Sport
Fußball-Kolumne

HSV gegen St. Pauli: Polizeigewalt wird durch strukturelle Probleme begünstigt

HSV Fans Fanblock Zuschauer Ultras HH Ost Clique du Nord Forza Pyro Pyrotechnik Feuer Ausschreitungen Deutschland , Hamburg , Millerntorstadion , Fussball , 2. Fussball Bundesliga , FC St Pauli - Hamb ...
Vergangene Woche trafen der 1. FC St. Pauli und der Hamburger SV im Stadtderby aufeinander.Bild: IMAGO / Oliver Ruhnke
Fußball-Kolumne

Gewalt vor Hamburger Stadtderby – weshalb das massive Polizeiaufgebot Teil des Problems ist

In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
22.10.2022, 10:2928.01.2023, 09:26
Mehr «Sport»

Am vergangenen Spieltag mussten wir am Rande des Hamburger Stadtderbys beängstigende Szenen von Polizeigewalt miterleben. Auf zahlreichen Videos, die seither in den sozialen Medien kursieren, ist deutlich zu erkennen, wie Spezialeinheiten der Polizei in die Menge stürmen, um Verdächtige festzusetzen. Durchaus rücksichtslos, denn es kam zu Verletzten unter Fans und Zuschauern. Besonders erschreckend sind Bilder, auf denen am Boden liegende Fans zu sehen sind, die Prügel von Polizisten einstecken müssen.

Die Vereinsführung des FC St. Pauli bezog umgehend Stellung und kritisierte die überzogene Härte der Polizei. Via Twitter wurde bereits am Freitag um 17.25 Uhr – etwa eine Stunde vor Spielbeginn – die Frage nach der Verhältnismäßigkeit dieses unsäglichen Polizeieinsatzes gestellt.

Fanforscher Harald Lange.
Kolumnist Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft.bild: privat / Uni Würzburg
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 55-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"

Die Szenen vom Hamburger Stadtderby machen Angst

Überzeugende Antworten oder gar Entschuldigungen der politisch Verantwortlichen fehlen bislang. Stattdessen veröffentlichte die Hamburger Polizei eine Pressemitteilung, in der sie das Vorgehen aus ihrer Sicht bewertet. Demnach waren insgesamt 1400 Polizisten im Einsatz, um die Sicherheit der Zuschauerinnen und Zuschauer zu gewährleisten. Zentrales Ziel des gigantischen Einsatzes bestand darin, die Trennung der beiden Fan-Lager zu gewährleisten, um gewalttätigen Auseinandersetzungen vorzubeugen.

Unsicher wurde die Lage vor Spielbeginn allerdings tatsächlich erst in dem Moment, als die Polizei losrannte, um dieses Ziel umzusetzen. Nach Polizeiangaben liefen zuvor 250 Personen, die als St.-Pauli-Fans eingeordnet wurden, in Richtung des von HSV–Anhängern organisierten Fan-Marsches.

"Ich denke, dass das Hamburger Beispiel als Anlass genommen werden muss, um über die Logik und Konzeption von Polizeieinsätzen ins Gespräch zu kommen."

Der Rest ist bekannt: Die Polizei verfolgte die vermeintlichen Pauli-Fans, verhinderte das Aufeinandertreffen beider Fan-Lager und nahm einige Personen, die sich an diesem "Lauf" in Richtung HSV-Fan-Marsch beteiligt hatten, fest. Diskussionswürdig scheint mir die Konsequenz, mit der die St. Pauli Anhänger festgenommen wurden.

Denn die Polizei verfolgte diese mit aller Härte, obwohl sie längst vom Ort des Geschehens flüchteten und sich unter die tausenden vor dem Stadion wartenden Zuschauer mischten. Die im Netz kursierenden Videos, Fotos und Berichte von Betroffenen machen Angst. Nicht nur vor vermeintlich gewaltbereiten Fußballfans, sondern vor Polizeibeamten, die mit einem Knüppel auf einen überwältigten, am Boden liegenden Fan eindreschen.

Polizeigewalt wird durch strukturelle Probleme begünstigt

Diese Angst müssen wir ernst nehmen, denn sie richtet sich gegen Polizisten, die nach unserem Selbst- und Demokratieverständnis genau für das Gegenteil stehen sollten: Die Polizei soll uns helfen, Schutz und Sicherheit bieten und vor allem Ängste nehmen. Genau das leisten Polizeibeamte im ganzen Land auch tagtäglich in ihrer anspruchsvollen Arbeit. Selbstverständlich, professionell und mit großem Einsatz.

Genau deshalb ist es nicht hinzunehmen, dass Polizei am Rande von Fußballspielen immer wieder Grenzen überschreitet. Es gibt sehr gute Gründe, die dafür sprechen, dass wir es hier mit einem strukturellen Problem in der Planung von Polizeieinsätzen im Fußball zu tun haben. Die beteiligten Beamten prügeln sicherlich nicht aus einer Laune heraus auf Fans und Zuschauer ein. Ich denke, dass das Hamburger Beispiel als Anlass genommen werden muss, um über die Logik und Konzeption von Polizeieinsätzen ins Gespräch zu kommen.

"Anstatt immer weiter aufzurüsten, ist es aus meiner Sicht allerhöchste Zeit, neue Sicherheitskonzepte umzusetzen."

Immerhin zeigt uns der Hamburger Polizeieinsatz, dass selbst die gigantische Zahl von 1400 Polizisten nicht ausreicht, um ein Fußballspiel zu sichern. Mehr noch: Ich meine, dass diese Polizeidominanz Teil des Problems gewesen ist. Wir müssen nach anderen Möglichkeiten der Deeskalation suchen. Wenn Polizisten in die Lage gebracht werden, auf Fans einzuprügeln, ist das zugrunde liegende Sicherheitskonzept offenbar untauglich.

Deshalb klingt auch die am Mittwoch veröffentlichte Forderung des Hamburger Landesverbandes der Polizeigewerkschaft, Fußballvereine an den Kosten von Polizeieinsätzen zu beteiligen, unangebracht. Anstatt immer weiter aufzurüsten, immer mehr (Staats-) Macht zu demonstrieren und immer höhere Kosten zu verursachen, ist es aus meiner Sicht allerhöchste Zeit, neue Sicherheitskonzepte umzusetzen.

FC Bayern sucht neuen Trainer: José Mourinho nennt klare Bedingung für Anstellung

Der April biegt bereits auf die Zielgerade ein, der FC Bayern sucht trotzdem noch immer nach einem Trainer für die neue Saison. Nach all den Absagen sowie dem Einzug ins Halbfinale der Champions League gab es zuletzt gar Gerüchte, dass Thomas Tuchel doch über den Sommer hinaus bleiben könnte.

Zur Story