Irgendwie wirkte es unwirklich, das vergangene Jahr. Es schrieb so viele, vor allem negative Geschichten, sie könnten glatt einem LSD-Horrortrip entstammen. Und ja, theoretisch wäre das der Stoff, aus dem gute Romane oder Filme entstehen. Allerdings dürften sich selbst gestandene Romanciers beim Plotten die Finger brechen. Zu viel Material kann eben auch überfordern.
Der Entwickler Max Garkavyy ließ sich aber nicht abschrecken und programmierte glatt ein Spiel zum vergangenen Jahr: das "2020 Game". Zugegeben, besonders kreativ ist der Name nicht. Dafür hat das Spiel andere Qualitäten.
In zehn Minuten Spielzeit führt das Jump-and-Run-Game einen durch das vergangene Jahr und all seine Schlüsselereignisse. So beginnt es relativ idyllisch mit dem dahinscheidenden Jahr 2019. Wir steuern unsere pixelige Figur von Wald und Wiesen direkt in die Dürre des australischen Outbacks. Erinnert ihr euch? Anfang des Jahres ließen Buschfeuer Wissenschaftler wie auch Politiker verzweifeln – und so auch Spielerinnen und Spieler.
Geplagt von Flashbacks fieser Bilder lodernder Wälder, die die Seiten deutscher Medien füllten, müssen wir einen Parcours aus Flammen und verkohlten Baumstämme durchlaufen (und springen). "Vorsichtig, vorsichtig, Sprung! Ups, tot".
Wenige Meter und Verbrennungen später retten wir einen Koala, der sich an einem der letzten stehenden Eukalyptusbäume klammert. Den brennenden Wald im Rücken lassen wir das Tier frei und steuern direkt in die Corona-Pandemie. Neues, aber bekanntes Szenario.
Eine anfliegende Fledermaus überbringt die Nachricht: Covid-19. Naja, die Theorie ist bisher nicht bestätigt, aber deutlich besser als der Verdacht, das Virus käme aus einem Labor in Wuhan, wie es Ex-US-Präsident Donald Trump vermutete.
Bewaffnet mit Mund-Nasen-Schutz springen wir über Einkaufsschlangen, begeben uns in Quarantäne, beobachten sogar einen Wettlauf (jap, einen Lauf) zwischen Donald Trump und Joe Biden. Auch an einem Graffiti mit dem Gesicht des von einem Polizisten getöteten George Floyd kommen wir vorbei. Vielmehr möchten wir euch aber nicht verraten. Keine Sorge, ein paar Minuten gibt es noch zu spielen.
Wir durchleben also noch einmal 2020 in seiner gesamten Hässlichkeit. Das erinnert schwer an Doomscrolling, also dem grob gesagt obsessiven Wegkonsumieren von schlechten Nachrichten. Statt sich die Finger wundzuscrollen, laufen und springen wir aber von Hiobsbotschaft zu Hiobsbotschaft. Im Gegensatz zum Doomscrolling hat das Spiel jedoch ein Ende, während Nachrichten im Netz quasi im Sekundentakt nachrücken.
Einen Ausblick ins Jahr 2021 versucht der Entwickler ebenfalls zu geben, den lassen wir aber mal unkommentiert – wer mag schon Spoiler? Zusammengefasst: "2020 Game" ist ein witziges, wenn auch einfaches Spiel. Vielleicht ist der Inhalt unangenehm, war 2020 aber auch.
Wer "2020 Game" auch spielen möchte, möge hier klicken.
(tkr)