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Fastenbrechen im Ramadan: Drei wichtige Erkenntnisse von meinem ersten Iftar

dpatopbilder - PRODUKTION - 23.03.2023, Berlin: Mitglieder der Gemeinde treffen sich nach dem Beginn des Fastenmonats Ramadan am Mittwochabend in der Sehitlik-Moschee zum ersten Iftar, dem Fastenbrech ...
Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan treffen sich weltweit Gläubige, um abends gemeinsam das Fasten zu brechen (Symbolbild). Bild: dpa / Fabian Sommer
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Fastenbrechen im Ramadan: Drei wichtige Erkenntnisse von meinem ersten Iftar

19.04.2023, 18:2320.04.2023, 07:45
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Dienstag, 19 Uhr, Berlin-Neukölln. Es ist der 20. Tag des diesjährigen muslimischen Fastenmonats Ramadan und ich bin zum Iftar, zum abendlichen Fastenbrechen, eingeladen. So viel vorweg: Der Abend wird in vielerlei Hinsicht ganz anders, als ich es erwartet habe.

Eingeladen hat die Stiftung Dialog und Bildung. Sie ist der offizielle Ansprechpartner für die sogenannte Gülen-Bewegung in Deutschland. Sie vertritt einen Islam, der traditionelle religiöse Werte mit westlichen Vorstellungen von Demokratie und Bildung vereinen will. Allein in Deutschland unterhält die, auch Hizmet genannte, Gemeinde circa 300 Vereine und erreicht so rund 100.000 Menschen.

Der Kontakt kam nach einem watson-Artikel über die Bewegung zustande. Das Fastenbrechen findet im Privathaus eines Hizmet-Förderers statt. Ich verzichte aus Respekt vor seiner Familie und ihm den Abend über auf Fotos.

Normalerweise feiern sie das Fastenbrechen im Garten mit bis zu 300 Personen, erzählt er mir, während nach und nach die ersten Gäste eintrudeln. Seit Corona ist die große Runde aber geschrumpft. Heute sind es knapp 15 Anwesende. Es sind Autor:innen, Bauunternehmer:innen und Erzieher:innen, alle stehen in Beziehung zur Stiftung. Rund die Hälfte ist christlichen, die andere muslimischen Glaubens.

Variation of local homemade foods.
Beim islamischen Fastenbrechen während des Ramadans ist der Tisch oft üppig gefüllt. Bild: iStockphoto / Gulcin Ragiboglu

Eins haben die Anwesenden aber alle gemeinsam: In der Türkei sind sie Persona non grata. Weil sie der Gülen-Bewegung angehören, über sie schreiben oder ihre Interessen vertreten. Manche von ihnen dürfen nicht mehr einreisen, andere wagen es aus Angst vor einer Verhaftung nicht.

Denn das Erdoğan-Regime bezichtigt Fethullah Gülen, den geistigen Vater der Bewegung, 2016 einen Militärputsch angezettelt zu haben. Seine Anhänger:innen werden deshalb mit aller Härte verfolgt. Bis nach Deutschland, und auch darüber hinaus, reicht der lange Arm des Regimes – das können hier viele aus eigener Erfahrung bezeugen.

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An diesem Abend drehen sich die Gespräche jedoch nicht um Verfolgung und auch nicht um die Vorurteile, denen sich viele Anhänger:innen Gülens ausgesetzt fühlen. Stattdessen wollen die Gäste über das Fasten sprechen und über ihren Glauben.

Viele meiner Vorstellungen, die ich bezüglich des Ramadans und des Fastenbrechens hatte, kann ich danach getrost über Bord werfen.

Fasten im Ramadan ist sehr individuell

So wusste ich zwar, dass die meisten Gläubigen während des Ramadans von Tagesanbruch bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex verzichten. Nicht aber, dass viele Muslim:innen andere, ganz eigene Schwerpunkte setzen. Die 35-jährige Sefika zum Beispiel. "Ich faste dieses Jahr auch Social Media", verrät sie. Im Jahr davor haben sie und ihr Mann einen veganen Ramadan gemacht.

Tagsüber auf Essen und Trinken zu verzichten, gehört für die Stiftungsangestellte jedes Jahr zum Pflichtprogramm. Außerdem betet sie während des Fastenmonats jeden Abend das Ramadan-Gebet. Auch an diesem Abend stehen die muslimischen Gäste immer wieder vereinzelt auf, um im Nebenraum zu beten. Nicht nur im Ramadan, sondern auch die restlichen Tage des Jahres sollen sich Muslim:innen täglich fünfmal dem Gebet widmen.

Neben Fasten und Beten steht im Ramadan das Studium des Korans im Fokus der Gläubigen. Viele Muslim:innen haben das ehrgeizige Ziel, das heilige Buch während des Ramadans einmal komplett durchzulesen. Wenn man jeden Tag eine Stunde liest, geht das auf, erklärt man mir.

02.05.2022, Pal�stinensische Autonomiegebiete, Gaza Stadt: Gl�ubige Muslime versammeln sich w�hrend der Feierlichkeiten am ersten Tag des Eid al-Fitr auf dem Al-Saraya-Platz und verrichten ein Gebet.  ...
Beten und das Studieren des Korans sind im Ramadan für viele Gläubige genauso wichtig wie das Fasten selbst. Bild: dpa / Mohammed Talatene

Niemand haut sich den Magen voll

Als dann das Essen auf dem Tisch steht und Zulangen erlaubt ist, folgt gleich die nächste Überraschung. Keiner der Fastenden isst übermäßig viel, im Gegenteil: Manche sind sogar zurückhaltender als ich, der den Tag über nicht gefastet hat.

Wer sich den Sinn des Ramadans vor Augen hält, dem leuchtet das ein. Schließlich geht es dabei darum, sich in Verzicht zu üben und so auf Barmherzigkeit gegenüber den Schwachen und Bedürftigen aufmerksam zu machen. Abends ungehemmt zu schlemmen, passt dazu nicht wirklich.

Das Fastenbrechen fällt also deutlich weniger exzessiv aus, als ich dachte. Auch das Klischee von der üppig gedeckten Tafel, an der Abend für Abend der gesamte Familien- und Bekanntenkreis Platz nimmt, stimmt nicht immer, erfahre ich. Einige der Anwesenden brechen das Fasten oft auch nur im kleinen Kreis, mit zwei, drei Personen, bei einem einfachen Mahl.

Christ:innen am Tisch beneiden die Muslim:innen

Die zentrale Erkenntnis, die sich wie ein roter Faden durch viele Gespräche des Abends gezogen hat, ist aber folgende: Ich und auch andere anwesende Christ:innen blicken teilweise auch neidisch auf die fastenden Muslim:innen. Das lässt sich nämlich kaum verhindern, wenn man sie davon erzählen hört, welch spirituelle Erfahrung der Ramadan für sie ist.

Nie sonst erleben sie die Zuwendung zu Allah und die Verbundenheit zu ihren Glaubensbrüdern und -schwestern so intensiv wie im Ramadan. Keine Zeit im Jahr ist für Muslim:innen so sozial und so sehr von Gemeinschaftssinn geprägt, wie der Fastenmonat. In dieser Zeit sind sie nämlich auch zum vermehrten Spenden aufgerufen.

Treffend auf den Punkt bringt es Talha. Der 32-Jährige arbeitet so wie seine Kollegin Sefika bei der Stiftung Dialog und Bildung. "Wenn der Körper hungert, hat die Seele Nahrung", erklärt er mir.

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