Dass der Klimawandel unausweichlich und bereits in vollem Gange ist, darüber gibt es inzwischen keine Zweifel mehr – zumindest aus wissenschaftlicher Sicht, einen gewissen US-Präsidenten einmal außen vor gelassen. Nur: Wie stark erhitzt sich unser Planet – und wie hart treffen uns die Folgen der Klimakrise dementsprechend? Dafür gab es bislang ganz unterschiedliche Prognosen, die eine Erderwärmung zwischen 1,5 Grad und 4,5 Grad Celsius voraussagen.
Ein internationales Team aus Wissenschaftlern hat mit einer neuen Berechnung nun die Varianz bezüglich verschiedener Szenarien eingegrenzt. Dabei stellten sie fest: Es wird schlimmer, als die optimistischen Berechnungen hoffen ließen – aber die Prognosen der größten Schwarzmaler werden voraussichtlich auch nicht eintreten.
"Die Hauptaussage ist: Wir können uns leider nicht darauf verlassen, dass Glück uns vor dem Klimawandel rettet", sagte Reto Knutti vom Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich dem "Guardian" zufolge.
In den letzten 40 Jahren ging man mehr oder minder unverändert davon aus, dass die Verdopplung des Kohlendioxids im Vergleich zum vorindustriellen Niveau mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Erderwärmung zwischen 1,5 und 4,5 Grad Celsius zur Folge hat. Die Klimasensitivität misst dabei die Anfälligkeit des Erdklimas für menschlichen Einfluss. Die Wissenschaftler errechneten nun in ihrer im "Reviews of Geophysics" veröffentlichten Studie, dass die Erderwärmung mit derselben 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit zwischen 2,6 und 3,9 Grad Celsius liegen wird.
Die Wahrscheinlichkeit der katastrophalsten Szenarien werde damit zwar verkleinert, sagte Zeke Hausfather von der University of California Berkeley dem "Guardian". "Aber im Grunde bedeutet dies, dass wir mehr tun müssen, um den Klimawandel zu begrenzen. Dafür sind wir nicht annähernd auf dem richtigen Weg."
Eine gefährliche Störung des Klimasystems, da ist man sich in der Klimaforschung relativ einig, würde nur dann vermieden werden können, wenn die Erderwärmung 1,5 Grad nicht übersteigt. Das Pariser Klimaabkommen hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Allerdings scheint das der neuen Studie zufolge gar nicht mehr möglich zu sein – die Wahrscheinlichkeit, dass die Erderwärmung bei unter 2 Grad bleibt, sehen die Wissenschaftler bei nur fünf Prozent. Zumal einige Länder, darunter auch Deutschland, weit davon entfernt sind, ihre Klimaziele einzuhalten.
Die Studie, die im Rahmen des internationalen World Climate Research Program erstellt wurde, brachte Temperaturaufzeichnungen seit der industriellen Revolution, Aufzeichnungen prähistorischer Temperaturen aus Sedimentproben und Baumrinden sowie Satellitendaten und Computermodelle zusammen. "Dieses Papier ist wirklich das erste, das versucht, all diese unterschiedlichen Quellen von Beobachtungsnachweisen in ein kohärentes Paket aufzunehmen, das tatsächlich Sinn ergibt", sagte Mitautor Gavin A. Schmidt, der Direktor des Goddard Institute for Space Studies der NASA und Autor des Papiers, der "New York Times".
(ftk)