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Maeckes verrät: Verschwörungstheoretiker haben sich mit seiner Musik beschäftigt

Maeckes veröffentlichte am 11. Juni mit "POOL" bereits sein drittes Solo-Album.
Maeckes veröffentlichte am 11. Juni mit "POOL" bereits sein drittes Solo-Album. null / Monica Menez
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"Mit gewisser Öffentlichkeit kriegt man irrsinniges Gedankengut mit" – Rapper Maeckes verrät: Verschwörungsgläubige beschäftigen sich mit seiner Musik

14.06.2021, 10:08
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Markus Winter, besser bekannt als Maeckes, bringt am 11. Juni sein drittes Solo-Album "POOL" heraus – und beendet damit eine Trilogie, zu der auch seine Platten "KIDS" und "TILT" gehören. In den elf Jahren, die zwischen dem ersten und dem letzten der drei Alben vergangen sind, veröffentlichte Maeckes auch Musik mit den Orsons, wo er neben Bartek, Tua und Kaas zur festen Besetzung gehört und trat mit der Rap-Combo 2020 im Rahmen einer kleinen Tour in Autokinos auf.

"POOL" ist inhaltlich dabei sehr vielfältig geworden. In Songs wie "1234" wird es politisch, im Musikvideo geht es um die Themen Stalking und Verschwörungsideologien. Auf "Calippo Vivaldi" rappt Maeckes über das drohende Ende der Jahreszeiten wegen der Erderwärmung.

Im watson-Interview spricht der Rapper und Musikproduzent nun unter anderem über den Entstehungsprozess von "POOL" und verrät, warum ihm das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegt. Zudem erklärt er, weshalb Autokino-Konzerte für Künstler sehr unbefriedigend sein können und dass auch er zusammen mit den Orsons schon ins Visier von Verschwörungsgläubigen geraten ist.

watson: Du bringst am 11. Juni mit "POOL" ein neues Album an den Start. Haben dich die Corona-Maßnahmen oder die Pandemie im Allgemeinen im Entstehungsprozess der Platte beeinträchtigt?

Maeckes: Beim Schreiben der Musik hat mich das überhaupt nicht beeinflusst, das habe ich alles vor der Corona-Zeit gemacht. Ich war dann auch sehr happy darüber, dass ich es eigentlich nur noch fertigstellen musste. Corona hatte keinen Einfluss auf die kreative Arbeit, das Textmaterial oder die Songs. Nur noch bei der Produktion gab es ein paar Dinge zu beachten. Aber allgemein gab es natürlich viele Einschnitte.

Inwiefern?

Ob es jetzt Videokonzepte sind, die man ganz anders baut, weil man weiß, dass man nicht in so vielen Locations drehen kann und alles überschaubar halten muss. Da musste man andere Lösungen finden. Und natürlich wird auch eine Tour anders geplant. Also es gibt schon Einschnitte, aber die Platte selbst ist unbeeindruckt von Corona-Times.

Wie kam es zum Titel "POOL" nach deinen Vorgänger-Platten "KIDS" und "TILT"?

Es hat den Vibe gut getroffen: Ein Pool ist was Offenes und wenn man eingeladen ist ein angenehm abgesteckter Bereich, an dem man sich wohlfühlen kann, bevor man irgendwas weiterdenkt. Das fand ich cool und umso länger ich mir Gedanken gemacht hab, umso mehr hab ich gemerkt, wie gut das passt.

Der Song "1234" ist sehr politisch aufgeladen. Es geht unter anderem um Verschwörungstheorien am rechten Rand der Gesellschaft. Hättest du dir auch ein Album vorstellen können, das nicht politisch ist?

Ja, hätte ich mir auch vorstellen können, aber habe ich nicht übers Herz gebracht.

"Weil ich Angst habe vor der Scheißmusik, die dabei rauskommen kann."

Findest du, dass sich Rapper gerade jetzt politisch äußern müssten?

Ich habe das schon öfter gesagt: Ich würde damit vorsichtig sein, dass Rapper das müssen.

Warum?

Weil ich Angst habe vor der Scheißmusik, die dabei rauskommen kann.

Was sollten Interpreten also deiner Meinung nach tun?

Die sollten sich wenigstens, auch wenn es nicht in die Musik reinfindet, eine Haltung überlegen. Und wenn die auch nur auf Twitter ist oder auf Insta. Oder auch nur im persönlichen Gespräch und die das ganz aus Social Media raushalten. Weil ich finde, dass die Zeit ohne Haltung rumzulaufen irgendwie gerade abgelaufen ist. Man sollte eine Haltung haben. Dass diese auch in die Musik reinfindet, ist kein Zwang.

Siehst du Ansätze im aktuellen Deutschrap-Business, die dem entsprechen?

Deutschrap ist sehr breit gefächert. Man kriegt es manchmal medial nicht mit, weil ein bestimmter Aspekt sehr gut funktioniert und die anderen Teile nicht so gut auf so einer Massenebene. Da kriegt man ein verzerrtes Bild. Wenn man sich tiefergehend umguckt, kriegt man genug politische Sachen mit. Auch Musik, die politisch ist und tatsächlich auch wahrgenommen wird.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel Danger Dans letztes Ding "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt". Der hat damit ja auch so einen Weg gefunden. Da gibt es sehr, sehr viele, die klare Statements setzen und das auch in Songs gießen und jetzt auch nicht nur vier Klicks haben und das keinen Arsch interessiert. Ich kenne mich zu schlecht aus, um das damit zu vergleichen, wie es 1994 war und wie es jetzt ist und ob es jetzt mehr oder weniger ist. Wenn man nicht tief genug reinguckt, könnte man den Eindruck bekommen, dass Deutschrap sehr unpolitisch ist, weil alles, was die Milliarden-Streams wegballert auf jeden Fall nichts mit politischer Meinung zu tun hat.

Gerade erst machten deutsche Schauspieler mit einer satirischen Aktion von sich reden, die ziemlich nach hinten losgegangen ist. Könntest du dir vorstellen, dass #Allesdichtmachen 2.0 im Deutschrap passiert?

Das kann superschnell passieren, weil sich Leute zu wenig informieren. Kida Ramadan hat es so gut gesagt: Er hat die Anfrage auch auf dem Tisch gehabt, aber zu wenig Infos bekommen, deswegen hat er die Anfrage abgelehnt. Ich glaube, dass viele sich da gar nicht so schlau machen. Das merke ich auch bei meiner Band, dass wir merkwürdige Anfragen für die Orsons bekommen, die man noch ein zweites Mal lesen muss. Das ist nicht immer nur mit falscher Haltung verbunden, sondern auch mit fehlendem Interesse.

Was könnte deiner Meinung nach die Motivation dahinter sein, sich an so einer Aktion zu beteiligen?

Viele Leute tun sehr unwissend. Und andere aber auch sehr wissend, weil man so ins Gespräch kommt.

Wie meinst du das?

Ich habe beispielsweise kürzlich einen Thread auf Twitter gelesen, in dem über Konsequenzen für Jan-Josef Liefers diskutiert wurde und darunter aber auch der Newsartikel verlinkt war, dass er kurz nach der Aktion einen Rekorddeal für den "Tatort" bekommen hat. Jetzt ist er sehr viel gefragter, weil die Leute ihn plötzlich kennen, das überprüfen wollen und deswegen jetzt sonntags einschalten.

"Wenn man eine gewisse Öffentlichkeit hat, dann kriegt man da verrückte Theorien und irrsinniges Gedankengut mit."

Was hältst du davon?

Das ist das sehr viel Verkehrtere an der jetzigen Zeit. Dass man denkt: Dann habe ich halt einen Shitstorm, aber die Leute reden über mich. Und damit kann ich mehr Geld verdienen. Das ist ein Mechanismus, der momentan sehr gut funktioniert. Er wurde nicht abgestraft, sondern mit einem Extra-Deal belohnt. Solche Aktionen wie #Allesdichtmachen können dadurch immer wieder passieren, weil man damit seinen Marktwert steigert.

"Dann waren die Orsons plötzlich die Teufel oder die Teufelsanbeter."

Zurück zu deiner Single "1234". Im Musikvideo hast du einen Stalker, der dich verfolgt und tötet. Bekommst du tatsächlich manchmal seltsame DMs?

Ja, absolut. Wenn man eine gewisse Öffentlichkeit hat, dann kriegt man da verrückte Theorien und irrsinniges Gedankengut mit. Da wird man nicht verschont. Auf Youtube hat mal so ein Schwurbel-Blog ein Video über die Orsons gemacht, weil wir für das "Schneeweiß"-Video eine Marina-Abramović-Arbeit gesampelt haben. Und dann waren die Orsons plötzlich die Teufel oder die Teufelsanbeter.

Hast du also auch schon im wahren Leben Erfahrungen mit einem Stalker sammeln müssen?

Ich möchte es hier gar nicht so breittreten, aber ja, es ist passiert und kann immer passieren. Ich habe jetzt keine überaus große Angst davor, aber man kriegt es ja mit, dass Leute ihre eigenen Realitäten erschaffen.

Warum, denkst du, ist das gerade momentan so?

Es gibt gerade einen guten Nährboden dafür, dass Realitäten nicht mehr abgeglichen werden müssen. Darum geht es ja auch in "1234". Dann kann es passieren, dass irgendjemand loszieht und Politiker erschießt, das ist vielleicht das Endlevel, dass so ein Lübke-Fall passiert. Aber es gibt viele Graustufen darunter und da kriegt man ja immer wieder Storys mit.

"Ich glaube, wenn ich 15 wäre und da so meinen Weg im Leben suchen und bestimmte Erfahrungen machen müsste, dann wäre das sehr tough."

Das Internet und insbesondere Social Media dürfte das alles sicher noch befeuern.

Die Zeiten sind dafür recht gut, weil man genug Informationen ohne Abgleich von zu Hause aus findet, und sich einfach Weltbilder kreieren kann mithilfe von YouTube oder dem Internet überhaupt. Wenn dann so eine kleine psychische Störung oder eine Psychose hinzukommt, dann kann schon eine Handlung rauskommen. Ich finde das nicht ganz abwegig.

Du hast auch einen Song auf dem Album, in dem geht es um den Druck, den Social Media auf die Gesellschaft und zwischenmenschliche Beziehungen hat.

Der Druck wird größer und ich sage mal so: Ich bin froh, dass ich nicht mehr 15 bin. Ich spüre es jetzt auch, mein nicht mehr 15-jähriges Ich kriegt es auch irgendwo zu spüren, aber ich reflektiere es anders. Ich glaube, wenn ich 15 wäre und da so meinen Weg im Leben suchen und bestimmte Erfahrungen machen müsste, dann wäre das sehr tough.

Ein anderes Thema auf deinem Album, das ich im Deutschrap noch sehr neu finde, ist Nachhaltigkeit. Du rappst beispielsweise in "Calippo Vivaldi" über das Ende der Jahreszeiten aufgrund von Erderwärmung. Warum war dir das wichtig?

Weil ich glaube, dass es ein wichtiges Thema ist. Als ich im Mai ins Studio kam, hat's geschneit. Also viel prophetischer kann "Calippo Vivaldi" ja gar nicht sein. Es ist Mai, es schneit und am nächsten Tag ist es wieder superwarm. Das fühlt sich schon irgendwie irrsinnig an (lacht).

Maeckes bringt mit "Calippo Vivaldi" das Thema Nachhaltigkeit ins Deutschrap-Game.
Maeckes bringt mit "Calippo Vivaldi" das Thema Nachhaltigkeit ins Deutschrap-Game.null / Monica Menez

Und das beschäftigt dich auch tiefgehender.

So sehr wir jetzt lachen und darüber scherzen, habe ich auch Angst und die Sorge, dass es irreparabel ist, wie wir mit der Welt umgehen und dass man diesen Umgang überprüfen sollte. Ich mag es sehr gerne, so einen Song wie "Calippo Vivaldi" zu schreiben, der eigentlich eine Lovestory ist und das Nachhaltigkeitsthema mit dabei hat und dieses vielleicht für jemanden anstößt. Auch da hatte ich aber Songs, die das viel expliziter behandelt haben, geschrieben.

"Ich schmeiße Sachen nicht gern weg, verwende sie gerne lang. Also bin ich nicht der allerbeste Konsument, den man sich wünschen kann."

Warum haben es die nicht auf "POOL" geschafft?

Ich fand's komisch, mich jetzt als der Öko-Texter zu verstehen.

Wie nachhaltig lebst du selbst?

Ich schmeiße Sachen nicht gern weg, verwende sie gerne lang. Also bin ich nicht der allerbeste Konsument, den man sich wünschen kann. Ich muss wirklich sagen, dass ich über meine Freundin, die das sehr strikt macht und ein viel krasseres Bewusstsein hat, es ein Stück weit gelernt habe und es sehr gut finde. Ich mache die normalen Sachen: Sei nicht verschwenderisch. Auch wenn du Fleisch isst, dann tu's halt nicht jeden Tag und kauf jetzt nicht jede Wegwerfverpackung, weil es leichter ist, sondern überleg dir eine Lösung, wie du das ein bisschen eindämmen kannst. Das ist jetzt sicher kein Gandhi-hafter Lebensstil, den ich da vorlebe, aber ich versuche auf jeden Fall drauf zu achten.

Jetzt, da "POOL" erschienen ist, wird man mit Sicherheit sehr schnell deine Texte auf "Genius" lesen können, eine Lyrics-Plattform, auf der Fans über die Bedeutung von Zeilen diskutieren können. Wie wichtig ist es dir, dass deine Texte richtig gedeutet werden?

Es gibt da kein Richtig-Verstehen und ich schau's mir sehr gerne an. Bisher habe ich mich auch immer damit zurückgehalten, offiziell zu kommentieren. Das hat mir "Genius" aber angeboten, ich habe da einen verifizierten Account. Aber ich mag diese Erklärungen nicht. Ich liebe aber die Interpretationen. Es wurde auch schon viel Richtiges gesagt, was ich selber nicht auf dem Schirm hatte.

Zum Beispiel?

Kürzlich wurde ich in einem Interview zu meinem Song "Emilia" auf Lessings "Emilia Galotti" verwiesen. Mir wurde erklärt, dass es da um einen Prinzen geht, der sich ganz arg um die mittellose Emilia bemüht. Und ich habe auch so eine Prinz-Zeile im Song und auf einmal hat es total viel Sinn ergeben. Ich habe jetzt auf jeden Fall sehr viel Lust, Lessing zu lesen und ich habe es beim Schreiben nicht auf dem Schirm gehabt.

Du hast kürzlich ohne Publikum im Club100 in Bremen im Rahmen eines Streaming-Konzerts gespielt. War das dein erstes Konzert unter den Corona-Maßnahmen?

Nee, ich habe schon so ein paar Streaming-Geschichten mit den Orsons gemacht. Da haben wir ein paar Sachen probiert, auch diese Autokino-Konzerte. Für mich selber aber noch nicht, weil ich das Glück hatte, meine Gitarrenkonzerte mit Abstand und Sitzpublikum noch im vergangenen Jahr spielen zu können, in Freilicht-Situationen. Vor dem Auftritt im Club100 habe ich jetzt noch zwei kleinere Streaming-Sachen gemacht, aber so eine größere Produktion zum ersten Mal.

Und wie war das für dich, so ohne Publikum?

Ich finde, man muss das als etwas anderes sehen, man muss das nicht vergleichen mit einem "normalen" Konzert. Man muss den inneren Wunsch oder Drang nach Feedback abkappen. Das sollte man wirklich sehr, sehr hart weghauen, sonst wird man da ins Leere laufen. Wenn man es als etwas anderes versteht, kann man es trotzdem bespielen.

Also hast du Streaming-Gigs nicht als Ersatz für Konzerte angesehen.

Richtig, aber man kann eine andere Möglichkeit daraus kreieren, Songs zu performen. So war es zum Beispiel im Club100 und das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, dort gab es auch ein super Team.

"Für den Künstler ist es das Dümmste, was es jemals gab, für die Leute aber nicht zwingend."

Das hat dir als Übergangslösung zumindest getaugt?

Ich hasse das, wenn man Übergangslösung sagt. Man wartet auf das Richtige, und das ist jetzt das Falsche. Das kotzt mich alles an. Es ist kein Vergleich, es ist whack in diesen Zeiten live zu spielen. Aber in dieser Whackness war es noch einer der besten Kompromisse.

Wie war das mit den Autokino-Konzerten im vergangenen Jahr mit den Orsons?

Für den Künstler ist es das Dümmste, was es jemals gab, für die Leute aber nicht zwingend. Und das musste ich auch erst lernen. Ich dachte, es ist für alle das Dümmste, warum machen wir das? Ich habe auch gesagt, wir sollten das nicht machen, wurde aber überstimmt.

Und wie war es dann in den Live-Situationen im Autokino? Ist dir ein Moment besonders im Gedächtnis geblieben?

Die Leute von der Produktion bei einem Konzert in Stuttgart hatten solche E-Roller hinter der Bühne rumstehen und ich hatte zwei Songs frei. Dann habe ich mir einen E-Scooter geschnappt und bin nach hinten gefahren, zwischen die Autos und habe es mir mal von da aus angeguckt, habe die Stimmung aufgenommen.

Und?

Dann habe ich gemerkt, die hängen halt rum, trinken, sind am Auto, wie man früher auf dem Parkplatz vorm Club gechillt hat. Und dieser Vibe ist gar nicht so verkehrt, wie ich dachte. Aber für den Künstler auf der Bühne, wenn du rumhüpfst und alles gibst, dann sind so ein paar Scheibenwischer oder Hupen nicht das Wahre, das braucht kein Mensch.

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