Sport
Fußball International

Calhanoglu, Naki und die Besiktas-Fans – so steht türkischer Fußball zu Erdogan

Fußball International

Calhanoglu, Naki und die Besiktas-Fans – so steht der türkische Fußball zu Erdogan

15.05.2018, 12:49
Mehr «Sport»

Sie stehen da und könnten offenbar stolzer nicht sein: Mesut Özil und Ilkay Gündogan auf dem Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der Schnappschuss sorgt in Deutschland für Empörung – die augenscheinlich klaren Statements für das umstrittene Staatsoberhaupt der Türkei werden heiß diskutiert.

"Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden", schrieb DFB-Präsident Reinhard Grindel bei Twitter. "Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen."

"Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen", beteuerte Gündogan bereits in einer Erklärung. Doch der ManCity-Star und Özil wären nicht die ersten türkischen Fußballer, die sich klar pro Erdogan positionieren – der Sport in der Türkei ist gespalten.

So stehen Stars, Klubs und Fans zum Präsidenten des 80-Millionen-Landes:

Spieler:

Arda Turan (31 / Basaksehir)

Arda Turan of Basaksehir during the Turkish Super league match between Galatasaray and Basaksehir at Turk Telekom Stadium in Istanbul , Turkey on April 15 , 2018. Final Scores : Galatasaray 2 - Basaks ...
Bild: imago/Seskim Photo

Turan präsentiert offen seine Bewunderung für den umstrittenen türkischen Präsidenten – Erdogan war im März 2018 Trauzeuge bei Turans Hochzeit. Schon bei Turans erster Hochzeit 2013 war der Politiker zu Gast – und der Star-Fußballer verbot eigens den Ausschank von Alkohol, bis Erdogan die Feier wieder verließ. 2017 unterstützte der Ex-Barça-Star das angestrebte Präsidialsystem Erdogans mit der Botschaft "Für eine starke Türkei. Ich bin dabei."

Hakan Calhanoglu (24 / AC Mailand)

Db Milano 08/03/2018 - Europa League / Milan-Arsenal / foto Daniele Buffa/Image nella foto: Hakan Calhanoglu PUBLICATIONxNOTxINxITA
Bild: imago/Gribaudi/ImagePhoto

Auch Calhanoglu sprach sich 2017 für das von Erdogan angestrebte Präsidialsystem aus, erklärte in einem Video: „Für unser Vaterland, für unser Volk, für unsere große Türkei bin ich auch dabei“ – und zog sich damit den Unmut seines damaligen Arbeitgebers Bayer Leverkusen zu. „Wir haben mit dem Spieler über das Video gesprochen und ihm auseinandergesetzt, dass Äußerungen politischer Natur problembehaftet sein können“ erklärte ein Bayer-Sprecher damals. Und: „Wir haben ihm geraten, sich künftig in derartigen Fragestellungen mit Meinungsäußerungen zurückzuhalten.“

Gökhan Töre (26 / Besiktas Istanbul)

Bild
Bild: imago/Seskim Photo

Calhanoglu bezog sich in seinem Video auf einen Aufruf von Ex-HSV-Profi Gökhan Töre, der seinen früheren Bundesligakollegen nominiert hatte: "Gökhan, mein Bruder. Ich habe deine Nachricht bekommen." Auch bei Töres Hochzeit war Erdogan zu Gast.

Deniz Naki (28 / Amed SK)

Deniz Naki, hier noch im Trikot des FC St.Pauli
Deniz Naki, hier noch im Trikot des FC St.PauliBild: imago/Baering

Der ehemalige Pauli-Star spielt seit 2015 beim Klub in der türkischen Provinz Diyarbakir – mit traditionell zahlreichen kurdischen Fans. Naki sprach sich schon während seiner Stationen in Deutschland für ein kurdisches Selbstvestimmungsrecht aus, erzürnte damit türkische Nationalisten. 2015 widmete er seinen Siegtreffer im türkischen Pokal-Achtelfinale den kurdischen Opfern im Konflikt mit der Türkei – und wurde vom türkischen Verband für zwölf Spiele gesperrt.

Im Januar 2018 eskalierten die Spannungen, als auf ihn ein Anschlag verübt wurde. Auf der A4 wurde auf Nakis Auto geschossen, der Stürmer veröffentlichte später Fotos der Einschusslöcher. Vor wenigen Wochen sperrte der türkische Verband Naki lebenslang und beschloss dazu eine Geldstrafe von 58.000 Euro – wegen "ideologischer Propaganda". Eine Rückkehr in die Türkei scheint damit ausgeschlossen.

Trainer:

Aykut Kocaman (53 / Trainer Fenerbahce)

Coach Aykut Kocaman of Fenerbahce during the Turkish Superlig match between Fenerbahce and Bursaspor at Ulker Stadium in Istanbul , Turkey on May 05 , 2018. PUBLICATIONxNOTxINxTUR
Bild: imago/Seskim Photo

Der frühere Star-Stürmer (140 Treffer als Aktiver für Fener zwischen 1988 und 1996) fand im selben Zusammenhang mahnende Worte: "Spieler und Trainer dürfen nicht in das Spielfeld der Politik eintreten. Meine Empfehlung an die Spieler ist, sich für soziale Projekte einzusetzen, aber dabei nicht nur zu Vertretern einzelner Parteien zu werden", sagte der damalige Konyaspor-Trainer 2017.

Und: "Unter unseren Fans und Unterstützern befinden sich Menschen aus allen Ethnien, politischen Kreisen und Kulturen. Wir gehören zu niemandem. Wir dürfen niemanden ausschließen." Selbst für diese besänftigenden Aussagen wurde Kocaman in den sozialen Medien beschimpft und als "Verräter" beleidigt.

Vereine:

Galatasaray-Fans

Anhänger der "Löwen" fielen bereits mehrfach mit Anti-Erdogan-Aktionen auf: Als der Politiker bei der Eröffnung des neuen "Gala"-Stadions 2011 zu Gast war, wurde er von den Fans mit einem gellenden Pfeifkonzert empfangen. Ähnlich nach dem Derby gegen Fenerbahce im Oktober 2017: Ministerpräsident Binali Yildirim ordnete eine Untersuchung gegen Galatasaray an – wegen eines Fan-Banners, das Rocky Balboa und den Schriftzug "Steh auf" zeigte. Denselben Spruch nutzte zuvor Erdogan-Gegner Gülen. Allerdings gelten weite Teile der Fans der "Gelb-Roten" eigentlich als Erdogan-Anhänger.

Besiktas-Fans

Die größte Fan-Gruppe "Carsi" nutzt das "Anarchie"-Symbol (ein "A" über einem Kreis) und ist politisch weit links. Viele aus der Fangruppe waren an den Protesten gegen den Umbau des Gezi-Parks in Istanbul beteiligt, 35 von ihnen wurden später von der türkischen Justiz angeklagt – wegen eines angeblichen Putschversuchs. Im Dezember 2015 wurden alle Mitglieder freigesprochen, doch seitdem gilt die Bewegung als eingeschüchtert, trat kaum noch öffentlichkeitswirksam in Erscheinung.

Medipol Basaksehir

Der Spitzenklub spielt im "Recep Tayyip Erdogan"-Stadion – und gilt nicht nur deswegen als heimlicher Lieblingsklub des Staatsoberhaupts. Nach einem 2:0-Heimsieg in der Champions-League-Qualifikation gegen den FC Brügge im August 2017 feierten die Spieler in der Kabine mit "Erdogan"-Rufen. Klubpräsident Göksel Gümüsdag ist mit einer Nichte von Erdogans Ehefrau verheiratet, Erdogan selbst stand beim Eröffnungsspiel "seines" Stadions selbst auf dem Platz, trug die Rückennummer 12 – die seitdem nicht mehr vergeben wird. Der Inhaber von Hauptsponsor Medipol – ein Krankenhausbetreiber – gilt als Erdogan-Vertrauter.

So konnte sich der Verein (erst 1990 gegründet und 2014 umbenannt) auch teure Spieler wie Emmanuel Adebayor, Gökhan Inler oder Gael Clichy leisten. Dazu gab es bereits in der vergangenen Saison 2016/17 Mutmaßungen über eine Vorzugsbehandlung des Klubs durch den türkischen Fußballverband: Torwart Volkan Babacan wurde nach einem tätlichen Angriff auf Journalisten nur für eine einzige Partie gesperrt, ebenfalls beteiligte Ersatzspieler allerdings für fünf Partien.

Legenden:

Hakan Sükür (46)

Die türkische Torjäger-Legende (130 Pflichtspieltore für Galatasaray, 51 Länderspieltreffer) war ein früher Unterstützer Erdogans – der damalige Bürgermeister von Istanbul traute Sükür und seine erste Ehefrau sogar live im türkischen Fernsehen. 2011 wurde das Idol sogar ins türkische Parlament gewählt – als Mitglied von Erdogans AKP.

Bild
Bild: imago Team2

Knapp zwei Jahre später aber kam es zum Bruch: Sükür – ein Unterstützer der Erdogan-kritischen Gülen-Bewegung – trat aus der AKP wegen ihres Umgangs mit dem Prediger aus, agierte dann als parteiloses Parlamentsmitglied. Die Fronten verhärteten sich, 2016 wurde Sükür wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt, die Vorwürfe gingen noch weiter: Sükür wurde die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen und landesweit zur Fahndung ausgeschrieben. Bereits seit 2015 lebt Sükür im Exil in den USA, eröffnete im letzten November ein Restaurant im kalifornischen Palo Alto.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei t-online.

Carrie Schreiner über die F1-Academy: "Leider kam die Serie etwas zu spät"

Susie Wolff hätte es kaum drastischer formulieren können. "Wenn das nicht funktioniert", sagte Wolff über die neu gegründete F1-Academy, "dann funktioniert gar nichts".

Zur Story