Werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr: Herthas Ex-Trainer Jürgen Klinsmann (l.) und Manager Michael Preetz. Bild: imago images / Bernd König
Bundesliga
Wer dachte, dass nach der Flucht von Jürgen Klinsmann Ruhe in Berlin einkehrt, der irrt. Das Missverständnis entwickelt sich zu einer Schlammschlacht. Ein Protokoll über das Intermezzo von Jürgen Klinsmann bei Hertha BSC
löste nun ein weiteres Beben aus. Jetzt prüft der Bundesligist sogar
juristische Schritte.
Die beispiellose Abrechnung mit Hertha BSC in einem
Tagesprotokoll für Jürgen Klinsmann sorgt für teils heftige Reaktionen. In dem
internen Papier werden Hertha "Lügenkultur" und
"katastrophale Versäumnisse" unterstellt.
Hertha-Präsident Werner
Gegenbauer sprach in einer Reaktion auf das von der "Sport
Bild" in Auszügen veröffentlichte Dokument am Mittwoch von "schäbigen
Anschuldigungen". Manager Michael Preetz bezeichnete die Attacken als
"perfide und unwürdig". Hertha behalte sich rechtliche Schritte vor,
da der Verein Schaden genommen habe, sagte Preetz.
Preetz und Gegenbauer reagieren scharf
In der vertraulichen Bestandsaufnahme und Analyse erhebt die
Klinsmann-Seite massive Vorwürfe gegen den Hauptstadt-Klub und allen
voran gegen Sport-Geschäftsführer Preetz. Dieser betonte sichtlich
verärgert, bei der Hertha seien die Darstellungen mit großer
Betroffenheit zur Kenntnis genommen worden. Er selbst halte das aus,
verurteile die Anschuldigungen aber aufs Schärfste.
Trainer Alexander
Nouri, den Klinsmann während seines Engagements als Assistent
geholt hat, beteuerte: "Ich habe davon nichts gewusst."
Hertha-Manager Michael Preetz ist nach der Klinsmann-Ansage nicht zufrieden. Bild: imago images/tagesspiegel
Ärger wie dieser hatte der abstiegsgefährdeten Hertha nach dem
desaströsen 0:5 zuhause am vergangenen Samstag in der Bundesliga
gegen den 1. FC Köln gerade noch gefehlt. Mit seiner Art Tagebuch,
das er für sich und seinen Partner anfertigen ließ, sorgte Klinsmann
für den wohl finalen Tiefpunkt der brachial gescheiterten
Zusammenarbeit mit dem selbst ernannten "Big City Club" der Zukunft.
Bei der Übernahme der Mannschaft sei diese in einem "katastrophalen
Zustand" gewesen, hieß es unter anderem in dem Protokoll. Und auch
das: "Der Klub wäre ohne den Trainerwechsel Ende November direkt in
die 2. Liga abgestiegen, weil er auf diese Situation gar nicht
vorbereitet ist."
Klinsmann wollte Ralf Rangnick holen, dieser wollte nach Angaben in
der 22-seitigen Arbeitszusammenfassung aber nicht mit Preetz
arbeiten. Weitere Anschuldigungen gegen den Geschäftsführer folgten.
Gegen Ende kam der bislang unbekannte Protokollant des angeblich geleakten Dokuments zu dem Schluss, dass die
Geschäftsleitung sofort komplett ausgetauscht werden müsse.
Hertha-Präsident Gegenbauer schreibt Brief an Mitglieder
Hertha-Präsident Gegenbauer reagierte in einem Brief an die
Mitglieder. Auf die Vorwürfe im einzelnen will der Verein gar nicht
eingehen, "da sie entweder falsch oder einfach nur unsinnig sind",
schrieb Gegenbauer. "Eines müssen wir aber deutlich anmerken: die
schäbigen Anschuldigungen gegen die Mitarbeiter der Abteilungen
Medizin und Medien weisen wir entschieden zurück."
Die medizinische Betreuung sei beispielsweise "ohne jegliche Dynamik,
zerstritten, inkompetent, den Anforderungen des modernen
Profifußballs nicht gewachsen". Man versuche ständig, Spieler krank
oder verletzt zu reden, "damit die eigene Wichtigkeit unterstrichen
wird", heißt es in dem Schreiben.
Auch Preetz ging auf die Attacken auf die beiden Abteilungen explizit
ein. Mit ruhiger Stimme wies er sie "aufs Schärfste" zurück und
sprach von "gleichermaßen widerlichen wie unverschämten Angriffen".
Der 52 Jahre alte ehemalige Mittelstürmer betonte zudem, dass
Klinsmann die Anschuldigungen selbst während seiner Zeit in Berlin
nicht geäußert habe.
Fehler von Klinsmann nicht im Protokoll zu finden
Für Hertha seien weder der Inhalt des Schreibens noch die Art und
Weise des Vorgehens seitens Klinsmanns und seiner Berater André Gross
und Roland Eitel nachvollziehbar, unterstrich Gegenbauer. "Schon der
Rücktritt von Jürgen Klinsmann via Facebook-Post und auch der Versuch
der Einordnung seiner Entscheidung einen Tag später via
aufgezeichnetem Facebook-Live-Video stehen aus unserer Sicht für
sich und bedürfen keines weiteren Kommentars", schrieb der
Hertha-Präsident. Nun dürfe der Klub Zeuge sein, wie der Coach
"abermals versucht, mit absurden Behauptungen seinen Rücktritt zu
rechtfertigen".
Hertha-Präsident Werner Gegenbauer schrieb einen Brief an die Mitglieder.Bild: reuters / ANNEGRET HILSE
Klinsmann war zunächst in den Aufsichtsrat von Hertha für Investor
Lars Windhorst eingezogen. Am 27. November vergangenen Jahres
übernahm Klinsmann nach der Trennung von Ante Covic den
Trainerposten. Was folgte, waren sportlich gesehen drei Siege, drei
Remis und drei Niederlagen in der Liga sowie das Ausscheiden im
Achtelfinale des DFB-Pokals.
In der Winterpause ging Klinsmann auf Shopping-Tour und ließ für
knapp 80 Millionen Euro neue Spieler verpflichten. Am 11. Februar
erklärte er sein Engagement völlig überraschend wieder für beendet
und stürzte den Verein nach ohnehin schon turbulenten Wochen und
Monaten ins Chaos.
Schon bei seinem Engagement 2008/09 beim FC Bayern München war er vor
Ablauf der Saison gescheitert. Fehler, die Klinsmann in seiner kurzen
Zeit gemacht haben könnte, wurden in dem bemerkenswerten Protokoll
nicht thematisiert.
(bn/dpa)
Während Platz eins in der Bundesliga mit Bayer Leverkusen bereits feststeht, ist in der laufenden Saison noch einiges offen. Etwa der Platz des Vizemeisters. Der VfB Stuttgart kann in diesem Jahr ganz vorne mitmischen, aktuell liegt er mit 63 Punkten punktgleich mit dem FC Bayern auf dem dritten Rang.