DIe Bayern-Fans protestierten bereits während der laufenden Bundesliga-Saison gegen das Katar-Sponsoring. bild: IMAGO / ULMER Pressebildagentur
Fußball
In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt der Fanforscher Harald Lange exklusiv auf watson über die Dinge, die Fußball-Deutschland aktuell bewegen.
09.07.2022, 13:3728.01.2023, 09:34
Die Bosse des FC Bayern München haben einen runden Tisch eingerichtet, an dem man sich am Montag dieser Woche zum Diskurs getroffen hat. Das Ergebnis stand offensichtlich bereits vorher fest: Es galt, dem anwesenden kritischen Fan Michael Ott, der das Katar Sponsoring im Rahmen der letzten Jahreshauptversammlung der Bayern mit einem Antrag basisdemokratisch kippen wollte, zu erklären, dass man auf keinem Fall aus dieser – für beide Seiten profitablen – Geschäftsbeziehung aussteigen werde.
"So wie der Profifußball derzeit aufgestellt ist, bewirkt er politisch, kulturell und sozial gar nichts. Weder in Katar, noch anderswo."
Für diesen Zweck hatten die Bayern prominente Fürsprecher eingeladen. Neben Hassan al-Thawadi, dem Cheforganisator der WM 2022, nahm auch SPD-Politiker und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel einen der 10 Plätze am Tisch ein und ließ in der Sache keinen Zweifel aufkommen: Er "staune" über die Kritik und stellte klar heraus: "Wir sollten uns nicht auf ein hohes moralisches Podest stellen, sondern Katar im Reformprozess unterstützen."
Das Staunen des Ex-Politikers wirkt strategisch und passt zur Haltung der Bayern-Bosse in dieser Sache. Es scheint, als wollten sie das Geld aus dem Wüstenstaat in jedem Fall mitnehmen und die Stimme der Basis ihres Vereins nicht wahr- oder ernst nehmen.
Dort beurteilt man das Thema weitaus differenzierter und vor allem kritischer als Sigmar Gabriel, Oliver Kahn und die anderen Bayern-Bosse das tun. Deshalb wirken deren Metaphern des vermeintlich "hohen Moralpodests" ebenso wenig wie die naive Annahme, dass der Profifußball aufgrund seiner wertebasierten "Kraft" in Sachen Menschenrechte irgendetwas bewirken könne.
Über den Autor
Harald Lange ist seit 2009 Professor für Sportwissenschaft an der Universität Würzburg. Er leitet den Projektzusammenhang "Fan- und Fußballforschung" und gilt als einer der bekanntesten Sportforscher in Deutschland. Der 53-Jährige schreibt und spricht täglich über Fußball, auch in seinem Seminar "Welchen Fußball wollen wir?"
Profi-Fußball wirkt sich nicht positiv auf Verhältnisse in Katar aus
So wie der Profifußball derzeit aufgestellt ist, bewirkt er politisch, kulturell und sozial gar nichts. Weder in Katar, noch anderswo. Er dient allein dem Zweck, Geld zu machen und als Imageträger verkauft zu werden! Das kann man gut oder schlecht finden. Aber die Behauptung, die WM-Vergabe würde sich positiv auf den politischen und sozialen Verhältnisse in Katar auswirken, muss als Verhöhnung der toten Arbeiter auf den WM-Baustellen aufgefasst werden.
"92,4 % sehen den DFB überfordert, wenn es darum geht, klare Kante bei der Einhaltung von Menschenrechten zu benennen."
Wie bei jeder These kommt es auf die Perspektive an. Meine ist eine andere als die des Ex-Politikers Sigmar Gabriel, denn wir haben an der Uni Würzburg am Tag der Inszenierung des runden Tisches beim FC Bayern eine repräsentative Studie unter 3429 Fußballfans zum Thema Katar-WM vorgelegt.
Diesmal wollten wir wissen, wie die Fans das Sponsoring sehen und liefern Ergebnisse, die das Staunen Sigmar Gabriels noch weiter vergrößern werden.
WM-Sponsoren drohen negative Auswirkung durch Katar
66,2 % der Fans wünschen sich einen Boykott dieser WM und 92,4 % sehen den DFB überfordert, wenn es darum geht, klare Kante bei der Einhaltung von Menschenrechten zu benennen.
Bayern-Fans Michael Ott sorgte mit seiner Kritik am Katar-Sponsoring bei der Hauptversammlung des FC Bayern für Aufregung. bild: IMAGO / Sven Simon
Ein fatales Bild, das sich auch auf die Bewertung der Sponsoren niederschlägt. Gerade die WM-Sponsoren kaufen sich durch ihr Engagement in Katar ein negatives Image ein (71,8 %). Die Abneigung bei den Fans geht sogar so weit, dass 58,2 % der Fans in Deutschland negative Auswirkungen auf ihre Kaufbereitschaft feststellen. Damit erreicht das Sportsponsoring das exakte Gegenteil von dem, was es erreichen will.
Die WM-Sponsoren wären also gut beraten, während des Turniers unsichtbar zu bleiben oder aber ihr Engagement öffentlich aufzukündigen. Andernfalls drohen Umsatzeinbußen.
FC Bayern könnte mehr verlieren als einnehmen
Und was macht der große FC Bayern? Holt sich Lobbyisten an den Tisch und tut so als würde es in Wirklichkeit kein Problem geben. Die Bayern-Bosse machen gerade eine Rechnung ohne ihre Mitglieder und Fans.
Mit Blick auf unsere Studie können wir davon ausgehen, dass sie dadurch weitaus mehr verlieren als sie durch die Katar Dollar einnehmen. Sigmar Gabriel wird auch darüber staunen. Aber wem gelingt es in diesen Tagen schon Gespür zu zeigen, wenn es um sportpolitische Grundsatzfragen geht? Ich erwarte eine wertebasierte "klare Kante" anstelle des naiven Staunens.
Der Name Kees van Wonderen sorgte, wie es der Name schon vermuten lässt, am Samstagabend für viel Verwirrung. Dass der 55-jährige Niederländer künftig den FC Schalke trainieren wird, verursachte selbst bei den letzten Fußball-Nerds Stirnrunzeln und Fragezeichen über den Köpfen.