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Ukraine-Krieg: Ukrainer verwirklicht irre Idee – um Soldaten zu unterstützen

Dmytro Sharov während seiner Tour auf dem Jakobsweg.
Dmytro Sharov joggte und sammelte damit Spenden, um seine Landsleute in der Ukraine zu unterstützen.Bild: Privat / Privat
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Um Soldaten zu unterstützen: Ukrainer verwirklicht irre Lauf-Idee am Jakobsweg

19.05.2023, 11:57
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Sichtlich erschöpft spricht er im Schneetreiben in die Handykamera. Stapft durch den Schnee irgendwo im Norden Spaniens, geht immer wieder auch ins Joggingtempo über. Dmytro Sharov hat etwas gemacht, was eigentlich viele Menschen machen – aber nicht im Winter. Und schon gar nicht in so einem Tempo.

Der Ukrainer startete am 24. Februar und ist den Jakobsweg gelaufen. Besser gesagt: gejoggt. Innerhalb von zwölf Tagen ist er die französische Route abgelaufen, insgesamt absolvierte er 771 Kilometer, also rund 60 am Tag. Die längste Etappe brachte er mit rund 92 Kilometern am letzten Tag hinter sich.

Aktion hat wohltätigen Hintergrund

Was sich nach einem verrückten Vorhaben und Extremsport anhört, hat allerdings einen ernsten Hintergrund. Sharov kommt aus der Ukraine, wurde in Kropyvnytskyi geboren und lebte länger in Kiew. Den Lauf des Jakobsweg machte er, um Geld zu sammeln und damit seinen Landsleuten im Kriegsgebiet aus der Entfernung zu helfen.

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Denn: Als der Krieg 2022 im Februar anfing, befand sich Sharov mit seiner Freundin im Urlaub in Spanien. In den Tagen vor der russischen Invasion hatten sich beide noch um rechtzeitige Flüge in die Heimat bemüht, sie bekamen aber erst für den 26. Februar welche. Also zwei Tage nach Kriegsbeginn. Als die Ausreise für Männer aus der Ukraine verboten wurde, sagten sie ihre Rückkehr ab und entschieden sich dazu, in Europa zu bleiben. Über Freunde kamen sie erst nach Bochum, dann nach Berlin.

"Als ich nach Berlin kam, war es frustrierend, weil ich niemanden kannte. Deshalb habe ich einen Triathlon-Klub gesucht und bin bei 'Gorillas and Butterflies' gelandet", schildert Sharov seine Anfangszeit in Berlin gegenüber watson. Gemeinsam mit seiner Freundin trainiert er viel. Schon in der Ukraine waren sie aktive Hobby-Triathleten.

In Deutschland nahm der Trainingsumfang für Sharov aber ab. Aus zwei Gründen. Mit einem Lächeln erklärt er, dass er älter und weiser geworden sei und gelernt habe, dass sich der Körper erst in den Ruhephasen an das Training anpasse. Zusätzlich hat der Trainingsrückgang aber auch mit dem Ukraine-Krieg zu tun.

Zu seinem Triathlon-Training gehören auch regelmäßig längere Ausfahrten mit dem Rennrad.
Zu seinem Triathlon-Training gehören auch regelmäßig längere Ausfahrten mit dem Rennrad.Bild: Privat / Privat

Im Gespräch mit watson spricht er von Zweifeln: "Ich mache mir viele Gedanken zum Krieg in meiner Heimat. Deshalb hinterfrage ich auch oft mein Training und denke darüber nach, weshalb ich das überhaupt machen sollte." Oft kämpft er sich trotzdem durch und motiviert sich.

Gleichzeitig ist Sharov zwiegespalten. Für ihn ist es eine harte Situation. Er hat seinen Vater seit über einem Jahr nicht gesehen, weil Männer nicht aus der Ukraine ausreisen dürfen. Er lebt noch immer in Kropyvnytskyi. Seine Mutter war hingegen schon bei Sharov in Berlin. Neben der Distanz zu den Eltern spielen aber auch schlechte Nachrichten von Freunden aus seiner Heimat eine Rolle.

Guter Freund im Krieg gefallen

"Erst vor einigen Wochen hatte ich einen schlechten Tag. Ich war müde, wollte nicht trainieren und war gefrustet von der Arbeit. Da habe ich die Nachricht bekommen, dass ein guter Freund auf dem Schlachtfeld gestorben ist" erklärt er nachdenklich. Mit dem nächsten Atemzug fügt er an: "Die Soldaten tun alles für uns, damit wir leben, trainieren und arbeiten können. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich sagen darf, dass ich müde bin. Ich muss für sie arbeiten."

"Es war ein total zerstörtes Auto mit Einschusslöchern und ohne Windschutzscheibe."
Dmytro Sharov über die medizinischen Autos an er ukrainischen Front, die er in einem Video gesehen hat

Vermutlich mag diese Einstellung der ausschlaggebende Grund sein, weshalb Sharov den Jakobsweg lief. Im September 2022 erfuhr er erstmals von dem Pilgerpfad und kam auf die Idee, den Weg zu joggen. Gleichzeitig wollte er Geld sammeln, um damit die ukrainischen Soldaten zu unterstützen. Es war seine Art, seinem Heimatland einen Dienst zu erweisen.

Allerdings wollte Sharov nur unter einer Bedingung helfen: Er wollte nicht die Finanzierung von Waffen unterstützen. Das passende Projekt, für das er sammelte, lernte er durch seinen Vater kennen. Ein Freund des Vaters ist Arzt an der Frontlinie und schickte Videos der medizinischen Autos, mit denen verletzte Soldaten ins Krankenhaus gebracht werden.

Nach einem Wettkampf reckt Dmytro die Ukraine-Flagge in die Höhe.
Nach einem Wettkampf reckt Dmytro die Ukraine-Flagge in die Höhe.Bild: Privat / Privat

Als er das Video sah, war Sharov geschockt. Gleichzeitig wusste er sofort, dass er für ein neues medizinisches Auto sammeln möchte. Die Situation in den Videos machte Sharov fassungslos: "Es war ein total zerstörtes Auto mit Einschusslöchern und ohne Windschutzscheibe." Zusätzlich sah er noch ein zweites medizinsiches Auto, das "zwar gepanzert" gewesen sei, "aber man kann innen nur eine schwerverletzte Person transportieren." Er fügte an: "Die leichtverletzten Menschen müssen auf dem Dach sitzen und sich festhalten."

Sharov hatte demnach ein Ziel vor Augen, weshalb er die über 700 Kilometer auf sich nahm. Während er in dieser Zeit fleißig um Spenden warb und auf Instagram aktiv dokumentierte, wie er vorankam, wurde aber auch klar: Die Herausforderung war anstrengender und fordernder als gedacht.

Jakobsweg hielt einige Herausforderungen bereit

Ursprünglich wollte er die Strecke in elf Tagen zurücklegen. Er unterschätzte allerdings die Versorgung am Jakobsweg in den Winter-Monaten. "Es ist sehr hart im Winter den Jakobsweg zu laufen, weil sehr viele Hotels und Restaurants geschlossen haben", erklärt Sharov. Weil er mit seinem Rucksack auf dem Rücken gejoggt ist, konnte er auch kaum Verpflegung tagsüber transportieren. "Mein gesamter Rucksack hat bereits fünf Kilo gewogen", sagt der 34-Jährige. Da sei kein Platz für weitere Verpflegung gewesen.

Erschöpft, aber zufrieden erreichte Dmytro nach zwölf Tagen Santiago de Compostela.
Erschöpft, aber zufrieden erreichte Dmytro nach zwölf Tagen Santiago de Compostela.Bild: Privat / Privat

Auch beim Frühstück konnte er nicht genug Energie durch Nahrung aufnehmen, führt Sharov aus und ergänzt: "Das typische spanische Frühstück am Jakobsweg besteht aus Toast mit Marmelade. Mit so einem Start in den Tag 20 Kilometer oder mehr zu joggen, ist wirklich hart."

Deshalb sei er langsamer als geplant gewesen und hat den Trip um einen Tag verlängert und zwölf Tage für die Distanz gebraucht. Der Anfang fiel ihm besonders hart: "Ich war langsamer und verzweifelter als erwartet. Die ersten vier, fünf Tage waren sehr hart. Es war schwer, mich morgens zu motivieren, mit dem Laufen anzufangen."

Trotzdem kämpfte er sich durch den spanischen Norden und erreichte sein Ziel. Dort angekommen konnte er mit Freude feststellen, dass er sein Spendenziel erreicht hat: "Ich habe 5000 Euro zusammenbekommen." Dafür konnte er einen Transporter kaufen, der nun Soldaten von der Front retten soll.

Zunächst musste das Auto noch repariert und auf den Einsatz an der Front vorbereitet werden. Jetzt ist es aber einsatzbereit in der Ukraine und hilft nun dabei, Leben zu retten – dank einer zunächst sehr verrückt klingenden Idee.

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