Der FC St. Pauli kultiviert auf vielen Ebenen den Widerspruch als Markenkern. Inmitten der Debatte um den Investoreneinstieg in die DFL bereitet der Klub aus Hamburg eine Alternative in der Beschaffung zusätzlicher Liquidität vor. Auf Sankt Pauli wird es keinen klassischen Investor geben, der irgendwann den Return of Invest einfordern oder erwirtschaften will.
Stattdessen fabuliert man über die Idee einer Genossenschaft und hat in dieser Woche eine Umfrage zur Justierung des Genossenmodells unter Fans, Mitgliedern und Sympathisanten gestartet. Ich habe mitgemacht und alle Fragen wahrheits- und gefühlsgemäß beantwortet.
Der Klub gefällt mir und ich wäre durchaus bereit einen genossenschaftlichen Anteil zu kaufen. Möglicherweise hätte ich auch Freude daran, Versammlungen der Fußball-Genossen zu besuchen und mit anderen gemeinsam für oder gegen bestimmte Projekte und Entwicklungen abzustimmen.
Der Clou: Laut aktueller Umfrage könnten 250 Euro genügen, um einen Anteil und damit volles Stimmrecht in der Genossenschaft zu erwerben.
Selbstverständlich kann man auch mehr zahlen. Beispielsweise zehn, hundert oder gar tausend Anteile kaufen. Alles Ausdruck von Verbundenheit, Sympathie und Hoffnung auf Genossenrendite. Mehr aber auch nicht.
Denn egal, wie viele Anteile du auch erwerben kannst, jeder Genosse wird am Ende des Tages nur eine Stimme in den Versammlungen haben. Und genau an dieser Stelle gründet der formale Unterschied zu den Investorenmodellen, die wir von 1860 München oder Hertha BSC kennen.
Bei Sankt Pauli sollen sich alle Genossen auf Augenhöhe begegnen und unabhängig vom Umfang ihres finanziellen Inputs darüber debattieren, streiten und entscheiden, wohin die Reise des Klubs gehen soll. Demgegenüber sitzen in den Plastikklubs ausschließlich Geschäftsleute und Vertreter der Investoren an den Schaltstellen. Sie wollen vor allem auf Grundlage ihres wirtschaftlichen Sachverstands bestimmen, wohin die Entwicklung des betroffenen Fußballklubs geht
Bei Hertha BSC und den Löwen aus München ist das vollends in die Hose gegangen. Bei Hoffenheim und Leipzig ist die Rechnung zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht aufgegangen und bei Wolfsburg und Leverkusen hat man sich irgendwie an die Grauzone gewöhnt.
Schade, dass die Genossenschaftsidee bei St. Pauli bislang nur auf die Sicherung der Infrastruktur ausgelegt ist. Auf die strategischen Fragen der sportlichen Entwicklung werden die Genossen nur indirekt Einfluss nehmen können. Aber schauen wir mal, was aus der Umfrage herauskommen wird. Da werden gegenwärtig mögliche Motive des Einstiegs von Genossen abgefragt und wir können davon ausgehen, dass sich das Geschäftsmodell des Vereins an den Ergebnissen dieser Umfrage ausrichten wird.
Mit Blick auf die Formulierungen in diesem Fragebogen kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand allein wegen einer denkbaren Rendite Genossenschaftsanteile kaufen wird. Stattdessen werden Fußballromantik und Oppositionsgehabe das Zünglein an der Waage beziehungsweise Geldbörse potenzieller Genossen sein.
Das ist ein überaus kluger Schachzug im Zirkus Profifußball. Sankt Pauli wird damit einerseits frisches Geld in seine Kassen spülen und andererseits sein Image als Alternativklub nachhaltig aufpolieren.
Die Bundesliga lebt in ihrem Unterhaltungswert von den Unterschieden und Rivalitäten der 36 Klubs und die Manager des FC St. Pauli machen ihren Job in diesem Spiel ganz ausgezeichnet. Vielen Dank für dieses Genossenmodell, das mich noch nicht überzeugen kann, aber definitiv den Unterhaltungswert des Produkts Bundesligafußball erhöht.