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Weibliche Sexualität: fünf Mythen über die Klitoris im Realitätscheck

Man and woman, young heterosexual couple in bed, relaxing in bed and cuddling.
Dafür, dass die Klitoris beim Sex eine so wichtige Rolle spielt, wissen wir erstaunlich wenig darüber. Bild: getty / South_agency
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Weibliche Sexualität: fünf Mythen über die Klitoris im Realitätscheck

29.07.2023, 12:26
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Hand aufs Herz, was weißt du über die Klitoris? Dass Frauen damit zum Orgasmus kommen können, klar. Aber sonst? Das weibliche Lustorgan ist im Gegensatz zum Penis kaum erforscht und wird auch medizinisch kaum beachtet, wie eine Studie aus 2018 zeigt. Dabei können Operationen im Genitalbereich, beispielsweise bei Geburten, Verletzungen an der Klitoris hervorrufen.

Louisa Lorenz hat ihren Master in Geschlechtsforschung absolviert und ein Buch über die Klitoris geschrieben. "Clit: Die aufregende Geschichte der Klitoris" offenbart erstaunliche Fakten. Im Gespräch mit watson widerlegt Louisa einige Mythen über das weibliche Lustorgan.

Louisa Lorenz bietet auch "Clit Nights" an, Info-Workshops über die Klitoris.
Louisa Lorenz bietet auch "Clit Nights" an, Info-Workshops über die Klitoris. privat/Louisa lorenz

Mythos 1: Die Klitoris ist ein kleiner Knubbel

Das stimmt so nicht, erklärt Lorenz. Die Klitoris ist viel größer als die meisten ahnen und erstreckt sich bis ins Körperinnere. Das Organ kann zwischen 8,5 bis 14 cm Zentimeter lang sein.

Die Klitoris besteht außerdem aus mehreren Teilen: Der sichtbare Lustpunkt ist nur ein kleiner Teil davon und wird als Klitoriseichel bezeichnet. Darüber hinaus besitzt die Klitoris genau wie der Penis eine Vorhaut, von der sie im nicht-erregten Zustand verdeckt wird. Im Inneren des Körpers umfasst die Klitoris einen Schaft, zwei Schenkel und zwei Schwellkörper.

Louisa Lorenz erklärt, warum dieses Klitoris-Wissen so wichtig ist:

"Die Klitoris ist vom Gewebe her das gleiche wie der Penis, auch die Schwellkörper sind die gleichen. Vielen Menschen ist das nicht bewusst. Das ist schonmal ein wichtiger Aspekt, um auch zu verstehen, wie ähnlich wir uns alle auch in den unterschiedlichen Geschlechtern sind, in unserer genitalen Ausstattung und auch in unserem Lustpotenzial."

Wer dieses Wissen hat, bereichert damit auch sein ganz privates Liebesvergnügen, wie Louisa weiter erklärt:

"Viele Leute wollen guten Sex haben. Und dafür ist es wichtig, dass wir uns mit der Genital-Anatomie auskennen und wissen, wie die Klitoris komplett aussieht und wie sie funktioniert."

Aber auch auf gesellschaftlicher Ebene ist das Thema wichtig: "Häufig wird die Klitoris immer noch ganz falsch dargestellt. Wenn wir uns mal überlegen, was das für den Mann bedeuten würde, wenn auf einer Abbildung über männliche Sexualorgane der Penis nicht drauf wäre."

Das mangelnde Wissen über die Klitoris "ist geschlechterspezifisch eine Ungleichbehandlung gewisser Organe", findet Louisa. Eine gleichberechtigte Gesellschaft brauche "einen gleichberechtigten Umgang mit Sexualität."

Mythos 2: Frauen haben keine Prostata

Männer haben eine Prostata, das weiß fast jeder. Diese ist ein inneres Geschlechtsorgan unter der Harnblase und über der Beckenbodenmuskulatur und bildet ein Sekret, welches zusammen mit den Samenzellen das Sperma ist. Außerdem ist die Prostata eine erogene Zone.

Louisa Lorenz erklärt: "Auch Frauen haben eine Prostata. Dieses Gewebe nennt man auch Harnröhren-Schwellgewebe und das ist genau das Gleiche."

Doch dieses Prostata-Gewebe bei Frauen ist laut Lorenz kaum erforscht. Das ist gerade im Hinblick auf die Frage, ob auch Frauen an Prostatakrebs erkranken können, problematisch: "Denn auch Männer, die keinen Busen haben, können an Brustkrebs erkranken. Von daher kann ich mir schon vorstellen, dass es das Risiko gibt."

Hier siehst du im Video, wie du erfährst, was du sexuell wirklich willst:

Mythos 3: Die volle Anatomie der Klitoris wurde in den Neunzigern entdeckt

"Das ist auf jeden Fall falsch", sagt Lorenz. So sei die Anatomie der Klitoris schon seit dem 17. Jahrhundert in der Medizin bekannt. Aus dieser Zeit gebe es viele detailreiche Zeichnungen in Medizinbüchern, in denen der ganze Klitoris-Komplex dargestellt werde.

Die Falschinformation, dass die Klitoris erst in den Neunzigern entdeckt wurde, führt die Expertin zurück auf einen Artikel von einer australischen Urologin namens Helen O'Connell. Diese veröffentlichte 1998 einen Artikel, in dem sie kritisierte, dass die Klitoris-Anatomie in vielen Medizinbüchern immer noch falsch dargestellt wird.

"Sie selber hat die Klitoris nicht entdeckt und sie hat das auch nie selber behauptet", sagt Lorenz. "Das ist eher etwas, was medial so aufgegriffen wurde und daraus ist diese Falschinformation entstanden, die sich bis heute immer noch hält."

Die Klitoris ist viel mehr als nur ein kleiner Knubbel.
Die Klitoris ist viel mehr als nur ein kleiner Knubbel.pexels/cottonbro-studio

Mythos 4: Die Klitoris hat mehr Nervenzellen als der Penis

Lorenz erklärt, vor allem im feministischen Kontext finde man häufig die Angabe, dass es 8000 Nervenenden an der Klitoris und 4000 Nervenenden am Penis gibt. Doch dies stimmt nicht.

"Diese Angabe geht sehr wahrscheinlich auf eine Studie zurück, wo es eigentlich um Rinder und Schafe geht. In dieser Studie selber wird auch thematisiert, dass nicht klar ist, ob die Zahl der Nervenenden überhaupt miteinander vergleichbar ist", erklärt die Autorin.

"Man darf sich das nicht so vorstellen, dass da eine Person sitzt, die jedes einzelne Nervenende auf dem Penis und jede einzelne Nervenzelle auf der Klitoris zählt, sondern man untersucht Teilabschnitte, rechnet das hoch und versucht das miteinander zu vergleichen."

Viel wahrscheinlicher sei es, dass Klitoris und Penis gleich viele Nervenenden haben. "Aber weil die Klitoris-Perle von der Fläche her viel kleiner ist als eine Eichel, befindet sich bei der Klitoris die gleiche Anzahl an Nervenenden auf einem viel engeren Raum. Das heißt, die Dichte der Nervenenden ist viel größer als beim Penis."

Lorenz glaubt deshalb nicht an diese Theorie und sagt: "Das ist auch unlogisch, weil Klitoris und Penis sind sonst in allen Aspekten total gleich. Es macht gar keinen Sinn, dass sie sich ausgerechnet darin so stark unterscheiden."

Mythos 5: Es gibt zwei unterschiedliche Arten des weiblichen Orgasmus

Die Unterscheidung zwischen vaginalen und klitoralem Orgasmus ist ein Mythos, der sich bis heute immer noch sehr hartnäckig hält: "Die Leute gehen davon aus, dass es zwei unterschiedliche Arten von Orgasmen gäbe, wo der eine irgendwie in der Klitoris stattfindet oder dort ausgelöst wird und der andere in der Vagina", erklärt Louisa Lorenz.

Lorenz räumt ein, dass sich Orgasmen tatsächlich ganz unterschiedlich anfühlen können. Aber dies sei nicht allein bei Menschen mit Vagina so. Sie sagt aber auch: "Es ist ganz wichtig, sich klarzumachen, dass Klitoris und Vagina nicht zwei voneinander getrennte Organe sind, sondern dass im Inneren des Körpers die Vagina von der Klitoris und Schenkeln umschlossen wird. Gerade wenn man sich die Anatomie anguckt, sieht man, wie verbunden alles ist."

"Kaum ein Mensch würde von Männern erwarten, zum Orgasmus zu kommen, ohne die Stimulation des Penis."
Louisa Lorenz

Und damit ist auch der Orgasmus miteinander verbunden – egal wo er ausgelöst wurde.

Das Konzept des vaginalen Orgasmus halte sich bis heute dennoch sehr hartnäckig, was viele Leute stark verunsichere. "Weil die meisten Menschen mit Klitoris nicht allein durch die Stimulation von Penis in der Vagina zum Orgasmus kommen, sondern es immer die Stimulation der Klitoris braucht", führt die Autorin aus. "Also kaum ein Mensch würde von Männern erwarten, zum Orgasmus zu kommen, ohne die Stimulation des Penis"

Dies sei zwar auf jeden Fall möglich, aber nicht der Standard: "Für die meisten Menschen mit Penis ist es eben die einfachste und schnellste Art, zum Orgasmus zu kommen, den Penis direkt zu stimulieren. Und so ist es für Menschen mit Klitoris auch."

Die Erwartungshaltung, dass es besser wäre, einen sogenannten vaginalen Orgasmus zu erleben oder der Mann das erreichen sollte, verunsichere bis heute noch viele Leute. Louisa dazu: "Es ist wichtig zu verstehen, dass das ein theoretisches Konzept und auf den meisten Körper überhaupt nicht zutrifft."

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