Tanguy Nianzou (vorne) wird von Leverkusens Patrik Schick verfolgt. Bild: www.imago-images.de / Frank Hoermann
Analyse
Hasan Salihamidžić, der in den vergangenen Wochen häufig für seine Personalpolitik kritisiert wurde, scheint mit dem jungen Franzosen einen enorm wichtigen Spieler für die Zukunft des FC Bayern verpflichtet zu haben.
Mit einem breiten Grinsen saß Sportvorstand Hasan Salihamidžić am 1. Juli 2020 im Pressekonferenzraum des FC Bayern. Neben ihm mit Tanguy Nianzou ein noch schüchterner 18-Jähriger, der von Salihamidžić aber als einer der "besten Spieler Europas im Jahrgang 2002" gepriesen wurde. Die Vorschusslorbeeren für den Defensivspezialisten waren enorm. Jetzt zeigt sich immer mehr: Salihamidžić hat damals nicht übertrieben.
Dabei wurde Nianzou den Erwartungen an seine Person zunächst schwer gerecht. Kaum angekommen, setzte ihn ein Muskelbündelriss für zwei Monate außer Gefecht. Anschließend kam er zu einem 20-minütigen Einsatz gegen den VfB Stuttgart, nur um sich eineinhalb Wochen später erneut einen Muskelbündelriss zuzuziehen. Wieder über zwei Monate Pause. Am 10. April kam er dann, 133 Tage nach seinem ersten Einsatz, im Spiel gegen Union Berlin zu seinem zweiten Spiel für den FC Bayern.
"Ich bin immer optimistisch und lache sehr gerne, aber es war sehr schwer für meinen Kopf."
Tanguy Nianzou über die Auswirkungen zwei schwerer
Muskelverletzungen
Im Fußball gab es schon viele junge, aufstrebende Spieler, denen eine große Zukunft als Weltstars vorausgesagt wurde. Doch häufig scheiterte es an der eigenen Erwartungshaltung, dem Umgang mit dem immensen Druck, der auf einen jungen Spieler einprasselt – oder einfach am Verletzungspech.
Doch Tanguy Nianzou tut alles dafür, dass das bei ihm nicht der Fall sein wird. "Ich habe alles dafür gegeben und jetzt gebe ich Vollgas", sagte er in einem Interview auf der klubeigenen Webseite. Wie gut er mit seinen 18 Jahren bereits wirklich ist, konnte er in den vergangenen drei Pflichtspielen andeuten.
Die Gefahr, ein ewiges Talent zu bleiben
Viele junge, aber auch erfahrene Spieler haben schon nach zwei Muskelverletzungen dieser Art nie wieder an ihr eigentliches Leistungsniveau anknüpfen können. Seine Verletzungen sorgten sogar dafür, dass Sportdirektor Leonardo von seinem Ex-Klub Paris Saint-Germain öffentlich über ihn spottete. "Tanguy konnte mit uns Champions League spielen und bei Bayern ist er nun fast ein Jahr, ohne zu spielen". Dass er verletzt war, wusste der Brasilianer wohl nicht.
Doch Nianzou, der während seiner Reha Deutsch lernte und auf der Bayern-Webseite bereits ein Interview auf Deutsch gab, ließ sich von den Verletzungen nicht unterkriegen. "Ich bin immer optimistisch und lache sehr gerne". Doch er gibt auch zu: "Es war sehr schwer für meinen Kopf."
Nianzou erhält viele Ratschläge von Hansi Flick
Auch, weil Trainer Hansi Flick ihn immer unterstütze. "Der Trainer spricht viel mit den jungen Spielern, auch mit mir. Das ist sehr schön natürlich. Ich lerne viel von seinen Erfahrungen. Er gibt mir viele gute Ratschläge, das ist schön."
Gegen Mainz 05 durfte er dann am vergangenen Wochenende erstmals eine Halbzeit lang zeigen, was er kann. Er brachte 88 Prozent seiner Pässe an den Mann, gewann fünf von fünf Kopfballduellen und entschied elf seiner zwölf Zweikämpfe für sich. Erstmals konnte Nianzou so die Fähigkeiten unter Beweis stellen, die Salihamidžić schon bei seiner Präsentation lobte. "Er ist in der Spieleröffnung weit für sein Alter, hat eine sehr gute Technik und ist kopfballstark."
Sportvorstand Hasan Salihamidžić.Bild: EIBNER/Sascha Walther/POOL / imago images
Coach Flick war nach dem Spiel voll des Lobes für seinen Innenverteidiger. "Tanguy hat das sehr gut gemacht. Das freut uns alle. Er hatte nach zwei Verletzungen eine sehr schwere Phase."
Nachfolger für Boateng und Alaba
Er fügte sich gut ins Team ein und könnte für Trainer Julian Nagelsmann in der kommenden Saison eine echte Alternative werden. Ein Vorteil für Nianzou sind natürlich die Abgänge von David Alaba und Jérôme Boateng. So muss er sich nur noch mit Lucas Hernández, Niklas Süle und Neuzugang Dayot Upamecano um Spielzeit duellieren.
Hansi Flick (l.) im Gespräch mit Tanguy Nianzou kurz vor seinem ersten Einsatz in Stuttgart. Bild: sampics / Stefan Matzke
Ein großer Pluspunkt für ihn ist zudem, dass er mit seinen Landsleuten Hernández und Upamecano auf dem Platz auch auf Französisch kommunizieren kann – das macht Absprachen leichter.
"Auf meiner Position muss ich mit meinen Mitspielern sprechen. Ich bin sehr laut auf dem Platz und gebe viele Kommandos. Ich weiß nicht, ob ich es bin, aber ich möchte ein Leader sein."
Nianzou ist aber defensiv vielseitig einsetzbar. Er kann auch als rechter Verteidiger oder im defensiven Mittelfeld spielen. Er machte aber schon klar, wo er seine beste Position sieht. "Ich liebe die Innenverteidigung mehr als die Sechs. Ich mag einfach die Verantwortung als Innenverteidiger." Und er hat in diesem jungen Alter bereits eine klare Vorstellung davon, wie er diese Position ausfüllen muss.
"Auf meiner Position muss ich mit meinen Mitspielern sprechen. Ich bin sehr laut auf dem Platz und gebe viele Kommandos. Ich weiß nicht, ob ich es bin, aber ich möchte ein Leader sein", sagte er im Interview auf der Vereinsseite.
Mit Julian Nagelsmann kommt nun ab Sommer ein Trainer zum FC Bayern, der es versteht, junge Talente weiterzuentwickeln. Aus Dayot Upamecano und Ibrahima Konaté schaffte es Nagelsmann bei RB Leipzig innerhalb von zwei Jahren eines der stärksten Innenverteidiger-Duos der Liga zu formen.
Und so könnte es nicht dabei bleiben, dass Nianzou nur ein großes Versprechen für die Zukunft war. Er könnte tatsächlich einen großen Teil zum Erfolg des FC Bayern in den kommenden Jahren beitragen. Vorausgesetzt, er bleibt verletzungsfrei.
Vincent Kompany ist auf dem besten Wege, den FC Bayern wieder zurück in die Erfolgsspur zu führen. In der Bundesliga hat der junge Trainer, der die Münchener erst im Sommer übernommen hat, mit vier Siegen sowie einem Remis gegen Meister Leverkusen einen richtig guten Start erwischt.