Nachhaltigkeit
Im Test

Wasser trinken, Limonade schmecken, Plastik sparen? Wir haben Air up getestet

Der Duftpod auf der Wasserflasche soll unser Gehirn verwirren.
Der Duftpod auf der Wasserflasche soll unser Gehirn verwirren.bild: air up
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Wasser trinken, Limonade schmecken, Plastik sparen? Wir haben Air up getestet

27.10.2020, 17:2524.12.2021, 13:14
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Unser Gehirn kann uns ganz schön austricksen: Es kann uns dazu bringen, dass wir gut sichtbare Dinge nicht wahrnehmen, wenn wir uns auf etwas völlig anderes konzentrieren. Es kann uns einreden, wir hätten Dinge gehört oder gesehen, die nicht existieren. Und es kann uns glauben lassen, wir würden etwas schmecken, dass wir gar nicht im Mund haben. Limonade zum Beispiel, wenn wir Wasser trinken und gleichzeitig Zitrone riechen.

"Geschmack nur durch Duft", das ist das Konzept des Münchner Startups Air Up. Wasser in Wein verwandelt es zwar nicht, dafür aber – zumindest theoretisch – in Zitronenlimonade, Cola oder Eistee. Das soll gesund und nachhaltig zugleich sein – wer Leitungswasser trinkt, nimmt schließlich keinerlei Kalorien, Zucker oder Zusatzstoffe zu sich und umweltfreundlicher, als sich literweise Softdrinks in Plastikflaschen zu kaufen, ist es allemal. "Wir wollten das Bedürfnis nach Geschmack erfüllen, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass man super gesund leben kann", sagt Gründerin Lena Jüngst gegenüber watson. Aber kann ein Duftstoff tatsächlich unser Gehirn austricksen?

Allein der Geruch soll uns eine Limo vortäuschen

Air up will das mit einer Trinkflasche erreichen, auf deren Mundstück ein Duftpod aufgesetzt wird. Dahinter steckt das Konzept des retronasalen Riechens, erklärt Jüngst, die während ihres Studiums auf das Thema Neuroscience stieß und es schließlich zu ihrer Abschlussarbeit machte.

"Man schmeckt 80 Prozent über die Nase und nur 20 Prozent über die Zunge, die nur die Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami erkennt. Wenn wir Lebensmittel zerkauen, werden Aromen freigesetzt, die während des Essens durch den Rachenraum zu den Riechrezeptoren steigen und dort als Geschmack wahrgenommen werden. Wenn man Duft über den Rachenraum wahrnimmt und über die Nase ausatmet, kann das Gehirn Duft nicht von Geschmack unterscheiden."

So viel zur Theorie – aber wie schmeckt das Wasser aus der Air-up-Flasche in der Praxis? Können wir uns den Gang zum Kaffee- oder Softdrinkautomaten in Zukunft sparen und unsere Gelüste nach Zucker mit stinknormalem Leitungswasser befriedigen?

Wasser, das nach Kaffee schmeckt

Die Duftpods, die auf die Flasche aufgesetzt werden können, gibt es bisher in zehn Geschmacksrichtungen, darunter Cola, Orange-Maracuja oder Gurke. Watson hat die Sorten Limette, Kaffee und Orange-Maracuja getestet und ist vor allem von ersterer überzeugt. Denn die Geschmacksrichtung Lime verströmt eine angenehme Zitrusnote, das Wasser schmeckt frisch und fruchtig. Das Gefühl, richtige Limonade zu trinken, hat man dabei allerdings nicht – das Getränk schmeckt eher wie Sprudelwasser, dem ein Spritzer Zitrone hinzugefügt wurde. Und das würde man natürlich auch weit umweltfreundlicher bekommen, als einen Plastikpod auf eine Plastiktrinkflasche zu setzen: Nämlich, indem man Wasser einfach mit einem Spritzer frischer, echter Zitrone versetzt.

Der Geschmack entsteht durch den Duftpod, der auf dem Flaschenhals sitzt.
Der Geschmack entsteht durch den Duftpod, der auf dem Flaschenhals sitzt.bild: watson

Bei anderen Geschmacksrichtungen geht das natürlich nicht, bei Orange-Maracuja etwa, das relativ süß und ebenfalls fruchtig schmeckt. Doch auch hier gilt: Mit einer Limo kann man das, was aus der Flasche kommt, nicht vergleichen, dafür ist der Geschmack einfach zu schwach. Unser Gehirn lässt sich eben doch nur bis zu einem gewissen Grad manipulieren. Wer keine Lust auf langweiliges Wasser hat, könnte sich durch den Zusatzgeschmack aber vielleicht dazu aufraffen, mehr zu trinken. Tatsächlich ist die Flasche erstaunlich schnell leer und wartet darauf, wieder aufgefüllt zu werden, ein bisschen Spaß macht das Nuckeln am Trinkhalm eben schon. Bei welcher Geschmacksrichtung das am besten funktioniert, muss wohl jeder selbst herausfinden. Nach künstlichem Kaffee duftendes Leitungswasser hat uns jedenfalls nicht überzeugt.

Immerhin ist das, was aus der Flasche kommt, super gesund. Klar, es handelt sich ja um Wasser. Das schmeckt in aufgesprudelter Form übrigens deutlich besser in Kombination mit den Duftpods als normales Leitungswasser. So oder so: Es ist Leitungswasser, und hier kommen wir zum Nachhaltigkeitsaspekt. Denn wer durch die Trinkflasche dazu übergeht, Limonade in Kunststoffflaschen durch Wasser aus dem Hahn zu ersetzen, spart eine Menge Plastik.

10 Millionen PET-Flaschen eingespart

Und das, obwohl die Pods selbst aus Plastik sind – und leider auch doppelt in Plastik verpackt werden. So entsteht erstmal eine ganze Menge Müll. "Die Herausforderung ist, dass wir das natürliche Aroma in einem möglichst kleinen Objekt behalten wollen, da ist Kunststoff leider bisher die beste Lösung", sagt Jüngst. "Man kann unsere Pods aber zu 100 Prozent recyceln." Bislang landen sie dennoch im Abfall. Wünschenswert wäre es, dass Pods entwickelt werden, die zurückgeschickt und wiederverwendet werden können.

Im Vergleich zu dem Kunststoff, der anfallen würde, wenn man stattdessen Softgetränke in Plastikflaschen kaufen würde, brauche man dennoch 25 bis 50 Mal weniger Plastik, sagt Jüngst. Seit der Gründung des Unternehmens seien so über 10 Millionen PET-Flaschen eingespart worden – und mehr als 300 Tonnen Zucker. "Und wir sind deutlich leichter im Transport, weil die Flüssigkeit nicht mittransportiert werden muss und weniger Lkws von A nach B fahren müssen. Dadurch entsteht rund 1000 Mal weniger CO2."

Bisher sind die Pods in ziemlich viel Plastik eingepackt – damit der Geruch nicht verloren geht.
Bisher sind die Pods in ziemlich viel Plastik eingepackt – damit der Geruch nicht verloren geht.bild: watson

Künftig, sagt Jüngst, soll die Verpackung nachhaltiger werden, unnötige Materialien gestrichen und die Produktion näher herangeholt werden – "denn die Aromen werden in Deutschland produziert, die Flasche aus produkttechnischen Gründen aber noch in Fernost".

Die Aromen sind übrigens auch dafür verantwortlich, dass die Kollegen im Großraumbüro immer Bescheid wissen, wenn aus der Air up-Flasche getrunken wird – denn das Saugen an der Flasche erzeugt ein schlürfendes Geräusch, als würde man den letzten Rest Flüssigkeit im Glas durch einen Strohhalm ziehen. Lena Jüngst erklärt, warum das sein muss: "Die natürlichen Aromen werden in flüssiger Form auf einen Filter in dem Ring aufgeträufelt. Wenn der Pod auf der Flasche aufgesteckt und am Trinkhalm gesogen wird, zirkuliert Luft durch den Pod und gelangt dann in den Rachen." Deshalb kann die Flasche auch nicht gekippt werden – dann läuft sie sogar aus. Senkrecht halten ist also das oberste Gebot für das retronasale Geschmackserlebnis.

Ganz günstig ist dieses übrigens nicht: Ein Starterset inklusive Flasche und zwei Pods kostet 35 Euro, die Pods können im Dreierpack je nach Geschmacksrichtung für sechs bis neun Euro nachgekauft werden. Das klingt erst einmal nach viel Geld – allerdings reicht jeder Pod für fünf Liter Wasser, mit einer Packung kommt man so auf 15 Liter. Würde man 15 Liter Limonade kaufen, wäre man je nach Marke zwischen 15 und 20 Euro los.

Fazit

Am günstigsten und umweltfreundlichsten ist und bleibt das gute alte Leitungswasser – daran kann auch Air up nichts ändern. Wer aber keine Lust auf den immer gleichen (nicht vorhandenen) Geschmack hat, für den ist Air up eine gesündere und umweltfreundlichere Alternative zu Softdrinks. Eine richtige klebrig-süße Limo bekommt er damit aber nicht hin. Denn unser Gehirn kann uns zwar einiges einreden – aber eben nicht alles. Watson vergibt 2,5 von fünf Nachhaltigkeits-Katzen.

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(ftk)

Ohne Emissionen – Kapitän transportiert Kaffee und Gewürze mit altem Segelfrachtschiff

Der Schiffsweg spielt eine große Rolle im weltweiten Transport von Gütern, mehr als 90 Prozent aller Waren werden über die Meere verschifft. Nachhaltig ist dieser aber leider nicht, denn die 14 größten Frachtschiffe stoßen alleine so viel CO₂ aus wie 690 Millionen Autos zusammen.

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