Während die Italiener ihren Sieg feierten, reagierten die Engländer nach dem verlorenen EM-Finale mit großer Trauer.Bild: ap / John Sibley
Fußball International
Gareth Southgate ging sofort zum untröstlichen Bukayo
Saka. Der 19-Jährige kämpfte nach seinem entscheidenden Fehlschuss im
Elfmeter-Drama von Wembley im Arm seines Trainers lange mit den
Tränen. "Natürlich ist es herzzerreißend für die Spieler", sagte
Southgate spät am Abend, nachdem der englische Traum vom ersten
großen Fußball-Titel seit 55 Jahren durch das 2:3 im Elfmeterschießen
gegen Italien auf bitterste Art und Weise geendet war. "Es ist nicht
ihre Schuld", betonte Southgate.
Viele Engländer sahen das offenbar anders und beleidigten
den Profi des FC Arsenal im Internet rassistisch. Auch der
Noch-Dortmunder Jadon Sancho (21) und Marcus Rashford (23), die beide
allein für das Elfmeterschießen eingewechselt worden waren und dann
ebenfalls nicht trafen, wurden Zielscheibe von üblen Kommentaren.
FA mit Stellungnahme nach Hass-Kommentaren
Die FA reagierte in der Nacht mit einer Stellungnahme. "Wir könnten
nicht deutlicher machen, dass jeder, der hinter solch widerlichem
Verhalten steckt, als Anhänger unseres Teams nicht willkommen ist.
Wir werden tun, was wir können, um die betroffenen Spieler zu
unterstützen und drängen zugleich auf die härtest möglichen Strafen
für jeden, der verantwortlich ist", hieß es.
Alle drei waren schon unmittelbar nach der Entscheidung kaum
aufzurichten. "Niemand ist auf sich alleine gestellt. Wir gewinnen
und verlieren als Team", sagte Southgate, der die Schuld auf sich
nahm: "Das ist meine Entscheidung, nicht die der Spieler. Wir haben
die besten Schützen ausgewählt, die auf dem Feld standen." Er, sagte
der 50-Jährige, sei der, dem die Schuld zu geben sei.
Kritik aus Deutschland für Auswahl der Schützen
In Deutschland kam die Wahl der Schützen nicht gut an. "Die Auswahl
war nicht besonders glücklich von Southgate. Mich stört so ein
bisschen die Balance zwischen Erfahrung und Jugendlichkeit", sagte
Ex-Nationalspieler Michael Ballack bei Magenta TV. Nach Kapitän Harry
Kane (27) und Abwehrchef Harry Maguire (28), die beide trafen, hatten
drei der jüngsten Engländer ihre Versuche vergeben. "Sehr fahrlässig"
fand Rio-Weltmeister Per Mertesacker die Auswahl im ZDF.
In der Kabine war es still, berichtete Southgate. Der britische Prinz
William, der zuvor auf der Ehrentribüne seinen Sohn George getröstet
hatte, kam kurz zu den Spielern. "Er hat ihnen gedankt für ihren
Einsatz", sagte Southgate und ergänzte zur Stimmung: "Sie können sich
vorstellen, wie es dort aussieht."
Die englischen Zeitungen schwankten spät am Sonntagabend zwischen
riesiger Enttäuschung und Stolz. "Unerträgliche Schmerzen – die
heldenhaften Three Lions verlieren im Elfmeterschießen", schrieb der
"Mirror". "Nicht schon wieder! Ein mutiges England verliert im
herzzerreißenden EM-Finale im Elfmeterschießen gegen Italien", meinte
der "Daily Star".
Im Wembley-Stadion weinten viele Fans. Zugleich bestand die
Befürchtung, dass einige Anhänger ihre Wut in der Stadt oder auf dem
Heimweg explodieren lassen. Schon vor dem Anpfiff hatte es in London
und unmittelbar am Stadion mehrere hässliche Szenen gegeben.
Southgate hatte vor 25 Jahren selbst einen entscheidenden Elfer verschossen
Zu Southgate und den Spielern drang das zunächst nicht vor. "Wir
wollten ihnen noch eine Nacht schenken und die größte Party aller
Zeiten", sagte Southgate, der während des Turniers in England zum
Helden geworden war. Vor 25 Jahren, im EM-Halbfinale ebenfalls in
Wembley gegen Deutschland, war er es gewesen, der den entscheidenden
Elfmeter vergeben hatte.
Mit Saka konnte er deshalb wohl ganz besonderes fühlen. "Er ist ein
super Junge", sagte Southgate über den 19-Jährigen. "Er hat ein
unglaubliches Turnier gespielt, er wird ein Star werden. Wir müssen
da sein, um ihn zu unterstützen und ihm zu helfen. Aber ich bin
sicher, er wird auch von außen eine Menge Liebe bekommen."
Der Ex-Profi betonte, wie stolz er auf seine Spieler sei. "Sie haben
Geschichte geschrieben, mehrere Male im Turnier", sagte Southgate.
"Sie haben alles gegeben, was sie konnten. Nicht nur heute Nacht,
sondern das gesamte Turnier. Sie sollten ihren Kopf oben halten. Sie
haben dem Land unglaubliche Momente beschert."
(nb/dpa)
Noch am Donnerstag erklärte Julian Nagelsmanns Berater Volker Struth, dass eine Entscheidung um die Zukunft des Bundestrainers "in den nächsten fünf, sechs, sieben" Tagen fallen werde. Gleichzeitig bestätigte er, dass er sich auch in Gesprächen mit Bayern München befinde.