
Die Quarantäne kann für viele Menschen eine große psychische Belastung sein.Bild: imago images / Panthermedia
Gesundheit & Psyche
17.08.2020, 18:1418.08.2020, 12:20
Mehr «Gesundheit & Psyche »
Was macht Corona mit der Seele? Wer leicht verletzbar ist, den kann
die Pandemie hart treffen. Aber nicht jeder ist gleich gefährdet.
Die Corona-Pandemie kann bei vielen Menschen
psychische Störungen auslösen oder deutlich verschlimmern. Darauf
machte die Bundespsychotherapeutenkammer am Montag in Berlin
aufmerksam. Kammerpräsident Dietrich Munz sagte laut einer
Mitteilung: "Neben Depressionen und Angststörungen, akuten und
posttraumatischen Belastungsstörungen können auch Alkohol- und
Medikamentenabhängigkeit, Zwangsstörungen und Psychosen zunehmen."
Ältere besonders betroffen
Ältere zählen laut den Psychotherapeuten zu den am stärksten
betroffenen Gruppen. "Die ständigen Gedanken an eine tödliche
Infektionskrankheit können verängstigen und der Verlust an familiärer
Aufmerksamkeit und Aufgaben zu Depressivität und dem Gefühl von
Sinnlosigkeit führen", so die Kammer in einer Übersicht über die
bisherigen Studien zum Thema. Bei Vorerkrankungen oder begrenzter
erwarteter Lebenszeit wirke sich langfristige Isolation ohne
Austausch oft besonders heftig aus.
"Bei vielen, die 75 Jahre und älter sind, wird aus der Angst sich
anzustecken nicht selten Todesangst und aus Rückzug totale
Isolation", so die Kammer unter Berufung auf praktische Erfahrungen
von Psychotherapeuten. "Am Ende quälen sie sich mit der Erwartung,
wegen Corona allein zu sterben."
Kein Zweifel bestehe, dass ältere Menschen in Pflegeheimen extremen
psychischen Belastungen ausgesetzt seien. Besonders Demenzkranke
seien zudem kaum in der Lage, die starken Veränderungen in ihrem
Alltag einzuschätzen und zu verstehen.
Einzelkinder von sozialer Isolation bedroht
Auch Kinder und Jugendliche sind psychisch besonders gefährdet – durch die Schließung von Kitas und Schulen und den Verlust von
Kontakten, so die Kammer unter Berufung auf erste internationale
Studien hierzu. "Insbesondere bei Einzelkindern kann dies zur
sozialen Isolation führen." Kleine Kinder könnten das gemeinsame
Spiel eben kaum durch Telefonate oder Internetkontakte ersetzen.
Zu Hause seien die Belastungen durch Schul- und Kita-Schließungen und
gleichzeitigem Homeoffice der Eltern sowie unklaren Perspektiven bei
Millionen Familien auch in Deutschland gewachsen. Der tägliche
Zeitaufwand für Familien- und Hausarbeit stieg im April 2020 im
Vergleich zu 2018 bei Müttern von 6,6 auf 7,9 Stunden und bei Vätern
von 3,3 auf 5,6 Stunden, so eine zitierte Studie des Bundesinstituts
für Bevölkerungsforschung.
29 Prozent der Kinder und Jugendlichen gaben laut einer Befragung der
DAK-Gesundheit zudem an, sich während der Schulschließungen
schlechter oder sogar deutlich schlechter gefühlt haben als davor.
Viele fühlten sich gestresst oder traurig.
Depression bei Corona-Infizierten
Belastet sind laut der Kammer oft auch Corona-Erkrankte und ihre
Angehörigen. Corona-Kranke würden laut einer Studie drastisch erhöhte
Angst- und Depressionswerte aufweisen. Erkranken wiederum Angehörige
schwer oder sterben gar, "kann es zu langanhaltenden Schuldgefühlen
und Selbstvorwürfen kommen".
Für eine zweite Corona-Welle forderte die Kammer, Kindern und
Jugendlichen mehr Kontaktmöglichkeiten zu eröffnen. Eine Isolierung
von Altenheimbewohnern müsse vermieden werden. Kranke und Gefährdete
müssten im Internet und am Telefon mehr Beratung bekommen.
(vdv/dpa)