es gibt einige Berechnungen und Studien, die den ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln ermittelt haben. Zum Beispiel vom Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg. Nicht alle Rechnungen kommen zu den gleichen Ergebnissen. Dass die Mehrwertsteuer-Anpassung zu höheren Fleisch-Preisen und geringeren Gemüse-Preisen führen würde, ist allerdings unbestritten.

(mit Material von afp)

HVO 100: Neuer Öko-Diesel soll CO2-Ausstoß deutlich senken

Bis 2030 will Deutschland seine Ziele zum Klimaschutz erreichen. Nur der Umstieg auf Elektromobilität wird dabei nicht ausreichen, um den CO2-Ausstoß im Verkehr zu reduzieren. Daher ist es wichtig, besonders die mit fossilen Energien betriebenen Motoren umweltschonender zu gestalten. Dafür eignen sich biogene Kraftstoffe.

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