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"Lanz"-Gast attackiert SPD-Regierungschef: "Aus welcher Welt kommen Sie denn?"

Eva Quadbeck versteht die Entscheidung der Ministerpräsidenten nicht.
Eva Quadbeck versteht die Entscheidung der Ministerpräsidenten nicht. ZDF/Screenshot
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Journalistin fragt SPD-Politiker bei "Markus Lanz": "Aus was für einer Welt kommen Sie denn?"

26.03.2021, 07:4226.03.2021, 09:01
Deana Mrkaja
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Gleich um zwei große Themen drehte sich die Diskussion am Donnerstagabend bei "Markus Lanz": Das Corona-Maßnahmen-Chaos rund um die Osterfeiertage und die dubiosen Verhältnisse einiger Europaabgeordneter mit der Führungsspitze Aserbaidschans. In Bezug auf die Ausbreitung des Covid19-Virus zeichnet ein Experte ein düsteres Bild der Inzidenzen, wenn weiterhin so verfahren wird wie bisher.

Eigentlich sollte es an Ostern die "Osterruhe" geben - so hieß es am Anfang der Woche nach der Ministerpräsidentenkonferenz. Fünf Tage hätte das Leben in Deutschland komplett heruntergefahren werden sollen - samt Ausgangssperren und geschlossenen Supermärkten. Doch am nächsten Tag kam plötzlich das große Zurückrudern: Kanzlerin Angela Merkel gestand ein, "große Fehler" gemacht zu haben und nahm das Vorhaben wieder zurück.

"Wussten Sie, dass das passiert?", fragt Moderator Markus Lanz den Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). "Ich war ganz schön perplex. Es gab keine Vorankündigung." Bevor sich Merkel mit ihrer Entschuldigung an die Bevölkerung wandte, berief sie alle Länderchefs zu einem Termin ein, wo sie ihre Entscheidung mitteilte. Bovenschulte sei jedoch klar gewesen, dass das Vorhaben "schwierig umzusetzen gewesen wäre". Doch wie kommt es dann überhaupt zu einem solchen Beschluss?

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte zu Gast bei "Markus Lanz".
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte zu Gast bei "Markus Lanz". ZDF/Screenshot

Der Beschluss sei kurz vor Mitternacht gefasst worden, nachdem man abgewägt hatte, was er bringen könnte. "Wir wussten, das ist nicht das Patentrezept, um die Pandemie zu bekämpfen", erklärt der SPD-Politiker. Jedoch würde es natürlich dennoch etwas bringen, fünf Tage einmal komplett runterzufahren. Das Kanzleramt habe den Vorschlag in die Runde eingebracht, nachdem man bereits seit 14 Uhr verhandelt hatte. Die Journalistin Eva Quadbeck kann die Geschehnisse nicht nachvollziehen: Sie sagt, eigentlich habe die Regierung zunächst vermittelt, dass an Ostern sogar mehr Menschen zusammenkommen dürften und dann plötzlich das. "Das ist nicht mehr vermittelbar", schließt sie.

Doch der Bremer hält dagegen und sagt, es sei an diesem Abend nicht mehr möglich gewesen, zu Ende zu überlegen, ob das Vorhaben auch "technisch umsetzbar" sei. Diese Aussage verleitet die politische Beobachterin vom "Redaktionsnetzwerk Deutschland" zu harscher Kritik.

"Aus was für einer Welt kommen Sie denn?": Journalistin versteht Ministerpräsidenten nicht

"Anhand von Ihren Schilderungen kann man ablesen, wie weit weg Sie vom richtigen Leben sind."
Eva Quadbeck

Die Leute müssten dann am Mittwoch vorher einkaufen gehen, dann hätte es noch mehr Gedrängel gegeben, zudem sei durch das Hin und Her das Vertrauen weg, ebenso die Glaubwürdigkeit. Quadbeck geht sogar so weit und fragt ganz direkt: "Dass Sie das nicht erwägt haben, da frage ich mich schon, aus was für einer Welt kommen Sie denn?"

Der SPD-Politiker gibt schließlich zu, dass "solche Entscheidungen länger vorbereitet werden müssten". "Die Nebenfragen sind so komplex, die sind in dem Zeitraum nicht zu bearbeiten", fügt er hinzu. Auch Lanz hält seine Kritik nicht zurück und sagt direkt: "Vielleicht sollten Sie eine Kommission für Lebenswirklichkeit gründen."

Bovenschulte steht jedoch zum Entschluss der Kanzlerin. Diese habe am nächsten Morgen mitgeteilt, dass der Bund die Sache genau geprüft habe und zu dem Entschluss gekommen sei, dass man die "Osterruhe" nicht umsetzen könne. "Hat sie angedeutet, dass sie das auf sich nehmen würde?", fragt der Moderator nach. "Genau so hat sie es gesagt. Ich nehme es auf mich."

Philosoph Richard David Precht kritisiert Opposition – vor allem die FDP

Auch der Philosoph Richard David Precht ist an diesem Abend zu Gast und nimmt die Regierungsverantwortlichen auch etwas in Schutz. Sie seien zwischen zwei Polen getrieben: dem wirtschaftlichen Druck und den Virologen. Die einen wollen öffnen, die anderen schließen. Statt die Regierung zu kritisieren, übt er Kritik an der Opposition – insbesondere an der FDP. Diese würde ständig eine "langfristige Strategie" fordern, was er für absolut "lächerlich" halte. "Wie soll das aussehen, wenn man das nicht wissen kann?", fragt er in die Runde. Er sagt:

"Wir irren vorwärts. Im doppelten Sinne des Wortes."
Richard David Precht
Richard David Precht sagt, man könne in der Krise nur "auf Sicht" fahren.
Richard David Precht sagt, man könne in der Krise nur "auf Sicht" fahren. ZDF/Screenshot

Precht ist der Meinung, dass man in der Corona-Krise nur "auf Sicht" fahren könne, weil sich die Lage ständig ändere. Und genau das würde dazu beitragen, dass man als Politiker einen "unsouveränen Eindruck" hinterlassen. Quadbeck sieht das anders und wirft den Politikern vor, dass wenn sie "das Ruder nach links oder rechts bewegen, sie auch wissen sollten, in welche Richtung sie gehen". Doch während sich die einen darüber streiten, inwieweit man die Regierung für ihr Vorgehen in der Corona-Krise kritisieren darf, äußert ein anderer Experte, was passieren wird, wenn wir so weitermachen wie bisher – er prognostiziert nichts Gutes.

Prof. Thorsten Lehr, Experte von der Universität des Saarlandes, entwickelt Vorhersagesysteme für die Ausbreitung von Epidemien. Während sein Ministerpräsident nun in einem Modellversuch vieles wieder öffnen möchte, warnt der Pharmazeut davor, alles so zu lassen, wie es ist.

Experte spricht sich für härtere Maßnahmen aus

Er zeigt ein Chart mit hypothetischen Zahlen, die er jedoch so prognostiziert, wenn die Maßnahmen bleiben, wie sie es jetzt sind. Dann könnten wir schon sehr bald bei einer Inzidenz weit jenseits von 300 liegen.

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null / ZDF/Screenshot

Ohne zusätzliche Maßnahmen würden die Inzidenzen weiterhin ansteigen. Der Experte spricht sich deshalb nicht nur gegen Lockerungen aus, sondern will – im Gegenteil – zusätzliche Maßnahmen. Lehr spricht von Ausgangssperren, der weiteren Reduktion von Kontakten und auch Schulschließungen. Gerade Ausgangssperren hätten "in anderen Ländern schon gut funktioniert". Die Mutante sei deutlich infektiöser und die Fälle verliefen generell schwerwiegender.

Trotz der ganzen Debakel ist zumindest Precht sich sicher, sei das Vertrauen in liberaldemokratische Staaten gestiegen. Für ihn steht zudem fest, dass die Querdenker nur einen kleinen Teil der Bevölkerung ausmachten. Wo er "Unbehagen" habe, sei, dass immer mehr Menschen dem Staat "üble Motive" zutrauen würden, dass es dem Staat Spaß mache, die Rechte der Bürger einzuschränken. Deshalb seien Politiker, die lockern, auch so beliebt.

Der Philosoph ist jedoch auch der Meinung, dass es schwierig sein wird, überhaupt irgendwelche Maßnahmen zu verteidigen, sobald alle vulnerable Gruppen geimpft wurden. Dann könnte der Staat nicht mehr mit "Schutz" dieser Gruppen argumentieren. "Die persönliche Lebensführung geht den Staat nichts an", dann ginge es nur noch um Eigenverantwortung.

Am Ende der Sendung dreht sich die Diskussion um diverse Geschichten, die alle den Staat Aserbaidschan betreffen und die sich wie ein schlechter Krimi anhören. Gerald Knaus ist Soziologe und Chef der Denkfabrik "European Stability Initiative". Mit dieser beobachtet er seit Jahren die Lobbyarbeit Aserbaidschans. Bei "Lanz" spricht er über die Verstrickungen deutscher Politiker mit dem Regime.

"Das zerstört ganze Institutionen"

Die Rede ist von der sogenannten "Kaviar-Diplomatie". Schon vor zehn Jahren hat Knaus gemeinsam mit seinen Kollegen herausgefunden, dass die Herrscherfamilie in dem kaukasischen Land anderen Ländern, wie beispielsweise Mexiko, Geld dafür gebe, wenn sie dort Statuen der eigenen Familie aufstellen könne, um für Aserbaidschan als Land zu werben. Dies sei noch der "unterhaltsame" Teil, erklärt der Experte. Doch der gravierende Teil ist tatsächlich erschreckend: So würden Abgeordnete des Europäischen Rates systematisch korrumpiert, um die Machenschaften des Regimes zu verdecken.

Der Soziologe Gerald Knaus erklärt das dubiose Verhältnis zwischen CSU- und CDU-Europaabgeordneten und Aserbaidschan.
Der Soziologe Gerald Knaus erklärt das dubiose Verhältnis zwischen CSU- und CDU-Europaabgeordneten und Aserbaidschan. ZDF/Screenshot

Neue Abgeordnete, die in Straßburg ankommen, würden direkt zu Reisen nach Aserbaidschan eingeladen. Wenn diese zwar Ja sagen, aber auch anmerken, dass sie über Menschenrechte reden wollten, würden sie nicht mehr kontaktiert. Interessierte Politiker würden jedoch zu Reisen eingeladen werden, wo sie teure Geschenke wie Schmuck auf Hotelzimmern erwarte. Als Gegenleistung muss das kleine Land in ein gutes Licht gerückt werden.

Frank Schwabe ist ein deutscher Politiker der SPD, der erst kürzlich auf die Verstrickung zweier Unionspolitiker mit Aserbaidschan aufmerksam gemacht hat. Karin Strenz (CDU) und Eduard Lintner (CSU) sollen beide von dem Staat korrumpiert worden sein.

Gerald Knaus (r.) beobachtet die aserbaidschanischen Machenschaften seit zehn Jahren.
Gerald Knaus (r.) beobachtet die aserbaidschanischen Machenschaften seit zehn Jahren. ZDF/Screenshot

Schwabe fordert die Aufklärung des Falls und kritisiert, dass die beiden nicht mehr in "euren Reihen geduldet werden dürften". Doch dann kam ein Ereignis hinzu, mit dem niemand gerechnet habe: Am 21. März verstarb Strenz auf einem Flug von Kuba nach Deutschland. Sie soll als Wahlbeobachterin in Aserbaidschan im Europarat die Meinung vertreten haben, die Wahlen dort seien so gut wie auch in Deutschland beispielsweise. Obwohl die OECD eben jene Wahlen als die schlimmsten überhaupt bezeichnet habe.

Auch der italienische Politiker und Ex-Chef der EVP-Fraktion Luca Volontè soll maßgeblich in diese Affären verwickelt gewesen sein und rund 1,2 Millionen Euro dafür kassiert haben. Bei einer Abstimmung im Europarat, wo es darum ging, die angeblichen politischen Gefangenen in Aserbaidschan freizulassen, stimmten von 125 Abgeordneten 125 dagegen und stimmten dem Regime zu, es gebe dort keine politischen Gefangenen. Der Präsident Ilham Aliyev selbst rühmt sich mit den Aussagen aus Europa und verweist in Interviews stets darauf, dass auch der Europarat ihm zustimme. Ein solches Verhalten "zerstöre letztendlich die Institutionen", erklärt Knaus und weist darauf hin, dass solches Verhalten die Politik generell diskreditiere.

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