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Interview
22.06.2018, 13:5819.07.2018, 11:35
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"Packing" war das (Un)Wort der EM 2016. So ziemlich jeder sprach und schrieb über die damals neue Analyse-Methode, die die ARD zum Turnier in Frankreich neben der gängigen Statistikwerte wie Torschüssen oder Eckbällen erstmals präsentierte.
Was ist Packing?
Ex-Profi Stefan Reinartz stellte fest, dass die herkömmlichen Parameter wie Ballbesitz, Eckbälle und Torschüsse wenig bis keine Aussagekraft für die Effizienz einer Mannschaft haben.
Also entwickelte er 2014 eine neue Methode, um die Spielstärke von Spielern oder Mannschaften darzustellen: Er nannte es "Packing".
Packing ermittelt, wie viele Verteidiger ein Spieler überspielt. Der Gedanke: Ein Fußballer, der – ob durch Pass oder Dribbling – an vielen Gegnern vorbeikommt, ist ein guter Spieler. Diese Qualität kann Packing messen. Für den Wert spricht eine hohe Erfolgsrate: Laut den Packing-Schöpfern soll das Team, das in einem Spiel besser "packt", mit einer Wahrscheinlichkeit von 86 Prozent punkten.
Packing werde den Fußball revolutionieren, hieß es. ARD-Experte Mehmet Scholl sprach gar vom "Heiligen Gral, nach dem lange und vergeblich gesucht wurde." Packing schaffte es, dass sogar der "Postillon" das Analyse-Tool für seine Satire-Texte aufgriff.
Zwei Jahre später scheint es Packing nie gegeben zu haben. Was wurde aus der statistische Fußball-Revolution?
Watson fragte bei Lukas Keppler nach. Der 30-jährige ist neben Ex-Profi Stefan Reinartz der Co-Chef der Packing-Mutter "Impect GmbH". Er verrät, dass "Packing" alles andere als tot ist und lediglich zum "Netflix für Vereine" werden will.
Was wurde aus "Packing"?
Lukas Keppler: Medientechnisch ist es
seit der EM um uns ruhiger geworden. Für RTL lieferten wir die Werte bei den
WM-Qualifikationsspielen und die Sportschau nutzt sie wöchentlich – wenn es
auch nur für ein Spiel ist. Das geht in der Berichterstattung aber fast schon
ein bisschen unter. Die Zusammenarbeit mit Medien haben wir selbst nicht mehr
so forciert, weil wir den Fokus auf das Klubgeschäft legen. Wir arbeiten
derzeit mit acht Bundesligavereinen zusammen (Anm. d. Red.: Leverkusen, Frankfurt, Mainz, Hoffenheim, Gladbach, Stuttgart, Schalke, Hannover) und launchen im Sommer ein
Scouting-Portal.
Lukas KepplerBild: privat
Was für ein Portal ist das genau?
Bislang haben wir ja nur
die Daten der Fußball-Bundesliga erhoben. Jetzt ist es aber für uns möglich zu
sagen, wer zum Beispiel der effektivste Rechtsverteidiger in Frankreich in der
ersten und zweiten Liga ist oder wer die besten defensiven Mittelfeldspieler in
den Niederlanden und Belgien sind.
Wir haben jetzt also nicht mehr nur die
Infos zu den großen Turnieren, sondern decken ab nächster Saison auch zehn bis
zwölf Ligen sowie die Europa League, Champions League und Jugendturniere ab.
Das ist für uns der nächste große Schritt.
Es wird eine spannende
Zeit, weil wir erstmals auch auf internationale Vereine zugehen können. England
wird der erste Markt sein, den wir angehen werden.
Das Angebot richtet sich also nicht mehr an Fans, sondern an die Klubs. Ein Netflix für Vereine?
Ja, das kann man so sagen. Unser Ziel ist es, den Vereinen eine möglichst
präzise Vorauswahl der effektivsten Spieler eines Wettbewerbs zu liefern. Neben
unseren Statistiken kann man sich auch die dazugehörigen Szenen des Spielers
im Video anschauen. Mit verschiedenen Gewichtungen kann man die Suche auf die
eigenen Bedürfnisse anpassen, zum Beispiel dass einem die
Balleroberungswerte eines Offensivspielers wichtig sind, weil das eigene Spiel
sehr auf Pressing ausgelegt ist. Oder Bayern München schaut nach einem Sechser,
der sehr ballsicher ist und viele Gegner überspielt.
Die Daten können
natürlich auch für die Gegneranalyse verwendet werden. So können sich die Teams
auf den Gegner einstellen und beispielsweise herausfinden, welcher gegnerische
Innenverteidiger das bessere Aufbauspiel hat.
Welche deutschen Spieler
muss man im Fokus bei der WM haben, weil sie so gute Packing-Werte haben?
Das ist kein Geheimnis, aber Joshua Kimmich ist da absolut herausragend und hat
Philipp Lahms Fußstapfen mehr als ausgefüllt. Vor allem, was er in der
Offensive abreißt, ist jetzt bereits Bundesliga-Spitze. Bei den Deutschen stehen
ja viele sehr gestandene Jungs auf dem Platz: Bei Toni Kroos oder Thomas Müller
muss man nicht mehr aufzeigen, auf welchem Niveau sie seit Jahren agieren. Gespannt
sind wir auf das erste große Turnier von Timo Werner, der seit zwei Jahren
einer der interessantesten Stürmer der Bundesliga ist. Mit seiner Explosivität
und seinen tiefen Laufwegen öffnet er immer wieder Räume für seine Mitspieler,
von denen die gesamte deutsche Offensive profitieren wird.
Kimmichs Werte auf einen Blick:
Bild: impect
Wer noch?
Weil zuletzt viel darüber gesprochen wurde: Ein möglicher Ausfall von
Jerome Boateng würde schon sehr schmerzhaft für das deutsche Team sein, weil er
herausragende Daten im Spielaufbau abliefert. Es ist fraglich, ob das ein Süle
eins zu eins auffangen kann – in der Bundesliga kann er es noch nicht. Außer
Hummels kommt keiner der Innenverteidiger in der Bundesliga an die Daten von
Boateng heran.
Bisherige Top-"Packer" bei der WM:
Gibt es einen Spieler,
den du vermisst, weil er so gute Packing-Werte hat?
Mitchell Weiser, der
jetzt von Hertha nach Leverkusen wechselt, weist seit Jahren ein sehr hohes bis
herausragendes Niveau in Berlin nach. Bei Hertha hat er nicht nur die meisten
Gegenspieler, sondern auch Verteidiger überspielt, was für einen Verteidiger sehr
ungewöhnlich ist. Er initiiert sowohl den Spielaufbau und leitet auch
gleichzeitig die meisten gefährlichen Angriffe ein. Unter den deutschen
Außenverteidigern ist in der Bundesliga nur Kimmich besser.
Wen Lukas Keppler noch vermisst:
Mitchell Weiser
Überspielt im Schnitt 55 Gegner pro Spiel (Rang 2 unter
allen Außenverteidigern in der Bundesliga hinter Joshua Kimmich). Damit ist er der Hauptverantwortliche für Herthas
Vertikalspiel.
Kai Havertz
Ermöglicht als Anspielstation das Überspielen von 63 Gegnern
pro Spiel (Rang 5 unter allen offensiven Mittelfeldspielern hinter Bayers
Offensive um Raumdeuter Müller, Coman und James Rodriguez sowie Teamkollege Julian
Brandt). Dies schafft er durch kluge Laufwege und gutem
Raumverhalten, was unter Rücksicht seines Alters einfach herausragend ist.
Philipp Max
Gehört neben Gregoritsch und Finnbogason zu den
Leistungsträgern in Augsburg. Er überspielt im Schnitt 41 Gegner, womit er zwar
nur auf Rang 18 unter allen Außenverteidigern platziert ist. Interessanterweise
ist er aber damit immer noch der effektivste deutsche Linksverteidiger.
Dies unterstreicht aber auch, dass die Position des
Linksverteidigers die wahrscheinlich größte Baustelle bei Jogi Löw ist.
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Noch am Donnerstag erklärte Julian Nagelsmanns Berater Volker Struth, dass eine Entscheidung um die Zukunft des Bundestrainers "in den nächsten fünf, sechs, sieben" Tagen fallen werde. Gleichzeitig bestätigte er, dass er sich auch in Gesprächen mit Bayern München befinde.