Der FC Bayern München steht nach dem vierten Spieltag der Gruppenphase bereits im Achtelfinale der Champions League. Nach dem 3:1-Sieg gegen den FC Salzburg am Mittwochabend ist dem deutschen Rekordmeister die Qualifikation für die K.o.-Runde nicht mehr zu nehmen. Für den Titelverteidiger war es der 15. Königsklassen-Sieg in Folge.
Doch all das täuschte ein wenig darüber hinweg, dass die Münchener sich durchaus schwertaten. So unterhaltsam und temporeich das Spiel war, so mühsam war es auch für die Bayern. Die Elf von Trainer Hansi Flick leistete sich hier und da Unkonzentriertheiten in Form von Abspielfehlern sowie unnötigen Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung. Salzburg boten sich dadurch einige Möglichkeiten, Manuel Neuer im Tor verhinderte Schlimmeres.
Der Grund für die Konzentrationsschwächen scheint klar: Die körperliche und mentale Belastung der Bayern-Spieler ist aktuell groß. Der Stress ist gerade ein ständiger Begleiter für die Profis. Viele sind verletzt oder angeschlagen, vor allem in der Defensive muss Flick notgedrungen viel rotieren. Aktuell müssen die Bayern fast jeden dritten Tag antreten, manche waren vor kurzem auch mit ihren Nationalteams unterwegs. Bis zum 19. Dezember stehen für den FCB noch sieben Spiele im Jahr 2020 an.
Bereits vor dem Spiel gegen die Salzburger musste Flick kreativ werden und die Belastung seiner Profis in Hinblick auf die kommenden Aufgaben clever steuern. So startete zum Beispiel der junge US-Amerikaner Chris Richards als linker Verteidiger zum ersten Mal in der Champions League. Im defensiven Mittelfeld lief der Spanier Marc Roca als Vertreter von Joshua Kimmich neben Leon Goretzka auf. Bisher durfte der Neuzugang von Espanyol Barcelona nur eine Minute lang gegen den 1. FC Köln und einmal im DFB-Pokal gegen den FC Düren ran.
Richards und Roca erledigten ihre Defensivsachen ordentlich. Doch dann wurde es für Flick rund eine halbe Stunde vor Abpfiff abermals etwas kompliziert, was seine Abwehr betrifft.
Erst verließ in der 62. Minute Benjamin Pavard den Rasen. Es stellte sich aber als eine bloße Vorsichtsmaßnahme heraus: "Pavard hat einen Schlag auf den Knöchel bekommen, es ist nichts Schlimmes", sagte ein sehr erleichterter Flick nach dem Spiel.
Der gegen Werder Bremen angeschlagen ausgewechselte Lucas Hernández übernahm daraufhin für Pavard die linke Abwehrposition, Richards wechselte dafür nach rechts auf die andere Seite der Viererkette.
Und dann, in der 66. Minute, flog auch noch der defensive Mittelfeldmann Roca nach einer Gelb-Roten Karte vom Platz. Als dann nur wenige Minuten später das 1:3 aus Salzburger Sicht fiel (73.), entschied sich Flick für einen Defensivkniff, der die mittlerweile in Unterzahl spielenden Bayern stabilisieren sollte.
Für Rookie Richards kam Routinier Javi Martínez ins Spiel. Doch der Spanier übernahm dann nicht die Position hinten rechts in der Abwehrkette, sondern füllte die Roca-Lücke davor. Martínez' Mittelfeldkollege Goretzka ließ sich dafür in der Schlussphase bei gegnerischem Ballbesitz immer wieder auf die rechte Defensivseite in die Viererkette fallen.
Eine ungewohnte Position für den Nationalspieler. Doch die Idee ist nicht neu, die hatte auch schon mal Flicks ehemaliger Nationalelf-Trainerkollege Joachim Löw. Im Juni dieses Jahres verriet der Bundestrainer, dass er mit dem Gedanken gespielt habe, den physisch starken Rechtsfuß als Außenverteidiger auf der rechten Abwehrseite einzusetzen. "Mit seiner Dynamik, seinem Ballgefühl und Spielverständnis wäre er eine Möglichkeit gewesen", sagte Löw damals. Er entschied sich doch dagegen, "weil Leon diese Rolle nie gespielt hat."
Dafür setzte nun Flick die Idee von Jogi Löw um, wenn auch nur für etwas mehr als zehn Minuten und aus einer akuten Not heraus. Aber Not macht nun mal erfinderisch.
(as)