So oder so ähnlich ging es Wolfsburgs Stürmer Divock Origi, der im Interview mit dem ZDF-Sportstudio offenbaren musste, dass er Relegationsgegner Holstein Kiel gar nicht kennt. Sein Trainer Bruno Labbadia fand das im Nachhinein "nicht optimal".
Wolfsburgs Kapitän Paul Verhaegh meinte: "Das ist vielleicht nicht so super gelaufen. Normalerweise sollte man den Verein kennen, wenn man ein bisschen den Fußball verfolgt."
Aber seien wir mal ehrlich! Bis vor ein paar Jahren haben doch auch die eingefleischtesten Fußballfans zuerst an "Holzbein Kiel" und das Wochenmarkt-Gebolze aus "Werner Beinhart" gedacht, wenn sie Holstein Kiel hörten...
Während die Millionentruppe des VfL Wolfsburg eher über individuelle Klasse kommt, zeichnet sich Holstein Kiel durch Torgefahr und Teamgeist aus.
Mit 71 Treffern stellten die Kieler die stärkste Offensive der Liga. Neben Torschützenkönig Marvin Ducksch (18 Tore) trafen auch Dominick Drexler und Kingsley Schindler zweistellig (je 12). Zudem kassierte Kiel als eingeschworenes Team die wenigsten Niederlagen (6) in der 2. Liga. Etliche Profis spielten schon zu drittklassigen Zeiten an der Förde und träumen nun vom Durchmarsch in die deutsche Eliteklasse. Auch wenn Holstein Kiel gegen Wolfsburg natürlich deutlicher Außenseiter ist.
Kiels Trainer Markus Anfang fühlt sich in der Rolle des Underdogs wohl. "Wir haben keinen negativen Druck. Wir sind nicht in der Pflicht, aufzusteigen. Wir wollen diese Situation einfach genießen", sagte er: "Wir wollen Ergebnisse erzielen, damit wir etwas Historisches schaffen."
Holstein Kiel wurde im Jahr 1900 gegründet und ist bis heute ein eingetragener Verein. Damit sind die Störche 45 Jahre älter als der VfL Wolfsburg, der 1945 gegründet wurde und seit 2007 eine hundertprozentige VW-Tochter ist.
Der Ursprung des Klubs geht einher mit der steigenden Fußballbegeisterung in Deutschland um die Jahrhundertwende. Zwei aus Süddeutschland stammende Studenten sollen den Fußballsport in Kiel eingeführt haben.
Insgesamt verbrachte der Verein 60 Jahre in der Erstklassigkeit – allerdings keines davon in der 1963 gegründeten Bundesliga. 15 Jahre spielte Holstein in der Zweitklassigkeit, 31 Jahre in der Drittklassigkeit. Acht Jahre sogar in der Viertklassigkeit.
In der ewigen Tabelle der 2. Bundesliga (1974 bis heute) verbesserte sich Holstein Kiel durch seine sensationelle Saison seit Juli 2017 übrigens von Platz 86 auf 66 – Kiel stieg erst im vergangenen Sommer zum allerersten Mal in die eingleisige 2. Liga auf.
Der Club ist erst in der vergangenen Saison aus der 3. Liga aufgestiegen. Entsprechend niedrig ist das Gehaltsbudget des Zweitligisten: Etwa 6,2 Millionen Euro. "Das sind etwa zwei Top-Spieler unseres Gegners", sagte Kiels Sportlicher Leiter, Ralf Becker, im "Sport Bild"-Interview.
Und der Relegationsgegner? Wolfsburg bekommt vom Mutterkonzern Volkswagen pro Jahr rund 60 bis 70 Millionen Euro zugesteckt.
Dem Portal transfermarkt.de zufolge beträgt die Marktwert-Summe aller Spieler von Holstein Kiel 14,53 Millionen Euro.
Zum Vergleich: Der Spielerkader des VfL ist rund zehnmal so viel Wert wie der von Holstein. Laut transfermarkt.de haben die 29 Wolfsburg-Spieler einen Gesamtmarktwert von 142,85 Millionen Euro.
Die Kieler Ducksch, Drexler und Schindler sind also zusammen so wertvoll wie der Durchschnittsmarktwert der Wolfsburger...
Holstein Kiel war schon einmal Deutscher Meister! Das liegt aber mehr als hundert Jahre zurück. Am 26. Mai 1912 feierte Kiel den Titel. Im Finale der Deutschen Meisterschaft schlug man den Karlsruher FV in Hamburg vor 9000 Zuschauern mit 1:0.
Wolfsburg war 2009 Meister. Das weiß vielleicht sogar Divock Origi...
(as/sid/dpa)