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Mein schlimmstes Date

Dating: Single-Frau erzählt von peinlichem Christian-Lindner-Fan

Woman looking unhappy while her man paying no attention to her and busy using his mobile phone. Sulking woman sitting next to man reading text messages during a date.
Manche Vorlieben sollten beim ersten Date lieber ein Geheimnis bleiben. Bild: iStockphoto / jacoblund
Mein schlimmstes Date

Er wirkte normal – dann zeigte er mir seinen Chat mit Christian Lindner

Wer datet, erlebt oft schräge Dinge. Doch je peinlicher oder unerfreulicher die Situation live ist, umso besser ist die Geschichte oft im Nachhinein. Wir protokollieren in unserer Serie Horror-Dates aus Sicht der Betroffenen.
09.07.2023, 10:2309.07.2023, 10:30
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Mara (26) freut sich auf das erste Date mit ihrem Bumble-Match Timo (27). Doch das Treffen zeigte ihr, dass sie eine fehlende Angabe im Dating-Profil in Zukunft nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Kennengelernt hatte ich Timo über Bumble. Er wirkte freundlich und normal, hatte Fotos, auf denen er lächelte. Kein Bild mit einem süßen Vierbeiner, bei dem er dann klarstellen musste: "Nicht mein Hund" – auf einer Dating-App kann man das durchaus schon als Pluspunkt zählen.

Insgesamt hatte ich ein gutes Gefühl bei ihm, doch eine Sache fiel mir negativ auf: Mein Date hatte keine politische Richtung angegeben. Und das ist eigentlich nie ein gutes Zeichen. Genau wie "unpolitisch", "eher rechts" oder – meiner bescheidenen Meinung nach – "liberal". Meine Alarmglocken schrillten leise in einer hinteren Ecke meines Gehirns, aber ich ignorierte sie.

Und genau dieser Punkt sollte später noch wichtig werden.

Für unser erstes Date hatten wir uns an der Spree verabredet. und auf den ersten Eindruck wirkte Timo tatsächlich nett. Ich konnte mich gut mit ihm unterhalten, er war witzig und umgänglich, hatte interessante Hobbys. Irgendwann kamen wir dann auf unsere Jobs zu sprechen. Oder besser gesagt, er lenkte das Gespräch in diese Richtung.

Er arbeitete nämlich in Brandenburg. Genauer gesagt, etwas östlich von Berlin. Ganz genau gesagt, in Grünheide.

Och nö.

Ja, er arbeitete beim Unternehmen eines gewissen durchgeknallten Milliardärs, der vor wenigen Jahren eine riesige Fabrik in die brandenburgische Natur gesetzt hat, die zur Wasserknappheit in der ohnehin wasserarmen Region beiträgt. Aber hey, ist doch alles so futuristisch und visionär. Vor meinem inneren Auge wurde bereits eine große rote Flagge gehisst.

Dann ging es auch kurz mal um mich, er fragte, was genau ich nochmal beruflich mache. Ich erzählte, dass ich als Journalistin arbeitete, und er witzelte, ob ich auch über meine Dates schreiben würde. "Haha, nein", war damals noch meine Antwort. Ups, sorry Timo.

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Ich fand die Tesla-Elon-Musk-Begeisterung schon etwas cringe, aber jetzt ging's wirklich ans Eingemachte. Er fragte mich, für welche Parteien ich bei der letzten Wahl (welche das war, weiß ich schon nicht mehr) gestimmt hatte. In dem Moment wurde mir klar, dass wir beide schon unser Urteil übereinander gefällt hatten. Trotzdem brach ich das Date nicht ab.

Dann sollte ich raten, wen er gewählt hatte. Ich druckste etwas herum (ich wollte den Klischees eigentlich nicht nachgeben), aber lag mit der FDP schließlich richtig.

In den DMs von Christian Lindner

Und als wäre das nicht alles schon unsexy genug, kam es noch viel schlimmer. Er fragte: "Kennst du diese Videos, in denen Frauen ihren Freund auslachen, weil der Cristiano Ronaldo über Instagram anschreibt und ihm ein gutes Spiel wünscht?"

Dieses Meme meinte er:

"Ja…", antwortete ich und lachte dabei nervös. Ich ahnte und fürchtete zugleich, was ich jetzt zu sehen bekommen würde. Er sagte: "Dann muss ich dir was zeigen" und holte sein Handy heraus.

Bitte nicht.

Er öffnete die Instagram-App. Und seinen Chat mit Christian Lindner. "Ich mach' das auch", sagte er, während er mir die – einseitige – Konversation zeigte. Ich konnte nur noch verlegen lachen, als ich Nachrichten wie "Lieber Herr Lindner, viel Erfolg heute beim Parteitag" las.

Nun war er nicht mehr zu bremsen. Er erzählte mir, wie er Christian Lindner vor Kurzem bei einem Event persönlich eine Frage gestellt hatte. Darum ging es auch in seiner aktuellsten Nachricht an "Herrn Lindner": Er wollte bezüglich des angesprochenen Sachverhalts (irgendwas mit Tesla, natürlich) noch einmal nachhaken. Wenig überraschend gab es auch auf diese Nachricht keine Antwort des Finanzministers.

Ich wies ihn vorsichtig darauf hin, dass es ziemlich unwahrscheinlich sei, dass er eine Antwort auf seine Fragen und Anliegen bekommen würde. Und dass, wenn er doch jemals einen Text zurück bekommen würde, dieser mit Sicherheit von einer Person aus "Herrn Lindners" Social-Media-Team geschrieben sein würde.

Darauf sah er mich leicht unsicher von der Seite an und meinte nur ungläubig: "Haha ja, wahrscheinlich…" Ich ahnte, was gerade in seinem Kopf ablief: Als ob er sich seine Hoffnungen von einem dahergelaufenen Online-Date zerstören lassen würde!

27.06.2023, Th
Christian Lindner braucht deine Unterstützung nicht, Timo. Bild: dpa / Martin Schutt

Irgendwo tat mir die ganze Sache auch leid. Was für eine Reaktion hatte er sich von mir erhofft? Dass ich mich wider Erwarten auch als Lindner-Fan herausstelle? Oder dass ich offenbarte, meinen Vorbildern auch per Insta-DM zu schreiben, in der Hoffnung auf eine Konversation? Vielleicht einfach, dass ich es lustig finde, statt seltsam.

Rückblickend denke ich mittlerweile, dass es ja wirklich nicht groß anders ist, als seinem Fußball-Idol zu schreiben – also genauso sinnlos. Trotzdem musste ich mir eingestehen, dass ein Lindner-Fanboy, der auch eine große Begeisterung für Elon Musk zeigt, kein gutes Match für mich ist.

Und letztendlich hatte unser Date dann auch ein Happy End. Nachdem wir noch gemeinsam eine Limo getrunken hatten (ich weiß auch nicht mehr, wieso), verabschiedeten wir uns am S-Bahnhof voneinander. Und keiner von uns meldete sich je wieder beim anderen.

Aber einer von uns sicher bei Herrn Lindner.

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