Lionel Messi will den FC Barcelona verlassen. Ein unpersönliches "Burofax", ein Online-Einschreiben, bei dem die staatliche Post den Inhalt gewährleistet, hatte das "verdorbene Ende" ("El Mundo") einer zwei Jahrzehnte währenden Ära mit 33 Titeln und 633 Toren eingeleitet. "Die Bombe ist explodiert", titelte die spanische Zeitung "Marca", auch Konkurrenzblatt "Sport" schlug einen martialischen Ton an: "Totaler Krieg."
Über seine Anwälte ließ der sechsmalige Weltfußballer dem FC Barcelona mitteilen, dass er seinen bis 2021 laufenden Vertrag kündigen und ablösefrei wechseln wolle. Der Haken: Die entsprechende Klausel ist am 10. Juni ausgelaufen. Dadurch greift wieder die festgeschriebene Ablösesumme von 700 Millionen Euro. Messi hingegen ist der Ansicht, dass die Frist seiner Wechselklausel verlängert werden muss, weil auch die Saison wegen der Corona-Zwangspause verlängert worden sei.
Es droht ein unwürdiges Feilschen und damit ein Rosenkrieg zwischen Messi und "seinem" FC Barcelona, für den der 33-Jährige seit über 20 Jahren spielt. "Ich kenne nichts anderes", sagte Messi einmal über seine "Heimat", den FC Barcelona. Hier wurde er in der Jugendakademie La Masia ausgebildet. Hier wurde seine Wachstumsstörung kostenintensiv begleitet. Hier stieg er zum Weltstar auf. Hier bestimmte er über Jahre die Personalpolitik maßgeblich mit.
Barcelona ohne Kapitän Messi? Für viele Fans weltweit ist es unvorstellbar, den Argentinier in einem anderen Trikot zu sehen – und doch könnte es so kommen. Als Abnehmer werden vor allem die finanzstärksten Klubs genannt: Manchester City, Inter Mailand und Paris St.-Germain. Ex-Barcelona-Präsident Joan Gaspart sagte, ein möglicherweise ablösefreier Abgang Messis wäre "noch demütigender" als die 2:8-Pleite im Champions-League-Viertelfinale gegen den späteren Turniersieger Bayern München.
Apropos: Warum werden immer nur Inter, PSG und ManCity genannt – was spricht eigentlich gegen den FC Bayern München als potentielles Messi-Ziel? Klar, die drei Erstgenannten haben durch verschiedene externe Geldgeber einen Haufen Asche. Aber immerhin hat der FCB gerade den Gipfel Europas erklommen und ist so gesehen das fußballerische Nonplusultra der Welt. Außerdem gilt Bayern als Klub mit weltweitem Renommee und wenig Geld haben sie ja in München bekanntlich auch nicht. Vielleicht ist Messi ja sogar ablösefrei. Und überhaupt: Messi in der Bundesliga – wie geil wäre das denn bitte?!
Die Frage, warum ein Transfer des Jahrhundertspielers an die Isar höchst unrealistisch ist, auch wenn Messi eventuell sogar ablösefrei zu haben wäre, lässt sich ziemlich leicht beantworten.
Ein weltweiter Superstar wie Messi würde alles verändern an der Säbener Straße. Fußballkommentator Marcel Reif brachte es im "Bild"-Format "Reif ist live" ganz gut auf den Punkt: "Wenn du Messi holst, holst du dir den Zirkus in die Stadt". Es würde sich alles nur noch um Messi drehen. Das wiederum stünde im totalen Widerspruch zum Leitspruch des Klubs "Mia san mia", der unter anderem auch beinhaltet, dass das Team über Einzelspielern steht und kein Spieler größer als der Verein ist. Messi bei Bayern würde eher bedeuten: "Mia san Messi". Darunter würde die Teamhierarchie und das Mannschaftsgefüge leiden. Außerdem ist ja auch schon Leroy Sané als neuer Superstar gekauft worden.
Auch wird sich der FC Bayern, der dafür bekannt ist, im Millionengeschäft Fußball einigermaßen vernünftig zu wirtschaften und keine Fantasiesummen für Spieler und Gehälter auszugeben, Messi nicht leisten können und wollen. Der Argentinier soll rund 50 Millionen Euro im Jahr verdienen – bei den Bayern gilt 20 Millionen Jahressalär als oberste Schmerzgrenze. Messi würde das Gehaltsgefüge völlig durcheinanderwirbeln, da er wohl eher nicht auf über die Hälfte seines aktuellen Lohns verzichten würde.
Auch taktisch kann sich der FC Bayern nicht leisten. Ein Lionel Messi, der es gewohnt ist, bei Angriffen der gegnerischen Mannschaft in der Offensive zu verweilen (manche sagen auch: Messi ist zu faul zum Verteidigen), ist in der aktuellen Flick-Elf, in der sich auch Robert Lewandowski in den Defensivverbund einordnet, nicht vorstellbar. Auf Messi müsste das Spiel des Teams zugeschnitten werden, damit er der Mittelpunkt ist.
Ein Hauptaugenmerk von Oliver Kahn, dem künftigen Vorstandsboss der Bayern, liegt auf der Jugendarbeit, die wiederum künftig regionale Identifikation gewährleisten soll. Messi ist mit 33 Jahren schlicht zu alt für den FC Bayern und passt nicht in dieses Konzept. Er ist im Herbst seiner Karriere, und das steht auch im Widerspruch zum jungen und aufstrebenden Team um Kimmich, Gnabry, Goretzka, Pavard, Coman und Davies sowie bald auch Sané, das seine eigene Ära prägen kann. Die Bayern-Mannschaft der Zukunft steht bereit, sie braucht keinen Messi.
Wir halten fest: Unter anderen Umständen als den aktuellen würde der Rekordmeister über einen ablösefreien Messi-Transfer vielleicht nachdenken (Betonung auf ablösefrei und vielleicht).
Wahrscheinlich würde Messi aber ohnehin nicht zu dem Klub gehen, der Barca erst neulich mit 8:2 im Champions-League-Halbfinale vom Platz gefegt hat...
(as/mit Material von sid)