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WM 2018

England darf Dank zwei verwandelten Elfmetern vom WM-Titel träumen

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Unfassbar: Als England dank zwei getroffener Elfer vom WM-Titel träumte

03.07.2018, 16:54
philipp reich
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Kamerun verzückt die ganze Welt!  An der WM 1990 in Italiensind die Mannen in Grün-Rot-Gelb die grosse Überraschung. Die "unzähmbaren Löwen" besiegen im WM-Eröffnungsspiel sensationell Titelverteidiger Argentinien mit Diego Maradona 1:0. Es ist der erste Sieg einer schwarz-afrikanischen Mannschaft an einer WM-Endrunde.

Paul Gascoigne in Topform.
Paul Gascoigne in Topform.

Nach dem 2:1 gegen Rumänien im zweiten Gruppenspiel ist klar, dass Kamerun den Achtelfinal erreicht. Das 0:4 gegen die Sowjetunion bleibt ein Ausrutscher. Im Achtelfinale beim 2:1 nach Verlängerung gegen Geheimfavorit Kolumbien zaubern Doppeltorschütze Roger Milla und seinen Kollegen wieder und schaffen als erste afrikanische Mannschaft den Einzug in den Viertelfinale.

Kamerun zaubert, England mogelt sich durch

Dort wartet mit England aber ein ganz harter Brocken. Der Weltmeister von 1966 qualifiziert sich dank einem Minisieg gegen Ägypten und zwei Remis gegen Europameister Holland und Erzrivale Irland für die K.o.-Runde. Im Achtelfinal schießt David Platt gegen Belgien in der 119. Minute den erlösenden Treffer zum 1:0-Sieg.

Dennoch: Im Mutterland des Fußballs ist die Euphorie groß, trotz der Kritik an Trainer Bobby Robson. Dank ihren Superstars Gary Lineker und Paul Gascoigne dürfen die Engländer endlich wieder einmal vom ganz großen Coup träumen. Kamerun gilt bei den Fans höchstens als lästiges Hindernis auf dem Weg in den Halbfinale gegen Deutschland.

Ohne die vier Gesperrten Andre Kana, Emile Mbouh, Victor Ndip, Jules Onana und mit Roger Milla auf der Ersatzbank legten die Kameruner im San Paolo von Neapel los wie die Feuerwehr. Die Engländer können sich bei Torhüter Peter Shilton bedanken, dass sie nicht schon früh in Rückstand geraten.

Dann rächt sich die mangelnde Chancenauswertung: Nach 25 Minuten bringt Platt die "Three Lions" mit einem wuchtigen Kopfball entgegen dem Spielverlauf in Führung. Nach der Pause wechselt Kameruns russischer Trainer Valeri Nepomniachi Edeljoker Roger Milla ein und der "Oldie" sorgt sofort für frischen Wind.

Nach gut einer Stunde kann Milla nach einem Dribbling im Strafraum nur durch ein Foul gebremst werden. Emmanuel Kundé verwandelt sicher zum 1:1. Vier Minuten später wirbelt Milla erneut. Er lässt drei Gegenspieler stehen und bedient Eugène Ekéké, der Shilton mit einem wunderschönen Heber keine Chance lässt. Kamerun im kollektiven Freudentaumel, es winkt die grösste Sensation der WM-Geschichte.

David Platt im Zweikampf.
David Platt im Zweikampf.imago

Doch während England-Trainer Robson nun seine Taktik anpasst und auf Konter wartet, stürmen die Afrikaner trotz der 2:1-Führung unbekümmert weiter. In der 82. Minute rächt sich das: François Omam-Biyik hat die Entscheidung auf dem Fuss, doch er verfehlt und die Engländer schlagen zurück. Nach einem Freistoss von Gascoigne fällt Benjamin Massing Lineker im Strafraum. Der Starstürmer verwandelt den fälligen Elfmeter gleich selbst.

Lineker bleibt gnadenlos

Die Verlängerung muss die packende Partie entscheiden. In der 105. Minute: ein Steilpass von Gascoigne, wieder ein Foul an Lineker und wieder verwandelt der englische Top-Torjäger eiskalt. Kamerun kann nicht mehr, die Kräfte sind aufgebraucht. Souverän schaukeln die Engländer den Vorsprung über die Runden.

Linekers Torjubel.
Linekers Torjubel.imago

Der erste afrikanische Viertelfinalist der WM-Geschichte scheitert also an England. Nicht ganz, er scheitert vielmehr an sich selbst und seinem Unvermögen, sein Vermögen zu zähmen. Spätestens nach dem 2:1 wollen die "unzähmbaren Löwen" das englische Fussball-Mutterland vorführen. Doch dieses Vorhaben geht tragisch daneben. Britische Cleverness triumphiert mit 3:2 über schwarz-afrikanische Spielfreude.

Englands Traum vom zweiten WM-Titel lebt nur kurz und platzt schließlich im Halbfinal gegen Deutschland mit dem ersten Elfmeterschießen. Stuart Pearce und David Platt scheitern und begründen so die legendäre Penaltyschwäche der "Three Lions". Von sieben Elfmeterschießen an großen Turnieren konnten die Engländer bis heute nur eines gewinnen. 1996 im EM-Viertelfinale gegen Spanien.

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