Sport
Interview

Interview mit Tommi Schmitt von "Gemischtes Hack" über Borussia Mönchengladbach

Tommi Schmitt siegte an diesem Abend nur am Kicker.
Tommi Schmitt siegte an diesem Abend nur am Kicker.bild: Hanko ye
Interview

"Fußball ist zu heilig für Comedy" – mit Autor Tommi Schmitt beim Borussia-Spiel

07.03.2019, 12:2507.03.2019, 16:02
Mehr «Sport»

Witze schreiben, sich Quatsch ausdenken und dafür gutes Geld kassieren – Tommi Schmitt lebt das Leben, von dem jeder Klassenclown träumt. Auch wenn du Tommi Schmitt nicht kennst, hast du bestimmt schon einmal über einen Witz von ihm gelacht.

Der 30-Jährige ist Autor für diverse TV-Sendungen, zum Beispiel von Luke Mockridge oder Klaas Heufer-Umlaufs Show "Late Night Berlin". Im derzeit gehyptesten Podcast "Gemischtes Hack" spricht er jede Woche mit Comedian Felix Lobrecht über die wirklich lustigen Dinge im Leben. Nur über Fußball und seine Borussia (aus Mönchengladbach) redet er nie. Ich will genau das mit ihm tun.

Ich treffe mich am Samstag mit ihm in der "FC Magnet Bar" in Berlin Mitte. Mönchengladbach spielt gegen den FC Bayern München. "Ich gehe hier öfter hin, wenn ich in Berlin bin und Borussia gucken will", sagt er. Die Kneipe ist in Gladbacher Hand, nur Bayerns Ehrenpräsident Franz Beckenbauer blickt von einem Poster in den dunklen Raum, der nur durch die TV-Bildschirme mit Licht versorgt wird. Wir bestellen Bier und wärmen uns am Kicker auf.

Tommi Schmitt hat keinerlei Probleme mit meinen lausigen Skills und fertigt mich 10:1 ab. "Talentiert sind wir beide nicht", sagt er wohlwollend. "Aber ich musste das ein wenig lernen, weil wir bei meiner Zeit bei Borussia im Büro viel gespielt haben."

Tommi Schmitt zieht unseren Redakteur ab.
Tommi Schmitt zieht unseren Redakteur ab.bild: hanko ye

Bevor Schmitt bei einem der erfolgreichsten deutschen Podcasts mit über 500.000 wöchentlichen Hörern zu hören war, machte er nach seinem Journalismus-Bachelor ein Volontariat in der Presseabteilung seines Lieblingsvereins.

Im Interview mit watson erzählt er, warum Comedy und Fußball nicht zusammenpassen, wie er einen MLS-Profi zum Fußballgott machte und warum er auch ein bisschen glücklich ist, nicht mehr für die Borussia zu arbeiten.

watson: Bastian Schweinsteiger hat dir vor einigen Tagen eine Videobotschaft mit Verweis auf euren Podcast gesendet. Ist er schon "Gemischtes Hack"-Hörer?
Tommi Schmitt:
Ja, das war verrückt. (lacht) Ich weiß gar nicht genau, ob er selbst "Gemischtes Hack" hört. Aber ich hoffe es doch. Sein Teamkollege bei Chicago Fire, Fabian Herbers Fußballgott, sagte mir aber, dass er ihm den Podcast gezeigt hat. Das Video war schon krass, weil Schweini als Sportler über allem steht. Es gibt nicht viele Leute, bei denen ich starstrucked bin, aber bei ihm schon.

Fabi Herbers war lange selbst Fußballexperten kein Begriff, du hast den MLS-Profi aber zum Fußballgott auserkoren und damit zu einer größeren Bekanntheit gebracht...
Das ist eine lustige Geschichte. Ich kannte ihn vorher überhaupt nicht. Er hatte mir auf Instagram einen sehr langen, melancholischen Text geschrieben, dass er gerade durch Philadelphia läuft, sich die Stadt anguckt und dabei unseren Podcast hört. Weil er einen blauen Haken hat, habe ich dann mal geschaut, wer mir da überhaupt geschrieben hat. Und dann sah ich, dass er ein deutscher Fußballer ist, der in der MLS kickt. Ich dachte dann, dass das doch ganz witzig wäre, den abzukulten, zunächst einfach aus Comedy-Gründen. Aber der Typ ist wirklich großartig, hat sehr viel Humor und versteht die Sozialen Medien sehr gut. Ja und jetzt muss Jogi bald mal reagieren und den Jungen einladen, wenn es was mit der EM 2020 werden soll.

Bild
bild: hanko ye

Und Herbers macht euren Podcast in der MLS groß?
Ich glaube, er wollte eigentlich zum Studieren in die USA, weil er seinen Traum als Profi schon abgehakt und in Deutschland in der vierten Liga oder so gespielt hatte. Und dann war er auf dem College so gut, dass er in die MLS wechselte. Jetzt berichtete schon die Sportschau über ihn und die Verbindung zu unserem Podcast. Das amüsiert mich schon sehr.

Als Vollblut-Borusse müsste dein eigentlicher Fußballgott doch Gladbach-Ikone Igor Demo sein?
Demo ist unvergessen. Aber mittlerweile ist unser Fußballgott ja Tony Jantschke – wobei mein Lieblingsspieler Oscar Wendt ist. Der ist auf dem Boden geblieben, ein cooler Typ, macht das, was er kann und hat natürlich auch Kultstatus samt eigenem Song. Den die Kölner mit Anthony Modeste übrigens nachgemacht haben. Aber deren Text ist zugegebenermaßen leider auch lustiger.

Du wohnst in Köln, kommst aus Ostwestfalen. Wie bist du Gladbach-Fan geworden?
Den Verein sucht man sich ja nicht aus. Das passiert einfach. Teile meiner Familie sind aus dem Rheinland und Gladbach-Fans. Der Cousin meines Vaters hatte mir einen Borussia-Schal geschenkt, als ich vier Jahre alt war. Dazu gab es noch das grüne Diebels-Trikot in S. Bis heute erzählt mir mein Vater, dass ich das damals voller Stolz angezogen und vorm Spiegel gesagt habe: "Super, ein Langarm-Shirt!" Später habe ich gemerkt, dass das ein Kurzarm-Shirt war und ich einfach nur zu klein. Fortan war ich Gladbach-Fan und bin dauernd zum Bökelberg gefahren.

Nach dem Studium hast du den Traum eines jeden Fans gelebt und bei deinem Lieblingsverein angeheuert...
Ja, nach dem Journalismus-Studium habe ich bei Borussia ein Volontariat in der Presseabteilung gemacht. Das war groß. Es war Arbeit, die sich nie wie Arbeit angefühlt hat. Ich konnte bei meinem Club auf dem Rasen stehen und zu Marc-André ter Stegen, Juan Arango oder Granit Xhaka rübergehen, um mit ihnen fürs Vereinsmagazin ein Interview zu führen oder irgendwelche Medientermine zu koordinieren. Innerlich hatte ich dabei immer noch das kleine Diebels-Trikot an. Das waren zwei ganz besondere Jahre. Bei Borussia arbeiten wirklich geile Leute. Das war eine tolle Zeit, aber ich war dann auch froh, dass es dann irgendwann vorbei war.

Warum?
Jetzt nicht wegen des Vereins oder der Leute, die waren super. Ich wollte einfach nochmal studieren. Zudem habe ich in der Zeit ein wenig das Fan-sein verloren. Der Zauber verschwindet einfach ein bisschen, weil du das Business kennenlernst, hinter die Kulissen schaust und es keine Geheimnisse mehr gibt. Es verliert dieses Unbekannte. Das ist menschlich. Ich habe anschließend knapp ein Jahr Abstand gebraucht, um wieder eine ausgeprägte Leidenschaft zu entwickeln. Jetzt bin ich wieder so verrückt nach Borussia wie früher.

Was hat die Borussia, was andere nicht haben?
Natürlich kann ich da nicht ganz objektiv sein, aber ich denke, Gladbach macht vor allem aus, dass der Verein seriös geführt wird und sehr familiär ist. Das fängt schon bei der Spielerauswahl an: bei Borussia gibt es keine, auf gut deutsch, "asozialen" Spieler. Stindl, Kramer, Sommer, Strobl, Ginter, Elvedi – das sind lauter Schwiegersöhne, die aber auch dagegen halten können, wenn sie müssen. Gladbach hat nicht mal einen Spieler mit Tattoos, oder? (lacht)

Noch so ein Schwiegersohn: Tommi Schmitt.
Noch so ein Schwiegersohn: Tommi Schmitt.bild: hanko ye

Ich glaube, das ist alles Kalkül. Da steckt viel Max Eberl drin, weswegen der auch so wichtig ist und ihm so viele VfL-Fans vertrauen. Ich auch. Ich bin genauso großer Fan von Eberl wie von Gladbach. Ich stehe auf Kontinuität und Ruhe. Und die strahlen er und mein Verein seit Jahren aus.

Wie sieht ein Spieltag mit Tommi Schmitt aus?
Ich zähle die Tage bis zum Spiel und freue mich wie ein kleines Kind, das Weihnachten nicht mehr abwarten kann. Ich mag die Vorfreude. Das, was vor dem Spiel passiert, mag ich fast noch lieber als das Spiel selbst. Dieses Knistern in der Luft. Die Anspannung. Spieltag! Herrlich. Vorher mit Freunden treffen, Bierchen trinken, Liedchen singen.

Singen gehört dazu?
Ich trage keinen Schal oder Trikot, weil meine Stimmbänder meine Fanartikel sind (lacht). Singen gehört dazu, ja. Das ist auch nicht asozial, das ist Fußballkultur. Ich kann aber natürlich nachvollziehen, dass das Leute nicht verstehen, die samstags um 14 Uhr an der Straße stehen, einen Bus voller singender Menschen an ihnen vorbei fahren sehen und sich denken: "Was für asoziale Idioten". Entweder man wird mit dem Arbeitersport Fußball sozialisiert oder eben nicht. Ich steh’ nun mal im Bus und bin einer von denen. Im nächsten Leben stehe ich wahrscheinlich draußen und schüttel mit dem Kopf.

Ein Spieltag ist für mich totale Erholung. Mit Freunden ins Fußballstadion gehen, ist mein Wellness-Wochenende. Bis das Spiel dann beginnt, dann kommt die Angst.

Die Angst?
Ja, irgendwie schon. So ein Spiel ist für mich eigentlich kein Spaß, da schwingt 90 Minuten die Angst mit, dass mein Team verliert. Bei so wichtigen Spielen, wie beispielsweise dem WM-Finale zwischen Deutschland und Argentinien oder bei einem Derby gegen den 1. FC Köln, da fühle ich mich während der Partie wie kurz vor einer Klausur, die ich bestehen muss, um nicht exmatrikuliert zu werden.

Fußball und Comedy passt also nicht so gut zusammen?
Nee, das passt nicht zusammen. Klar, es gibt Comedians, die Fußballer imitieren und es gibt auch gut geklickte Videos auf Sportbible oder so. Mich ödet das aber an. Ich kann mir auch keinen Stand-Up-Comedian vorstellen, dessen Programm aus Fußball besteht. Oder eine "witzige" Fußballshow im TV. Sowas will ich nicht sehen. Es ist auch nicht lustig, wenn da am Spieltag Sky-Experten mit Axel Witsel-Perücken auf dem Kopf sitzen.

Fußball ist dafür zu ernst. Zu wichtig. Der ist viel zu heilig für Comedy. Fußball ist für mich vielmehr Tragödie als Komödie.

Es gibt also mehr Schmerz als Spaß?
Ich frage mich oft, warum Fußball die erfolgreichste Sportart der Welt ist. Ich glaube, das liegt daran, dass Fußball so stark mit Glück, Zufall und Leiden behaftet ist. Fußball ist ein sehr einfacher Sport. Aber unberechenbar. Im Fußball kann ein Sechstligist gegen den FC Bayern gewinnen, weil der vielleicht fünfmal gegen den Pfosten schießt. Im Handball kann der krasse Underdog nie gegen den THW Kiel gewinnen, in der Formel 1 konnte ein Minardi keinen Ferrari schlagen, ein viertklassiger Spieler wird Novak Djokovic nicht in Wimbledon besiegen.

Tommi Schmitt erklärt unserem Redakteur die Abseitsregel.
Tommi Schmitt erklärt unserem Redakteur die Abseitsregel.bild: hanko ye

Fußball ist wie eine Soap, wie Theater. Du weißt oft nicht, was passiert. Auch, weil er so unfair ist und die bessere Mannschaft eben nicht zwingend gewinnen muss. Negativstrudel und Erfolgssträhnen haben dabei auch ganz viel mit Glück zu tun. Das wird oft vergessen. Das liebe ich. Und das hasse ich. Und deshalb gehe ich immer wieder hin. Sowieso ist ständiger Erfolg nicht die Maxime vom Fußball.

Wie meinst du das?
Ich beneide keinen Fan von Bayern oder Barcelona, was wollen die denn noch erreichen und feiern? Wovon wollen sie sich noch überraschen lassen? Dieser ständige Erfolg befriedigt dich auf Dauer doch nicht. Das ist wie im Leben. Du brauchst diese Täler als Fan und Spieler, damit du wieder für einen neuen Angriff motiviert bist.

Das hört sich komisch an, aber das Beste, was dir passieren kann, ist so eine Saison wie von Borussia Dortmund vor ein paar Jahren, wo du knapp vorm Abstieg gerettet wirst. In dem Moment ist das richtig ekelhaft, aber daraus entsteht etwas. Was meinst du, wie motiviert die deutsche Nationalmannschaft ins erste Gruppenspiel der Europameisterschaft 2020 geht? Die wollen es jetzt nach der verkorksten WM allen zeigen. Und das ist doch geil, das macht es doch aus.

Merkst du in Gladbach, dass die Fans anspruchsvoller durch den Erfolg geworden sind?
Meine subjektive Sorge ist: Je besser Borussia wird, desto schlechter wird die Stimmung. Es wachsen nun mal gerade Fans heran, die Gladbach nur als Europapokal-Aspiranten kennen. Die Borussia mit der ich groß geworden bin, war gegen 14 von 17 Bundesligateams immer der Underdog. Das prägt total. Ich stand noch in Offenbach, Aue und Koblenz im Gästeblock und habe Borussia gesehen. Du merkst aktuell schon, dass nun weniger gesungen wird oder bei einem 0:0 gegen Augsburg die Leute in der 70. Minute anfangen zu pfeifen.

Tommi Schmitt zeigt an, in welcher Liga der 1. FC Köln spielt.
Tommi Schmitt zeigt an, in welcher Liga der 1. FC Köln spielt. bilde: hanko ye

Das ist schade, aber in jedem Verein dasselbe Problem, wenn es ständigen Erfolg gibt. Der Fluch der guten Tat. Ich stand damals im strömenden Regen in Freiburg und habe das Team beim Auslaufen bejubelt, weil wir einen Punkt geholt haben. Da haben sich die Ansprüche schon geändert. Aber versteh mich nicht falsch: ich find das natürlich großartig, dass wir wieder so gut sind. Ich feiere jeden Sieg und genieße diese Saison.

Wie oft müssen dir deine Arbeitskollegen sagen, dass du jetzt aufhören sollst über Fußball zu reden?
Bei "Gemischtes Hack" rede ich nicht über Fußball, weil das viele Hörer einfach nicht interessiert. Da bin ich Dienstleister. Und Felix hat nicht ganz so viel Ahnung von Fußball (lacht). Er liebt einfach nur Cristiano Ronaldo oder zieht mich auf, wenn Borussia gegen Hertha BSC verloren hat. Aber klar, generell nimmt Fußball schon einen großen Teil meiner Gesprächsthemen ein. Auch im Job. Zum Glück merke ich aber ziemlich zügig, ob da jemand Bock drauf hat oder ich ihm oder ihr damit auf den Sack gehe. Dann können wir auch gerne über den Klimawandel, Überhangmandate, die Dublin-II-Verordnung oder die Kardashians sprechen.

Du weißt, was jetzt noch kommt oder? In jeder Folge "Gemischtes Hack" kürt ihr einen Lifehack, einen "underrated Hack" mit unterschätzen und einen "overrated Hack" mit überschätzten Dingen im Leben. Lass uns doch eine Fußball-Spezial-Folge machen! Schieß los!
Haha, ok! Also ich hätte einen Stadionwurst-Lifehack: Ketchup darauf verteilen und die Wurst dann im Brötchen um 360 Grad drehen. So hast du die Soße rundum verteilt.

Underrated Hack?
Weiße Tornetze. Ich hasse schwarze oder grüne Tornetze. Schlägt der Ball in den engen Maschen eines weißen Tornetzes ein, sieht die Hütte gleich dreimal so schön aus.

Overrated Hack?
VfL Wolfsburg.

Das Spiel geht 5:1 für den FC Bayern München aus. Tommi Schmitt ist nicht traurig. "Ich freu mich schon auf das Spiel gegen Düsseldorf – da habe ich Karten und ich zähl schon die Tage".

Also Prost, das Leben geht weiter.

Bild
bild: hanko ye

Was im Sport gerade noch alles wichtig ist:

Alle Storys anzeigen
Schalke 04: Königsblau hat zwei neue Spieler im Visier

Lange musste Schalke 04 in dieser Saison bangen. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga drohte der direkte Absturz in die Drittklassigkeit. Deshalb wurde bereits im September reagiert, als sich die Königsblauen von Trainer Thomas Reis trennten. Anfang Oktober übernahm der Belgier Karel Geraerts.

Zur Story