Karl-Heinz Rummenigge schlägt Alarm: "Mache mir größte Sorgen um die Fußball-Kultur." Bild: www.imago-images.de / Martin Ewert
Sport
Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge sieht bei länger anhaltenden Geisterspielen in der Corona-Krise enorme Gefahren für den Fußball. "Wenn wir nicht bald wieder Fans in den Stadien haben, dann befürchte ich, wird der Fußball großen Schaden erleiden", sagte der Vorstandschef des FC Bayern München der "Bild am Sonntag". Mit der Entwöhnung der Fans drohe der Verlust der Fußball-Kultur, befürchtet der 65-Jährige.
Außerdem äußerte er finanzielle Sorgen. Wie allen Vereinen entgehen auch dem FC Bayern wichtige Einnahmen durch leere Stadien, erklärte der Bayern-Boss und nannte konkrete Zahlen. Die Summen, die dem Verein in einer Saison durch die Lappen gehen, sind demnach enorm. "In der Summe sprechen wir tatsächlich über rund 100 Millionen Euro Mindereinnahmen", bilanzierte Rummenigge. Mit Blick auf die internationale Konkurrenz erklärt er:
"In ganz Europa verliert jeder Club zwischen 50 und in der Spitze 200 Millionen Euro in einer Saison, die er ohne Zuschauer spielen muss. Wie lange das ein Fußball-Club aushält, das kann man sich an fünf Fingern abzählen."
Die Stadt München hatte zuletzt mitgeteilt, dass wegen gestiegener Corona-Zahlen Fußball-Spiele in der bayerischen Landeshauptstadt mindestens bis zum 25. Oktober ohne Fans stattfinden. In anderen Bundesliga-Stadien wurde eine geringe Anzahl an Fans dagegen schon wieder zugelassen. Bundesweit ist in der Testphase bis Ende Oktober eine Auslastung von maximal 20 Prozent der jeweiligen Stadien-Kapazität erlaubt.
Rummenigge fordert einheitliche Lösung für Fan-Rückkehr
Es gebe "ein top Konzept" für die Fan-Rückkehr, das auch mit der Stadt München abgestimmt sei, sagte Rummenigge. "Aber wir sind absolut von politischen Entscheidungen abhängig, wie das ganze Land. Und wenn die politischen Entscheidungen so getroffen werden, dann ist man schon ein Stück ohnmächtig."
Allein auf leeren Rängen: Die Chefs des FC Bayern würden sich über Gesellschaft im Stadion freuen.Bild: www.imago-images.de / Sammy Minkoff
Außerdem kritisierte er die Parameter zur Bewertung der Pandemie im Hinblick auf die Rückkehr von Zuschauern. So werde nur der hohe RKI-Inzidenzwert der Stadt bewertet, aber nicht der der angrenzenden Landkreise. In den Landkreisen sei der Inzidenzwert nämlich wesentlich geringer, als in der Stadt München. "Aber bei uns kommen maximal 20 Prozent der Zuschauer aus der Stadt München", erklärt Rummenigge und fordert: "Wie im Konzept der DFL vorgesehen, brauchen wir bei zwei Parametern eine bundesweit einheitliche Lösung."
Bei einem Abbruch der Saison würde Rummenigge einen Kollaps der Liga befürchten. "Das würden mehrere Bundesligisten nicht überleben", befürchtet er. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesliga in der jetzigen Form dann noch in der Zukunft weiterbestehen könnte. Schon bei den jetzigen Voraussetzungen gibt es Gerüchte, dass einige Clubs insolvenzgefährdet sind."
Kritik am DFB: Rummenigge sieht Wertewandel und falsche Prioritäten
Auch für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) hat Rummenigge kein gutes Wort übrig. Er habe einen "gewissen Wertewandel" festgestellt, sagte er im Interview mit "Bild am Sonntag" – und meint das negativ. Nach dem Titelgewinn bei der WM 2014 sei versucht worden, "diesen großen Erfolg finanziell auszunutzen", sagte der Vorstandsvorsitzende.
Dazu zählten auch die großen Sponsoren-Verträge. "Ich weiß von unseren Spielern, dass es bei jedem Länderspiel vermehrt Sponsoring-Termine gab. Aber wer im Fußball tätig ist – egal ob bei einem Club oder beim DFB -, muss auch den Fußball exklusiv in den Mittelpunkt stellen."
Rummenigge tut "der arme Jogi Löw" leid
Rummenigge und Bundestrainer Jogi Löw machen sich um die Zukunft des DFB Gedanken. Bild: www.imago-images.de / bPeter Schatz
Derzeit "überwiegen beim DFB Interessen abseits des Fußballs", sagte Rummenigge. Bundestrainer Joachim Löw, den er als "der arme Jogi Löw" bezeichnet, habe das Freundschaftsspiel am vergangenen Mittwoch gegen die Türkei (3:3) bestreiten müssen, "damit Geld in die Kassen kommt, angeblich fehlen 15 Millionen Euro", sagte Rummenigge. "Was sind 15 Millionen im Vergleich zu dem, was die Bundesliga-Clubs verlieren?" Das Problem sei: "Geld, Vermarktung und Politik haben Priorität, aber nicht der Fußball."
Der DFB, der vergangene Woche durch die Razzia der Frankfurter Staatsanwaltschaft erneut erschüttert worden war, müsse "dringend in ruhiges Fahrwasser zurückkehren", sagte Rummenigge. "Das ist die primäre Aufgabe von Präsident Fritz Keller." Die Ermittler werfen einzelnen ehemaligen und aktuellen DFB-Funktionären vor, Erlöse aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Nationalmannschaft in den Jahren 2014 und 2015 bewusst falsch versteuert zu haben.
(lau/mit Material von afp und dpa)
Von außen zuschauen, während sich die Kollegen auf dem Platz austoben: Das kennt Marco Reus nur zu gut. Jahrelang plagten den BVB-Star in regelmäßigen Abständen mal größere, mal kleinere Verletzungen. Eine solche brachte ihn 2014 etwa um die WM-Teilnahme, folglich auch um den Titel.