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Bauern-Proteste von Rechten unterwandert: "Wollen, dass Dinge eskalieren"

dpatopbilder - 15.01.2024, Berlin: Landwirte protestieren mit einer Deutschlandfahne mit der Aufschrift "Unser Land zuerst" vor der Siegessäule. Zum Abschluss der Aktionswoche der Landwirte  ...
Dass Rechtsextremist:innen mitmarschieren, schadet dem Anliegen der Landwirt:innen.Bild: dpa / Kay Nietfeld
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Bauern-Proteste von Rechts unterwandert: "Sie wollen, dass Dinge eskalieren"

15.01.2024, 15:52
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Dramatische Musik, Bilder und Worte: Auf Tiktok finden sich unter den Hashtags #ampelregierung, #ampelmussweg und #bauerndemo zahlreiche Videos, die auf fesselnde Weise erklären, dass sich das Leben in Deutschland nach dem Gipfel der Bauern-Demo an diesem Montag auf "drastische Weise" verändern könnte, dass Geschichte geschrieben werden könnte.

Eines haben diese Tiktok-Videos dabei alle gemein: Sie kommen aus dem rechten Spektrum der Gesellschaft und rufen dazu auf, die Ampel-Regierung zu Fall zu bringen.

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Die Ampel-Regierung soll weg: So lautet das Ziel zahlreicher Landwirt:innen.Bild: dpa / Paul Zinken

Rechte Umsturzfantasien zielen darauf ab, die Demokratie zu beenden

Die Proteste der Landwirt:innen werden unterwandert – von Rechtsextremen und Menschen mit Umsturzfantasien. Zwar habe der Bauernverband sich davon distanziert, aber das reiche längst nicht aus, sagt Robin Bell gegenüber watson. Er ist Referent der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN). Bell ergänzt:

"Das ist auch alles nicht im Interesse der Landwirt:innen, deren Belange in den Hintergrund rücken und einer Debattenverschiebung nach rechts zum Opfer fallen. Rechtsextremen geht es nicht um die Situation von Landwirt:innen. Sie wollen, dass Dinge eskalieren, damit früher oder später ein Umsturz stattfindet."

Auch das zeigt sich deutlich in den Clips auf Tiktok.

Das Problem an dieser rechten Vereinnahmung erläutert Bell wie folgt: Antidemokratische und rechtsextreme Akteur:innen würden sich als "Kümmerer" inszenieren und versuchen, den Diskurs zu kapern und ihre Themen zu platzieren:

"Die Proteste sind eine ideale Projektionsfläche: Auf der einen Seite stehen die Landwirt:innen als die 'anständigen Bürger'. Dem gegenüber wird die Regierung als 'schädliche Elite' dargestellt, die zum Wohle eines vermeintlich einheitlichen 'Volkswillens' abgeschafft werden soll. Damit sind wir mittendrin in einem rechten Weltbild, was letztendlich drauf abzielt, die Demokratie zu beenden."

Dass die Landwirt:innen trotz allem großen Rückhalt in der Gesellschaft genießen, hängt Bell zufolge mit verschiedenen Gründen zusammen. So würde es viele Menschen geben, die die wirtschaftlichen und psychischen Belastungen der Landwirt:innen nachvollziehen könnten.

"Man kann die Landwirt:innen unterstützen, ohne den eigenen Lebensstil infrage stellen zu müssen und Dinge an sich heranzulassen, wie es bei der Klimakrise der Fall ist."
Robin Bell, Referent der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz

Aber es gebe eben auch viele, denen es nicht in erster Linie um die Belange der Landwirt:innen gehe, sondern um die "Ampel und das System".

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"Geißeln unseres Landes": Ampel-Politiker:innen müssen für die Wut herhalten. Bild: dpa / Paul Zinken

Querdenker sehen in Bauern-Protesten Chance auf Generalstreik

Querdenker:innen und verschwörungsideologische Spektren, die bereits im vergangenen Jahr versucht hatten, einen Generalstreik zu starten, sehen in den Bauern-Protesten nun eine neue Chance dafür – und rufen zur Teilnahme an den Demonstrationen auf.

Neu ist die rechte Einflussnahme und Verrohrung des Diskurses nicht, auch mit Blick auf den Klimaschutz könne man diese beobachten: "Seit Jahren werden von rechts Maßnahmen gegen den Klimawandel bekämpft und es wird gegen ökologische Transformationsprozesse gefeuert. Das haben wir auch bei der Heizungsdebatte beobachtet", erklärt Bell.

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Wer die Proteste der Landwirt:innen unterstützt, muss nicht seinen Konsum hinterfragen.Bild: dpa / Patrick Pleul

Doch während die Klimaaktivist:innen der Letzten Generation als "Klimaterroristen" bezeichnet werden, erfahren die Landwirt:innen Unterstützung. Watson hat bei Bell nachgefragt, woran das liegen könnte:

"Es kann schwierig sein anzuerkennen, dass wir unsere Leben verändern müssen und Auswirkungen des Klimawandels spüren. Es ist einfacher, den vermeintlichen Ursprung des Problems zu personalisieren und Klimaaktivist:innen als das 'wahre Übel' zu sehen."

Die Landwirt:innen hingegen würde "nur" fordern, dass die Regierung ihre Politik verändere. Bell betont: "Man kann also die Landwirt:innen unterstützen, ohne den eigenen Lebensstil infrage stellen zu müssen und Dinge an sich heranzulassen, wie es bei der Klimakrise der Fall ist."

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Die aktuellen Entwicklungen und von Rechtsextremist:innen unterwanderten Proteste knüpfen an die antidemokratischen Proteste der letzten Jahre an, wie Bell erklärt. Deswegen sei es dringend notwendig, dass die demokratische Zivilgesellschaft gestärkt werde, um sich "nachhaltig gegen rechtsextreme Ideologien, Hass und Hetze zu wappnen".

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