Er kommt, er kommt nicht; er will wechseln, er will doch nicht wechseln; der FC Bayern möchte ihn kaufen, der FC Bayern nimmt doch wieder Abstand davon. So geht das schon eine ganze Weile.
Der mögliche Transfer von Nationalspieler Leroy Sané zum FC Bayern München ist seit August vergangenen Jahres ein ständiges Hin und Her. Erst kam im Sommer eine Knieverletzung dazwischen, dann im Winter ein Beraterwechsel des Außenstürmers, der zur Folge hatte, dass Sané seine bis dato angeblich mehrfach erfolgte Bayern-Zusage vorerst widerrief.
Anfang März hieß es dann, dass die Bayern eher auf anderen Positionen Bedarf hätten und den Fokus auf Mittelfeld und Abwehr legten. Nicht zuletzt ist es eine Preisfrage: Um die 100 Millionen Euro soll sein Klub Manchester City für den 24-Jährigen verlangen.
Und jetzt ist auch noch Corona-Krise, was die Verpflichtung des ehemaligen Schalkers nicht gerade einfacher macht. Die sportliche und finanzielle Lage ist unübersichtlich, auch der reiche FC Bayern muss den Gürtel in Zeiten der virusbedingten Fußballpause enger schnallen.
Der Vorstandsvorsitzende des Rekordmeisters Karl-Heinz Rummenigge verkündete daher höchstselbst, dass nun erstmal nur mit dem vorhandenen Personal über die Zukunft verhandelt werde. Mit anderen Worten: Es macht aktuell keinen Sinn über Neuzugänge zu sprechen. Auch wenn infolge der Pandemie mit einem enormen Preisverfall auf dem Markt gerechnet wird, die Bayern haben das Thema Transfers vorerst auf "Hold" gestellt.
Einem Bericht des "Kicker" zufolge soll daher in Sachen Leroy Sané der "aktuelle Trend klar gegen" eine künftige Verpflichtung gehen. Auch, weil dessen Lust auf einen Wechsel nach München, "so verlautet aus seinem Umfeld", immer mehr schwinde. Außerdem: Bei den Bayern sollen laut dem Fachmagazin Zweifel an der Mentalität Sanés gewachsen sein. Eine Quelle nannte der "Kicker" dafür nicht.
Die Mentalität des ManCity-Profis kann sich innerhalb der vergangenen Monate kaum grundlegend geändert haben. Was sich aber in den vergangenen Monaten grundlegend geändert hat: Oliver Kahn hat seit Jahresbeginn etwas zu sagen. Der langjährige Bayern-Torwart und -Kapitän ist seit dem 1. Januar Mitglied des Vorstands beim FC Bayern. Kahn soll ab 2022 die Nachfolge von Rummenigge antreten und der mächtige Mann beim FCB werden.
Die Zweifel an Sané könnten also vor allen Dingen von Seiten Kahns kommen. Es scheint so, als sei vor allem der Ex-Weltklassetorwart nicht von Sanés Einstellung überzeugt. Er will Spieler, die charakterlich zum FC Bayern passen, setzt auf absolute Identifikation mit dem Klub, auf Teamwork. Möglich, dass Oliver Kahn Sané deswegen ablehnt.
Sané ist ein Weltklassespieler, der Spiele entscheiden kann. Einer, der die Bayern wohl ohne jeden Zweifel verstärken würde. In 134 Pflichtspieleinsätzen für ManCity traf er 39 Mal und bereitete weitere 45 Tore vor. Doch er scheint auch schnell den Boden unter seinen talentierten Füßen zu verlieren. Der Offensiv-Spieler gilt als extrovertiert, man sagt ihm teils divenhaftes Verhalten und Star-Allüren nach: Er hat sich ein Selbstportait auf den Rücken tätowieren lassen und tritt öffentlich gerne mal in auffälligen Luxusklamotten auf. Zu einem Länderspiel vor rund einem Jahr tanzte er in Balenciaga-Lammfell-Lederjacke und mit Louis-Vuitton-Rucksack an. Die "Bild" schätzte sein Outfit damals auf 25.000 Euro.
In der "Sport Bild" sagte Kahn kürzlich noch, dass am Ende immer über allem das Wohl des Klubs stehe. Laut dem Bayern-Blog "FCB Inside" gibt es auch Gerüchte, dass es in der Personalie Sané unterschiedliche Meinungen in der Führungsetage der Münchener gebe. Demnach sei Sané vor allem der Wunschspieler von Hasan Salihamidzic, Bayerns Sportdirektor. Trainer Hansi Flick hingegen schielt eher auf Leipzigs Stürmer Timo Werner und Leverkusen-Talent Kai Havertz, beide ebenfalls Nationalspieler. Möglich, dass Kahn hier auf der Seite von Flick ist und ein Machtwort gegenüber Salihamidzic gesprochen hat. Und Kahns Wort scheint immer noch Gewicht zu haben, wie schon zu seiner aktiven Zeit bei den Bayern.
Die Bayern hätten laut "Kicker"-Bericht unterdessen den Kontakt zu Werner nicht erlöschen lassen. Der ebenfalls 24-Jährige hat eine festgeschriebene Ablösesumme in seinem Vertrag bei RB Leipzig. Diese soll bei etwa 60 Millionen Euro liegen. Damit wäre er deutlich günstiger als Sané. Außerdem gäbe es bei einer festen Ablösesumme keine zähen Verhandlungen.
Medienberichten zufolge hätte der FC Bayern Werner im vergangenen Sommer für 25 Millionen Euro haben können, als dieser seinen Vertrag bei Leipzig noch nicht verlängert hatte. Doch wegen der Skepsis von Salihamidzic und Ex-Trainer Niko Kovac sollen die Bayern seinerzeit Abstand von einem Transfer genommen haben.
Werner wäre zwar nun um einiges teurer als im Sommer 2019, aber er ist dafür keiner, der durch Lammfelljacken und Diva-Allüren auffällt. Der Ex-Stuttgarter liefert seit Jahren in der Bundesliga Leistung ab und bei ihm wüssten die Bayern, was sie bekämen. Ein weiterer Vorteil Werners: Er ist flexibler als Sané, kann auf der Außenbahn spielen oder auf seiner Lieblingsposition in der Spitze Robert Lewandowski ersetzen beziehungsweise entlasten.
Aktuell sind das natürlich alles noch Gerüchte. Niemand weiß, wann der Spielbetrieb nach Corona wieder aufgenommen werden kann, niemand weiß, in welchem Ausmaß die Klubs nach der Krise bereit sind, Geld auszugeben. Und, ehrlich gesagt, weiß auch niemand so recht, ob es im Transfer-Hin-und-Her um Sané nicht doch nochmal eine weitere Wendung geben wird.
Sollte der FC Bayern aber statt Sané Timo Werner – und damit den Spieler, den Kovac und Salihamidzic damals als nicht geeignet einstuften – für mehr als den doppelten Preis kaufen, den man im vergangenen Sommer hätte bezahlen müssen, würde das untermauern, dass der künftige Bayern-Boss Oliver Kahn sich schon jetzt als neuer Was-zu-sagen-Haber profiliert – und sich innerhalb kurzer Zeit als "Lehrling" von Rummenigge schon mehr Respekt erarbeitet hat, als Salihamidzic in rund drei Jahren als Sportdirektor.
(as/mit Material von dpa)