Die Entscheidung in Ostdeutschland steht bevor: Am Sonntag finden die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg statt.
In beiden Bundesländern könnte die AfD den Wahlsieg holen, der Union und der SPD drohen Niederlagen. Und in beiden Ländern könnten nach der Wahl Regierungskonstellationen entstehen, die es so in Deutschland noch nie gab.
Schon bei einer Wahl gibt es viel zu beachten, nun stehen gleich zwei an. Und wir wissen, ihr seid alle viel beschäftigt.
Darum liefern wir euch zum großen Wahlwochenende den watson-Wahlguide in sechs Punkten. Damit ihr immer den Überblick behaltet, wenn die Eilmeldungen am Sonntag auf euch einprasseln.
Bei der Europawahl wurde die AfD bereits stärkste Kraft in Sachsen und in Brandenburg. Nicht erst seit diesen Niederlagen ist die Angst bei der CDU und bei der SPD vor weiteren Wahlschlappen groß.
Aber: Kurz vor den entscheidenden Abstimmungen haben sich CDU und SPD plötzlich erholt. Die aktuellen Umfragen deuten daraufhin, dass der Wahlabend weit weniger dramatisch verlaufen könnte, als lange vorhergesagt wurde.
Blicken wir zunächst nach Sachsen: Hier regiert die CDU seit der Wiedervereinigung. Ministerpräsident Michael Kretschmer übernahm 2017 das Amt von Stanislaw Tillich und führt eine Koalition mit der SPD an.
Kretschmers Wahlkampf scheint Erfolg zu haben. In den vergangenen Monaten konnte die CDU die AfD in den Umfragen nicht nur überholen. Sie konnte die Partei regelrecht abhängen:
In Brandenburg stellt die SPD seit der Wiedervereinigung den Ministerpräsidenten, seit zehn Jahren regiert sie hier mit der Linkspartei. Hier liefert sich der Sozialdemokrat Dietmar Woidke ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD.
Eins ist klar: Nach der Wahl wird es richtig, richtig kompliziert. Denn traditionelle Bündnisse wie die große Koalition kommen in Sachsen oder Brandenburg nicht auf genügend Stimmen. Eine Koalition mit der AfD schließen alle anderen großen Parteien aus.
Der Osten wird so zum Demokratielabor. Regierungskonstellationen könnten entstehen, die es so noch nie gab in Deutschland. Einige dieser Bündnisse haben Spitznamen, die sogar wir googeln mussten.
Also, aufgepasst.
In Sachsen ist die CDU eigentlich gegen die meisten Bündnisoptionen. Ministerpräsident Kretschmer bestätigte kürzlich noch einmal im "Tagesspiegel": "Es wird keine Regierung geben mit der AfD und keine mit der Linkspartei, aus unterschiedlichen Gründen. Das gilt. Punkt."
Über eine Regierungsbeteiligung der Grünen sagte er zu Wochenbeginn: "Ich möchte das nicht".
Somit blieben über: eine "Deutschland"-Regierung (CDU, SPD, FDP beziehungsweise schwarz-rot-gelb) oder eine große Koalition von Union und SPD. Beides hätte derzeit keine Mehrheit.
Rechnerisch möglich dagegen wäre wohl (ohne AfD):
Am wahrscheinlichsten davon ist wohl die einzige Konstellation, die auch bereits einen Namen hat: die Kenia-Regierung (CDU + Grüne + SPD). Dafür wirbt nun auch SPD-Kandidat Martin Dulig, was für Streit bei den Sozialdemokraten sorgte (wir berichteten). In Sachsen-Anhalt gibt es ein solches Bündnis seit 2016.
Die AfD wird selbst bei einem Wahlsieg keinen Bündnispartner finden. Außer die CDU begeht in Sachsen den Wortbruch.
Möglich wäre eine Minderheitsregierung der CDU, vielleicht sogar unter Duldung der AfD. Einer Minderheitsregierung hat Kretschmer aber bisher auch ausgeschlossen.
Noch komplizierter wird es in Brandenburg. Denn hier ist der CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben flexibler.
Er schließt eine Koalition mit Beteiligung der Linkspartei nicht aus. Dabei gilt bei der CDU noch immer der Beschluss vom Parteitag 2018 in Hamburg, der eine Koalition sowohl mit der Linken als auch der AfD ausschließt. Das hat für Kritik in der eigenen Partei gesorgt. Senftleben holte sich nicht nur einen Rüffel von Parteichefin AKK, sondern steht auch in Brandenburg in der Kritik.
Der CDU-Politiker will SPD-Ministerpräsident Woidke ablösen. Das ginge rechnerisch nur mit einer Koalition aus CDU, Linke, Grüne und FDP.
Rechnerisch möglich sind sonst (ohne AfD):
Rot-Rot-Grün ist hier also die wahrscheinlichste Koalition. (Auch wenn Woidke genau dieses Bündnis im Juni noch auf Bundesebene ausschloss. Aber eben nur auf Bundesebene.) Sollten die Freien Wähler und die FDP in den Landtag einziehen, könnte es allerdings eng werden.
Klar ist: In beiden Bundesländern wird der Druck auf die Parteien groß sein, sich zu einigen. Kommt keine Regierung zustande, braucht es Neuwahlen. Die AfD wird lautstark protestieren, warum sie bei der Suche nach einer Regierung ausgeschlossen wurde.
Es war nicht nur das Thema "Migration und Geflüchtete".
Laut einer aktuellen Umfrage von Infratest Dimap sind die beiden wichtigsten Themen für die Menschen im Freistaat der Klimawandel und Migration. Dahinter folgen Bildung, soziale Ungerechtigkeit und innere Sicherheit.
Klimawandel auf Platz 1? Heißt es nicht nach der Europawahl, die Menschen im Osten würden ganz andere Themen umtreiben als die Bürger im Westen? Nun ja: Wenn die Menschen in Sachsen über den Klimaschutz diskutieren, dann geht es nicht nur um "Fridays for Future", sondern auch um Arbeitsplätze.
In der Lausitz, einer Region im südlichen Brandenburg und im östlichen Sachsen, steht der Kohleausstieg bevor. Die Menschen hier befürchten, dass viele Jobs wegfallen und die Region verödet.
Ansonsten war der Wahlkampf in Sachsen auch vom Schlingerkurs von Michael Kretschmer geprägt. Er testete, wie weit er sich von des Bundes-CDU entfernen konnte.
Die Umfrage zu den wichtigsten Themen der Wählerinnen und Wähler in Brandenburg stammt aus dem Juni. Die Menschen nannten hier Infrastruktur und Internetzugang, Bildung und Klimawandel als die wichtigsten Themen.
Ein großes Thema im Wahlkampf waren auch: Funklöcher. Die CDU verspricht, alle 3000 Funklöcher zu schließen.
In Sachsen tritt die AfD mit einem Handicap an: Die Partei darf nur mit einer gekürzten Kandidatenliste antreten. Grund dafür waren formale Mängel der Partei bei der Zusammenstellung der Liste.
Zunächst wurde die Liste von 61 auf 18 Plätze zusammengestrichen, die Partei legte Beschwerde ein. Schließlich entschied der sächsische Verfassungsgerichtshof in Leipzig: Die AfD darf mit 30 Listenplätzen antreten.
Die große Frage des Wahlabends in Sachsen wird sein: Wird die AfD mehr Sitze im Landtag erreichen, als sie überhaupt besetzen kann?
Laut einer Prognose von Experten könnte das passieren. Der Hamburger Dienst "election.de" hat die Wahl in Sachsen durchgerechnet. Vorsicht, jetzt wird es nochmal kompliziert:
Eine Besonderheit gibt es in Brandenburg: Hier darf bereits ab 16 Jahren gewählt werden. Der Landtag hatte die Absenkung des Wahlalters 2012 beschlossen.
Seit Monaten unken Journalisten, Politiker und Experten: Die Wahlen im Osten könnten das Ende der Großen Koalition in Berlin einleiten.
Beide Bundesländer waren einst Bastionen der Stabilität für die CDU und die SPD. Die Konservativen regierten ebenso fest in Sachsen wie die Sozialdemokraten in Brandenburg. Wahlniederlagen haben hier eine hohe Symbolwirkung.
Wir entwerfen drei Szenarien und schildern ihre Folgen für die Bundespolitik:
In jedem Fall wird viel davon abhängen, ob und wie schnell die Parteien eine Regierung bilden können.