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Dieser Mann sammelt alle Vornamen Deutschlands –wir präsentieren die absurdesten

Thomas Tursics Vornamen
Bild: benedict wermter

Dieser Mann sammelt alle Vornamen Deutschlands – und watson präsentiert die absurdesten

22.04.2018, 09:1222.04.2018, 09:25
benedict wermter
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Abends, wenn die Kollegen im Feierabend sind und seine Söhne schlafen, beginnt das Hobby von Thomas Tursics. Der Berliner Programmierer versucht, alle Vornamen von Neugeborenen in Deutschland zu sammeln. 

Vornamen werden in Deutschland von Standesämtern verwaltet. Noch im Krankenhaus stellen Standesbeamte Geburtsurkunden aus und tragen den Vornamen in ihre Bücher ein, oder die Eltern gehen auf das Amt, um ihr Kind anzumelden. Also haben bis zu 12.000 Standesämter in Deutschland Daten über Vornamen.

Thomas Tursics Vornamen
Die Kollegen sind im Feierabend. Thomas sammelt VornamenBild: wermter

Von diesen 12.000 Ämtern hat der Berliner Programmierer seit 2013 Hunderte angefragt, er schätzt, er kommt insgesamt auf eine Abdeckung von etwa 20 Prozent. Gerade arbeitet er an einer App, sie heißt benamsen

Thomas interessiert sich eigentlich gar nicht so sehr für Vornamen, sagt er. Seine drei Söhne haben ungarische Zweitnamen, weil die Familie von dort abstammt. Ein Vornamenfreak sei Thomas aber nicht.

Ihm geht es um etwas Anderes: 

„Ich will zeigen, wie doof das ist, wenn man Daten zu einem Thema sammeln muss. Natürlich fragt niemand alleine 12.000 Ämter an. Die Daten in Deutschland fließen nur gestückelt, oder jemand besitzt sie. Dabei sollten Daten frei fließen.“
Thomas Tursics watson

Denn viele Daten – wie Vornamen – gehören uns allen, sagt Thomas. 

Thomas Wege, um Vornamen herauszukriegen
Manche Kommunen haben Datenportale eingerichtet, auf denen sie den Bürgern wichtige Daten zugänglich machen. Dort findet Thomas Links oder Ansprechpartner.

Thomas hat sich einen Twitter-Alarm für Lokalnachrichten über Vornamen eingestellt. So hat er in diesem Jahr über 75 Quellen aufgetan. Ein hübscher Ü-Ei-Effekt in seinem Programmier-Alltag.

Großstädte oder Kommunen auf dem Land, wo ein großes Geburtskrankenhaus steht, haben Vornamen gesammelt. Thomas fragt dort beim Standesamt oder bei der Pressestelle an.

Auf allen drei Wegen kämpft er meistens mit den Ämtern – um den Datenschutz.
eigene recherche

Dass Thomas sich für Datenfreiheit einsetzt und solch ein Hobby wie das Vornamensammeln pflegt, kommt nicht von ungefähr: Programmieren hat er als Teenager von seinem Vater gelernt. Heute baut er Apps in einem Büro, in dem der letzte Chef gerade seine Stelle räumt, und in denen Projektpläne aus Lego gebaut werden. Ziemlich kreativ, ziemlich nerdig also.

Auf einem Gruppenbild, das im Büro hängt, ist Thomas der Typ, der ganz außen steht, mit einer Rakete auf seinem T-Shirt. Gefühlt ist er derjenige, zu dem die anderen gehen, wenn sie nicht weiter wissen. 

Thomas Tursics Vornamen
Thomas Tursics setzt sich für Dateinfreiheit von Vornamen einBild: wermter

Wer sammelt sonst noch Vornamen?

Pro Minute werden 157 Kinder weltweit geboren (Statista), in Deutschland hießen Neugeborene im vergangenen Jahr am häufigsten wohl Ben bzw. Emma, eine offizielle amtliche Statistik gibt es nicht. Auch seltene Vornamen waren dabei, ein Junge wird als Sturmhart durch's Leben schreiten. Und jemand hat sogar schon mal versucht, sein Kind Batman zu nennen. 

Wie die Deutschen ihre Kinder etikettieren, wird jährlich in Hitlisten veröffentlicht. Es gibt außerdem noch einen Forscher, der Vornamen als Stichproben sammelt und veröffentlicht.

Viele Behörden speichern die Vornamen in einer Software. Standesbeamte können sich damit jährlich auf Knopfdruck die Vornamen ausspucken lassen, und diese an die kommunale Pressestelle und die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) weitergeben, einen mit Steuergeldern finanzierten Verein, der sich auf Vornamen spezialisiert hat.

Thomas Tursics Vornamen
Vornamen sammeln ist schweirig. Vornamen bestellen ist teuer.bild: wermter

Die GfdS bekommt fast automatisch die Vornamen zugeschickt, der Verein gibt auf seiner Website an, von 90 Prozent der Kommunen Daten zu bekommen. Damit hat die GfdS so etwas wie ein Monopol auf die Vornamen – hier kommen die jährlichen Hitlisten her, die jeder kennt, und die Bürger kostenpflichtig bestellen können

Wie viel Geld die GfdS mit den Vornamen verdient und mit wie viel Geld der Verein aus Steuermitteln finanziert wird, wollte die GfdS auf Anfrage von watson nicht verraten.

Thomas Tursics Vornamen
Bild: wermter

Während dieser Verein Geld mit Vornamen verdient, wird Thomas Tursics häufig von Ämtern abgewimmelt.

"Offiziell geht es bei meinen Anfragen um Nutzungsrechte, um das, was im Impressum steht. Aber die Ämter haben Angst um den Schutz der Daten."
Thomas Tursics

Die Behörden unterstellten gewerbliche Absichten, doch eigentlich wollten sie nicht, dass einzelne Kinder identifizierbar sind, sagt Thomas. Obwohl doch nichts weiter als der Vorname erhoben wird, sagt Thomas, und  Vornamen an sich für ihn keine zu schützenden Daten sind. 

Wenn Thomas sich durchgesetzt hat, muss er immer damit rechnen, dass ihm die Vornamen ausgedruckt zugeschickt werden, oder dass er unleserliche und unbrauchbare Faxe bekommt. Auch Strichlisten waren schon dabei, meistens dort, wo es nur wenige Geburten gab.  

Was hinter Vornamen stecken kann

Thomas hat in seinen Daten ein Nord-Süd-Gefälle in der Häufigkeit von Vornamen entdeckt sowie örtliche Vorlieben. In Berlin-Lichtenberg etwa ist Oskar beliebter als im Berliner Durchschnitt. "Vielleicht weil dort das Oskar-Ziethen-Krankenhaus steht", sagt er.

Statistiken über Vornamen können viel aussagen über die Verhältnisse in unserem Land, über das Einkommen der Eltern etwa, oder über Unterschiede zwischen Ost und West.

Die Statistiken können aber auch einen falschen Eindruck über Häufigkeiten erwecken, je nachdem ob sie phonetisiert veröffentlicht werden – also ob also verschiedene Schreibweisen zusammengezählt werden. Wie bei Mohammed und Muhamad: Zählt man die Schreibweisen zusammen, landet der Name mancherorts in der Top Zehn. 

"Aber selbst wenn es der häufigste Name wäre, würden nur ein paar Prozent aller Kinder so heißen"
Thomas Turiscswatson

Und weil es so schön ist. Hier ist die Liste der absurdesten Vornamen Deutschlands

Auch diese Vornamen hat Thomas gesammelt. Absurde Namen kommen in den seltenen Vornamen vor, also solchen Vornamen, die nur einmal vorkommen. Wir haben ein paar Namen ausgewählt und präsentieren euch hier die ultimative Top Ten:

  1. Hurricane. So heißt seit 2016 ein Mädchen. Der Festivalsommer kann kommen!
  2. Pebbels. Noch ein Mädchen. Oder doch eine Katze?
  3. Waldfried. So heißt ein kleiner Berliner seit zwei Jahren. Geht bestimmt auch später auf Festivals, aber eher Goa.
  4. Neuhaus. Heißt eine junge Berlinerin seit 2017. Eltern kommen wohl aus Neukölln und fahren Rennrad.
  5. Shanaya-Oceana. Weiblich, seit 2016. 
  6. Usher. So heißt ein Kölner seit 2016. Welcher Standesbeamte hat das erlaubt?
  7. Prince-Glorieux. Ist hoffentlich der Name eines Kindes frankophoner Eltern.
  8. Saphirre. Junge oder Mädchen? Das wird für immer das Problem sein. 
  9. Veilchen. Ob das Kind blaue Augen hat, ist nicht überliefert.
  10. Frohmut. Ist ein Mädchen. Positiviteeey.

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