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Lübeck: Mann pinkelt in die Ostsee – Gericht amüsiert mit Urteilsbegründung

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Im Schutz der Dunkelheit erleichterte sich ein Mann in der Lübecker Bucht – und sollte zahlen.Bild: dpa / Jens Büttner
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Ostsee-Wildpinkler wehrt sich gegen Bußgeld – Gericht mit witziger Urteilsbegründung

18.10.2023, 09:16
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Es ist der 30. Juli des vergangenen Jahres, etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht. Ein Mann sitzt mit seinen Freund:innen an der Lübecker Bucht. Schließlich entfernt er sich von seiner Gruppe, um in die Ostsee zu urinieren. Für seine Freund:innen kein Problem. Wohl aber für die Mitarbeitenden des Ordnungsamtes, die ihn beim Wildpinkeln in die Ostsee erwischten.

60 Euro Bußgeld nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten brummten sie dem Mann auf. Der ließ das jedoch nicht auf sich sitzen. Und so landete das Wildpinkeln vor dem Amtsgericht Lübeck. Das reagiert auch mit einem Augenzwinkern.

Ein Urteil über das "gesellige Wasserlassen" und den "Spülsaum" der Ostsee.

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Tagsüber zieht die Ostsee im Sommer viele Badegäste an.Bild: imago images / localpic

Amtsgericht Lübeck muss über Wildpinkler entscheiden

Das Urteil vom AG Lübeck ist da. In seinen Ausführungen im Jurist:innen-Deutsch wirkt es oftmals skurril. Zunächst zum Vorwurf: Der Mann habe mit dem Rücken zum Strand in den "Spülsaum", also dort, wo die See die Ablagerungen an Land spült, gepinkelt.

Etwa 20 Meter war er zu dem Zeitpunkt von seinen Freund:innen entfernt. Im Schutz der Dunkelheit. Jedenfalls erwischt haben ihn aber die Mitarbeitenden des Ordnungsamtes mit ihren Taschenlampen, als sie in der Nacht auf ihrem Kontrollgang vorbeikamen.

Eine "Belästigung der Allgemeinheit"? 60 Euro Bußgeld? Das musste das AG Lübeck für den konkreten Fall klären. Und kam zu dem Ergebnis: Nein.

"So ist es halt an der Küste" – Gericht spricht Wildpinkler frei

Zunächst bringt das Gericht die Lichtverhältnisse der Tages- – oder eher Nachtzeit – an. Es konnten "insbesondere keine belastbaren Feststellungen dazu getroffen werden, dass der Betroffene bei Dunkelheit oder im Restlicht der Uferbeleuchtung mehr als allenfalls schemenhaft für Dritte sichtbar war", heißt es in der Begründung..

Zudem hätte sich auch niemand beim Ordnungsamt beschwert. Und auch die Mitarbeitenden hätten zunächst "der Angelegenheit ihren Lauf gelassen", bis der Mann wieder angezogen war und sich ihnen zuwandte.

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Das Verhalten des Mannes sei nicht geeignet gewesen, das Schamgefühl zu verletzen.

An "durchgehenden Pissoirs" etwa würde auch das "gesellige Wasserlassen" stattfinden. In der Gesellschaft sei der Vorgang auch tendenziell "eher nicht schambehaftet", argumentiert das Gericht. "Außerhalb von Bedürfnisanstalten" sei es üblich, sich entsprechend der Umgebung "den Blicken anderer zu entziehen, sich zumindest aber abzuwenden und diskret zu verhalten."

Es könne ihm nicht als Nachteil angelastet werden, dass es am Spülsaum der See landschaftlich keine anderen Rückzugsmöglichkeiten gegeben hat, findet das AG und kommentiert: "So ist es halt an der Küste." Auch eine möglicherweise belästigende Verschmutzung oder Geruchsbelästigung lehnt das Gericht ab. "Die Ostsee enthält eine Wassermenge von 21.631 Kubikkilometern Brackwasser."

Das Gericht spricht den Wildpinkler schließlich frei und schließt mit den Worten:

"Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee."
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