
Can Dündar 2019 bei einer Veranstaltung in Bonn. Der türkische Journalist lebt seit 2016 in Deutschland. Bild: www.imago-images.de / bMalte Ossowski/SVEN SIMON
23.12.2020, 11:2723.12.2020, 11:27
Der im deutschen Exil lebende Journalist Can
Dündar ist in der Türkei zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt
worden. Dündar erhielt am Mittwoch eine Strafe von 18 Jahren und neun
Monaten, weil er nach Ansicht der Richter Staatsgeheimnisse mit dem
Ziel der militärischen und politischen Spionage erhalten hatte. Das
Gericht verurteilte ihn zudem zu acht Jahren und neun Monaten Haft
wegen Terrorunterstützung, wie aus dem Protokoll hervorging. Von dem
Vorwurf, geheime Informationen bekanntgegeben zu haben, wurde er
demnach freigesprochen. Das Gericht ordnete zudem erneut Dündars
Festnahme an.
Die Anwälte Dündars boykottierten aus Protest die Verhandlung.
Sie hatten die Entscheidung zuvor damit begründet, dass sie kein
Urteil legitimieren wollen, das zuvor bereits politisch entschieden
worden sei.
DJV: "Guter Journalismus, aber keine Verbrechen"
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisierte das Urteil als "Akt der Barbarei". "Can Dündar hat recherchiert, berichtet und aufgedeckt – das ist guter Journalismus, aber kein Verbrechen", erklärte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall am Mittwoch in Berlin. "In freien Ländern gibt es dafür Journalistenpreise, in der Türkei hingegen Kerker." Der DJV-Vorsitzende rief die deutschen Sicherheitsbehörden in dem Zusammenhang auf, den Exilanten Dündar in Deutschland lückenlos zu schützen: "Eine Entführung unseres Kollegen in die Türkei muss mit allen Mitteln verhindert werden."
Hintergrund ist ein Bericht von 2015
Hintergrund des Verfahrens gegen Dündar ist ein Zeitungsbericht
aus dem Jahr 2015, in dem die regierungskritische Zeitung
"Cumhuriyet" geheime Informationen veröffentlichte, die
Waffenlieferungen der Regierung an Rebellen in Syrien belegen
sollten. Damals war Dündar Chefredakteur der "Cumhuriyet".
Dündar war für die Veröffentlichungen 2016 zu mehr als fünf
Jahren Haft wegen Geheimnisverrats verurteilt, und vom Vorwurf der
Spionage freigesprochen worden. Der Oberste Gerichtshof in Ankara
hatte das Urteil 2018 aber aufgehoben und erklärt, ein neues
Verfahren gegen Dündar müsse um den Strafbestand der Spionage
ausgeweitet werden.
Zuletzt hatte das Gericht Dündar für flüchtig erklärt. Daraufhin
war sein Vermögen in der Türkei nach Angaben der Anwälte
beschlagnahmt worden. Seit dem Spätsommer 2016 lebt Dündar in
Deutschland. Gegen den Journalisten laufen mehrere Verfahren in der
Türkei.
(andi/dpa/AFP)