Der Fall schockiert Deutschland: Am Samstag, 12. März, war ein zwölfjähriges Mädchen aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalen vermisst worden. Schon am Tag danach herrschte traurige Gewissheit: Luise ist tot. Bald stellte sich heraus, dass das Mädchen einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war.
Was besonders grausam anmutet, ist das Alter der mutmaßlichen Täterinnen. Sie sind zwölf und dreizehn Jahre alt, gingen laut Medienberichten mit Luise in eine Klasse. Die Details dieses Tötungsdelikts sind dramatisch. Selbst für die Ermittelnden ist dieser Fall ein besonderer.
Wie Daniel Gehrke, der Polizeiführer in der Vermisstensache der Polizei Siegen-Wittgenstein zum Ablauf seit dem Verschwinden mitteilte, hatten die Beamten ab Samstagabend ein Waldgebiet durchsucht. Denn: Zunächst gingen die Ermittelnden davon aus, dass Luise das Haus ihrer Freundin verlassen habe und durch einen Wald nachhause laufen wollte. Dort kam sie nie an.
Wie unter anderem "Bild" berichtet, stellten sich die Angaben der Freundin als falsch heraus. Schon bald verstrickten sich eine 13- und eine 12-Jährige, Luises Freundinnen, in Widersprüche.
Nach stundenlanger Suche wurden die Ermittelnden am Sonntagvormittag fündig: in einem Waldstück nahe einem Tunnel am ehemaligen Bahnhof Wildenburg unweit der Landesgrenze zu NRW in Rheinland-Pfalz. Dort fanden sie Luises Leichnam.
Die wegen des Fundorts des Körpers zuständigen Ermittelnden im rheinland-pfälzischen Koblenz stellten am Dienstag die Ergebnisse des Obduktionsberichtes vor. Demnach war Luise infolge zahlreicher Messerstiche und des hohen Blutverlustes verstorben. "Focus Online" berichtet von über 30 an der Zahl.
Der Tatort: Offenbar der Fundort der Leiche im Wald. Die dortige Umgebung wurde am Dienstag von mehr als 30 Beamt:innen noch einmal durchsucht. Unter anderem, um eine mögliche Tatwaffe – ein Messer – zu finden. Ohne Erfolg, wie die Staatsanwaltschaft Koblenz mitteilte.
Die Ermittelnden bestätigten am Dienstag, dass es sich bei den mutmaßlichen Täterinnen um eine Zwölfjährige und eine 13-Jährige handele. Es gebe keine "Hinweise auf eine Beteiligung sonstiger Personen", teilten die Ermittelnden mit. Dennoch werde weiter ermittelt, ob es mögliche Mittäter:innen gibt.
Laut Medienberichten haben Anwohner:innen die drei Mädchen am Samstag gesehen, wie sie zusammen in den Wald gingen. In entgegengesetzter Richtung zu Luises Zuhause in Freudenberg. Besonders tragisch: Medienberichten zufolge soll es sich bei einer von ihnen gar um ihre beste Freundin gehandelt haben.
Wegen des Alters der mutmaßlichen Täterinnen unter 14 Jahren geht die Staatsanwaltschaft von einem Fall der Strafunmündigkeit aus. Allerdings bedeute das nicht, dass "jetzt nichts gemacht" werde, betonte der leitende Oberstaatsanwalt in Koblenz, Mario Mannweiler.
Die Mädchen hätten die Tat gestanden und seien jetzt in einem "geschützten Bereich". Wie der zuständige Kreis am Mittwoch mitteilte, leben die mutmaßlichen Täterinnen nicht mehr bei ihren Familien: "Das ist auch damit verbunden, dass die Kinder nicht ihre bisherigen Schulen besuchen." Allerdings stünden sie weiterhin in Kontakt mit ihren Familien. Und: Auch für die beiden sei dies eine "ganz außergewöhnliche Situation, die viel Empathie und umsichtiges Agieren erfordert", sagte Kreis-Jugenddezernent Thomas Wüst.
Mit der Familie der getöteten Zwölfjährigen stehe das Amt ebenfalls weiterhin in Kontakt. "Sobald die Familie von Luise dies wünscht, steht das Kreisjugendamt der Familie jederzeit zur Unterstützung zur Verfügung", teilte die Verwaltung mit.
Wegen der strengen geltenden Persönlichkeitsrechte der mutmaßlichen minderjährigen Täterinnen verzichten die Ermittelnden auf die Nennung weiterer Details. Weder über das mögliche Motiv noch über die Identität der Mädchen äußert sich die Staatsanwaltschaft. Nur so viel sagte Mannweiler dazu: "Was für Kinder möglicherweise ein Motiv ist für eine Tat, würde sich einem Erwachsenen möglicherweise nicht erschließen."
Wie "Focus online" erfahren haben will, soll es sich um eine Art Racheakt gehandelt haben. Zwischen den Schülerinnen soll es demnach einen heftigen Streit im Vorfeld gegeben haben. "Bild" berichtete von Mobbing, dem Luise durch ihre angeblichen Freundinnen ausgesetzt gewesen sein soll. In Ermittlerkreisen sei wegen der Menge der Messerstiche von einer sogenannten "Übertötung" die Rede. Ein Hinweis auf eine Tat, bei der wohl Emotionen eine Rolle spielten.
Warum die 12-Jährige sich trotz angeblicher Mobbingvorfälle mit ihrer 13 Jahre alten Freundin traf, ist unklar. "Bild" zufolge sollen die beiden am 12. März gemeinsam mit einer weiteren 12 Jahre alten Freundin in den Wald gegangen sein, wo die beiden Mädchen Luise dann brutal erstochen haben sollen. Sie hätten sich an Luise rächen wollen. Und: Demnach habe die ältere der mutmaßlichen Täterinnen die jüngere dazu gezwungen, bei der Tat zu helfen. Mittlerweile sind die beiden Mädchen wieder bei ihren Familien.
Nach der Tötung seien die beiden dann wieder zu Luises bester Freundin nachhause zurückgekehrt. Dort sei die 12-Jährige dann von dessen Vater abgeholt worden. Anschließend habe die 13-Jährige laut "Bild" die Eltern von Luise angerufen, um sich nach ihr zu erkundigen. Bereits in dem Wissen, dass ihre Freundin nicht mehr lebte.
Der Schock in dem Wohnort der Mädchen sitzt tief. In Freudenberg gibt es laut Medienberichten seit Bekanntwerden der grausamen Tat kaum ein anderes Thema mehr. Die Eltern der mutmaßlichen Täterinnen sollen ihren Wohnort in Freudenberg verlassen haben.
Die drei Stühle im Klassenzimmer der Mädchen an der Esther-Bejanaro-Gesamtschule bleiben leer. Doch der "Unterrichtsbetrieb läuft planmäßig", sagte ein Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg gegenüber "Bild". Es gebe jetzt für die Klassen keinen Zwang, den Unterrichtsstoff nach Lehrplan durchzuziehen. Das Geschehene je nach Bedarf zu thematisieren sei nun wichtiger.
Die Familie von Luise hat in der "Siegener Zeitung" unterdessen eine Traueranzeige veröffentlicht. "Trauer kann man nicht sehen, nicht hören – man kann sie nur fühlen", heißt es über einem Foto des Kindes. Weiter schrieben die Angehörigen dazu: "Es gibt keine Worte, um das Unbegreifliche zu begreifen. Für uns steht die Welt still."
Am kommenden Mittwoch, dem 22. März, soll um 18 Uhr eine Gedenkfeier in der Evangelischen Kirche Freudenberg stattfinden. Wer Abschied nehmen möchte, wird in die Aula der Esther-Bejanaro-Gesamtschule eingeladen, wo die Gedenkfeier als Audiostream übertragen wird.
Die Gedenkfeier selbst finde nur "im engen persönlichen Kreis" statt. "Wir bitten sehr um Verständnis, dass Familie und Freunde Luise dort in Ruhe auf ihrer letzten Reise begleiten möchten", heißt es in der Traueranzeige.
Schnell sind nach dem tragischen Mordfall Stimmen laut geworden, die juristische Änderungen forderten. So forderte der rechtspolitische Sprecher der CDU, Günter Krings: "Auch zwölf- und 13-Jährige wissen, dass man nicht töten darf. Wir müssen daher die Debatte um eine Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit führen." In der Diskussion um eine mögliche Senkung des Strafmündigkeitsalters hat sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) nun aber zurückhaltend geäußert.
Zwar erklärter er der "Bild am Sonntag", dass "solch schwere Verbrechen" nicht "folgenlos bleiben" dürften, so müsse man aber dennoch "jede Debatte über Anpassungen im Strafrecht" mit "kühlem Kopf" führen. In Deutschland werden Kinder unter 14 Jahren strafrechtlich nicht belangt, die Rechtsordnung habe aber "bereits Mittel bereit, um auch auf schwere Gewalttaten von Kindern unter 14 Jahren zu reagieren", so Buschmann weiter.
Wissenschaftliche Erkenntnisse würden zeigen, dass Kinder eine andere Behandlung als Jugendliche oder Erwachsene brauchen, bekräftigte Buschmann sein Argument. Der Justizminister verwies in diesem Zusammenhang auf die geschlossene Unterbringung in Heimen oder in der Psychiatrie.